12. März 2024
Die Presseschau aus deutschen Zeitungen

Soll Deutschland der Ukraine Taurus-Marschflugkörper liefern? Diese Debatte beschäftigt auch die Zeitungen. Außerdem geht es um den Tarifkonflikt bei der Deutschen Bahn.

Eine Demonstration für die Ukraine am Brandenburger Tor in Berlin. Auf einem Schlid steht "Taurus für die Ukraine".
Demonstranten fordern in Berlin das Taurus-Waffensystem für die Ukraine am zweiten Jahrestag des russischen Angriffs am 24.2.2024. (IMAGO / IPON / IMAGO)
Die FRANKENPOST aus Hof schreibt zur Taurus-Debatte: "Die Ängste, die Bundeskanzler Scholz äußert, sind richtig. Dass Deutschland allerdings seit Monaten öffentlich diskutiert, was es tut und vor allem nicht tut, macht es für alle anderen Länder sehr durchschaubar. Gerade Russlands Präsident Putin kann sich die Hände reiben. Er hat mit seinen Drohungen das erreicht, was er wollte. Er verbreitet Schrecken und lässt etwa Scholz wie fast unabrückbar bei seinem Nein zur Taurus-Lieferung bleiben. Der britische Außenminister David Cameron baute dem Kanzler nun sogar eine Brücke, über die er ziemlich elegant aus seinem Dilemma käme. Cameron schlug einen Ringtausch vor. Deutschland wäre fein raus. Könnte es eine bessere Lösung für Scholz geben?", fragt die FRANKENPOST.
Die RHEIN-NECKAR-ZEITUNG bemerkt zum Ringtausch: "Die grüne Außenministerin wäre wohl dafür, ihr Parteichef ebenfalls. Vielleicht stimmen die beiden aber auch diese Woche gemeinsam mit ein paar FDP-Abgeordneten für den Antrag der Union, Taurus direkt an die Ukraine zu liefern. Egal, was der Kanzler sagt. Und dass die Ukraine eigentlich Munition bräuchte und mehr Soldaten an der Front – egal. Die Taurus-Debatte ist ein Beispiel in diesem Krieg, wie Grenzen verschoben werden. Aus der Unterstützung der Ukraine bei ihrem Versuch, die russische Aggression zurückzuschlagen, wird der Anspruch, russische Nachschubwege zu zerstören. Wo endet das? Wenn die Ampel-Koalition erst einmal geplatzt ist, können sich die Eskalierer im Bundestag zusammenschließen – die Vernunft bewahre davor." So weit die RHEIN-NECKAR-ZEITUNG aus Heidelberg.
"Die Vorstellung, Scholz könne per Resolution zu einem Waffenexport gezwungen werden, ist abwegig", findet die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG: "Wenn Überzeugungsarbeit doch noch etwas bewegen soll, müsste sie von Boris Pistorius, Annalena Baerbock und Christian Lindner geleistet werden. Seinerseits ist Olaf Scholz bisher mit allen Versuchen gescheitert, die Diskussion abzuwürgen. Weder Totschweigen noch umständliche Erklärungen noch ein Basta haben geholfen. Vielleicht sollte er den Gedanken zulassen, dass vielleicht auch die Befürworter der Taurus-Lieferung nicht allesamt Hasardeure sind - und sich für seine Bedenken wegen der großen Reichweite Lösungen finden lassen könnten. In erster Linie sollte es darum gehen, der in die Defensive geratenen Ukraine effektiv zu helfen. Ein Ringtausch, wie ihn der britische Außenminister David Cameron für möglich hält, wäre allemal besser als eine endlose Debatte", notiert die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG.
"Deutschland leistet sich eine katastrophale Zerrissenheit", urteilt die DITHMARSCHER LANDESZEITUNG aus Heide: "Offenbar hat sein politisches Führungspersonal keine Lehren aus der Geschichte gezogen, wie Diktatoren zu begegnen ist, die ihren imperialen Gelüsten mit der blutigen Eroberung friedlicher Nachbarländer nachgeben. Die deutsche Politik hat es zudem verlernt, den wohlstandsverwöhnten Deutschen Zumutungen abzuverlangen."
Die Zeitung DIE WELT kommentiert: "Der Bundeskanzler mag rhetorisch über die Kraft eines erloschenen Vulkans verfügen und seine Koalition das Land mehr schlecht denn recht führen, in seiner auf Washington ausgerichteten Haltung im Ukraine-Krieg und der Lieferung von Waffen aber ist auf ihn mehr Verlass als auf die britischen und französischen Windbläser. Keineswegs ist Scholz der Defätist und Lügner, als den ihn die Union mit dem grünen Anton Hofreiter im Schlepptau zeichnet. Ohne die deutsche Waffenhilfe stünde Kiew verloren da. Im Übrigen: Nicht die Taurus-Raketen werden eine Wende bringen. Wenn es überhaupt eine Wende in diesem Krieg für die Ukraine geben kann, dann braucht Kiew drei Dinge: Munition, Munition und Munition", unterstreicht DIE WELT.
Im Zusammenhang mit dem Ukraine-Krieg ist auch Papst Franziskus in den Schlagzeilen, weil er Kiew einen "Mut zur weißen Flagge" nahegelegt hat. Die LEIPZIGER VOLKSZEITUNG ist überzeugt: "Die Worte von Papst Franziskus dürften in puncto Weltfrieden mehr Schaden als Nutzen angerichtet haben. Wenn das Kirchenoberhaupt in einem solchen Krieg nur die angegriffene Seite aufruft, die Waffen ruhen zu lassen, dann verschiebt es die Definition von Gut und Böse. Dann besteht auch die Gefahr, dass der in weiten Teilen katholisch geprägte globale Süden gegen die Ukraine und für Russland Partei ergreift. So macht sich der Papst zu Putins Helfer", kritisiert die LEIPZIGER VOLKSZEITUNG.
"Unerträglich ist es zudem, dass Franziskus die russischen Kriegsverbrechen weder erwähnt noch verurteilt hat", heißt es in der FRANKFURTER RUNDSCHAU: "Würde Kiew die weiße Fahne hissen, würde das Land zudem bedingungslos vor Putin kapitulieren. Über was sollte dann noch verhandelt werden? Putin würde den Sieg für sich reklamieren und die Ukraine würde von der Landkarte verschwinden."
Die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG betont: "Es ist nicht die vom Papst empfohlene weiße Flagge gewesen, die vor dem Hauptquartier der NATO aufgezogen wurde, sondern die Fahne Schwedens, des 32. Mitglieds des Verteidigungsbündnisses. Mehr als zweihundert Jahre hatte Stockholm sich von Militärallianzen ferngehalten, doch als Putin die Ukraine überfiel, zögerten die Schweden so wenig wie die Finnen. Dass die einen länger als die anderen auf die Mitgliedschaft warten mussten, war der Quertreiberei und den Erpressungsversuchen Ungarns und der Türkei geschuldet. Doch nicht einmal Orbán und Erdogan konnten verhindern, dass der europäische Flügel der NATO stärker ist als je zuvor. Das hat Putin keinem anderen zuzuschreiben als sich selbst. Hätte er nicht die Krim und danach die ganze Ukraine überfallen, die NATO befände sich noch immer im Winterschlaf", vermutet die F.A.Z.
Zum nächsten Thema. Die Lokführergewerkschaft GDL hat auch für heute zu einem Streik bei der Bahn aufgerufen. Die HEILBRONNER STIMME erläutert: "Der volkswirtschaftliche Schaden, den stehende Züge verursachen, summiert sich auf dreistellige Millionenbeträge – und zwar täglich. Es mehren sich Stimmen, die ein gesetzliches Streikrecht fordern. Das wäre ein tiefer Eingriff in die Tarifautonomie, mit der dieses Land bisher sehr gut gefahren ist. Das lag auch daran, dass Gewerkschaften und Arbeitgeber bei aller Konfrontation stets das große Ganze im Blick hatten. Dagegen verfolgt vor allem die Mini-Gewerkschaft GDL rücksichtslos ihre Maximalforderungen. Wer sich im Tarifkonflikt überhaupt nicht bewegt und nicht mal einer Schlichtung zustimmt, hat an einer funktionierenden Sozialpartnerschaft kein Interesse mehr." Das war die HEILBRONNER STIMME.
Auch die SAARBRÜCKER ZEITUNG kann sich Einschränkungen im Streikrecht vorstellen: "Auflagen für diesen Teil der Wirtschaft sind umso mehr zu rechtfertigen, als Gewerkschaften hier eine Hebelwirkung haben: Verkehrsstreiks treffen viele, Stahlstreiks dagegen erst einmal nur den Stahlkonzern. Die Modernisierung des Tarifrechts wäre eine ehrenvolle Aufgabe für den Bundesarbeitsminister. Was macht eigentlich Hubertus Heil?"
Der Berliner TAGESSPIEGEL erwartet als Konsequenz aus den Streiks: "Sicher werden betroffene Unternehmen im Dienstleistungssektor sich ihre Gedanken machen. Selbst wenn sie höhere Löhne und kürzere Arbeitszeiten gewähren – ihre Probleme sind damit nur vertagt. Die erhöhte Verhandlungsmacht der Arbeitnehmer ist Ausdruck einer strukturellen Verschiebung: Die deutsche Wirtschaft steuert auf einen massiven Mangel an Arbeitskräften zu. Einen Ausweg bieten Automatisierung und Digitalisierung. Lokführer lassen sich vielleicht noch nicht so schnell ersetzen, Mitarbeitende im Service aber schon. Ganz sicher wird diese Streikwelle die Unternehmen dazu treiben, ihre Prozesse mit immer weniger Menschen zu organisieren."