
Deutschland habe verteidigungspolitisch viel zu lange in einer Märchenwelt gelebt, meinen die NÜRNBERGER NACHRICHTEN: "Geschützt von anderen, getragen von der Hoffnung auf ein Ende aller Kriege und geprägt von den entsetzlichen Erfahrungen des Nationalsozialismus meinte man, mit einer Potemkinschen Bundeswehr durchzukommen. Nichts funktionierte richtig, man schummelte sich irgendwie durch. Den Preis dafür müssen wir jetzt bezahlen", kritisieren die NÜRNBERGER NACHRICHTEN.
Die AUGSBURGER ALLGEMEINE bezeichnet die Bundeswehr als "kaputtgespart": "Nun zeigt sich, dass sich Versäumnisse aus Jahrzehnten nicht so einfach in wenigen Jahren korrigieren lassen. Zeitenwenden werden plötzlich nötig, doch es dauert, sie umzusetzen. Immerhin, ein Aufwärtstrend ist spürbar. Die eklatanten Ausrüstungsmängel scheinen weitgehend behoben. Soldaten haben es verdient, in einem intakten Umfeld ihren potenziell lebensgefährlichen Dienst zu leisten. Es ist furchtbar, dass das Bewusstsein für die Notwendigkeit einer funktionierenden Bundeswehr erst unter dem Ukraine-Schock zurückgekehrt ist", findet die AUGSBURGER ALLGEMEINE.
"Natürlich lässt sich eine Armee samt großem und kleinem Gerät nicht von heute auf morgen auf Vordermann bringen", gibt die MÄRKISCHE ODERZEITUNG zu bedenken. "Aber in Wahrheit hat das Umsteuern bei der Truppe ja nicht erst mit der Bundestagsrede von Kanzler Olaf Scholz im Februar 2022 begonnen. Die Trendwenden Material und Personal wurden vor mittlerweile fast einem Jahrzehnt ausgerufen – Mehrausgaben inklusive. Die Bundeswehr muss nun dringend beweisen, dass sie mit dem vielen Geld, das die Steuerzahler bereitstellen, auch Wirkung erzielen kann. Anderenfalls dürften sich nicht mehr viele finden, die nach Aufbrauchen von hundert Milliarden Euro Sondervermögen weitere Riesenbeträge nachschießen wollen", mahnt die MÄRKISCHE ODERZEITUNG aus Frankfurt/Oder.
Die FRANKFURTER RUNDSCHAU betont: "Das Ernüchternde am Bericht ist weniger die Liste der Mängel, die seit Jahren bekannt sind. Vielmehr enttäuscht das geringe Tempo, mit dem die Defizite trotz der Zeitenwende angegangen werden. So gesehen ist der Bericht auch ein schlechtes Zeugnis für Verteidigungsminister Boris Pistorius und Kanzler Olaf Scholz, der die marode Truppe in eine Stütze der europäischen Verteidigung umwandeln will. Doch trotz des Sondervermögens von 100 Milliarden Euro fehlt es weiter an allem. Noch mehr Geld alleine wird die Reform nicht beschleunigen. Pistorius muss die teils dysfunktionale Bürokratie auf Vordermann bringen - nicht nur im Beschaffungswesen. Er wird auch einen Weg finden müssen, mehr Nachwuchs zu rekrutieren", heißt es in der FRANKFURTER RUNDSCHAU.
"Das unangenehmste Thema ist die aus dem Bericht hervorgehende personelle Misere", schreibt die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG. "Zu wenig junge Staatsbürger wollen noch zur Truppe. Auch in oberen Laufbahnen sind viele Posten vakant – bei stetig zunehmenden Aufgaben. Daher wäre es an der Zeit für eine Debatte, welche Wehrdienstmodelle es braucht, um den Mangel zu beheben und eine größere Reserve als die bisher geplanten 60.000 für den Ernstfall zu schaffen. Anstatt sich ewig abzuarbeiten am Taurus, wäre es gut, mehr Energie auf solche, für die Zukunft des Landes womöglich entscheidende Fragen zu verwenden. Hier wäre allerdings auch mehr Führung durch Olaf Scholz selbst gefragt", moniert die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG.
Die WELT befasst sich mit der Klage der AfD gegen die Einstufung der Partei als rechtsextremistischer Verdachtsfall durch den Verfassungsschutz: "Es ist zu hoffen, dass die Richter in Münster dem Verfassungsschutz erlauben, die unpatriotischen und demokratiefeindlichen Netzwerke zu durchleuchten, deren Frontorganisation die AfD ist. Freilich ersetzt die geheimdienstliche Ausspähung ebenso wenig wie die journalistische Arbeit das Machtwort des Souveräns. Noch kann man der AfD an der Wahlurne das Handwerk legen", unterstreicht die WELT.
"Die inhaltliche Auseinandersetzung mit der AfD wird nicht durch Gerichte entschieden", führt die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG an: "Doch die Justiz muss entscheiden, ob etwa staatliche Eingriffe gegenüber der Partei erlaubt sind. Einstufungen durch den Verfassungsschutz und Beobachtungen sind Beeinträchtigungen, gegen die aus gutem Grund Rechtsschutz möglich ist. Mag sich die AfD auch noch so sehr vom Verfassungsschutz verfolgt fühlen, der eine an Recht und Gesetz gebundene Behörde ist und keinen parteipolitischen Auftrag haben darf: Sie hat alle Möglichkeiten, sich dagegen zu wehren. Politisch ohnehin. So ist nicht ersichtlich, dass die Einschätzungen des Verfassungsschutzes etwa zur AfD in Thüringen dieser bisher wesentlich geschadet hätten. Womöglich ist sogar das Gegenteil der Fall", überlegt die F.A.Z.
Die Beobachtung durch den Verfassungsschutz sei ein zweischneidiges Schwert, kommentiert die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG: "Denn die Partei nutzt sie ihrerseits, um sich als Opfer feindlicher Mächte, allen voran der Bundesregierung, darzustellen und ihr Underdog-Image zu pflegen. Solange in Münster nichts entschieden ist, kann sie gegenüber möglichen Wählern argumentieren, dass die Einstufung des Verfassungsschutzes gewissermaßen vorläufig sei und damit nicht ernst zu nehmen. Auch deswegen hat die Partei ein Interesse daran, das Verfahren in die Länge zu ziehen. Immerhin wird im Herbst gewählt. Doch selbst nach einem Urteil in Münster wird der Kampf vor Gericht wohl weitergehen. Die AfD könnte weiterziehen vors Bundesverwaltungsgericht", notiert die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG.
ZEIT ONLINE appelliert an Journalistinnen und Journalisten, im Falle der AfD eine - so wörtlich - "eigene politische Analyse" vorzunehmen. Es gelte keine Unschuldsvermutung. "Statt seltsam hörig darauf zu warten, dass der Verfassungsschutz eines Tages zur Einschätzung kommt, dass es sich bei der AfD tatsächlich um eine 'erwiesen rechtsextreme Bestrebung' handelt, lässt sich dieses Urteil problemlos schon heute treffen. Man muss dazu bloß in der Zeitung nachlesen, was führende AfD-Vertreter regelmäßig von sich geben, welche ehemaligen Neonazis sie in ihren Bundestagsbüros beschäftigen und wie häufig sie im russischen Staatsfernsehen auftreten. Zwar kann man aus alldem auch andere Schlüsse ziehen, es darf ja glücklicherweise jeder finden, was er will, nur braucht der Journalismus den Verfassungsschutz nicht, um so etwas zu schreiben: Die AfD ist rechtsextrem, rechtsextrem, rechtsextrem", heißt es bei ZEIT ONLINE.
Abschließend noch zwei Kommentare zum Streik bei der Lokführergewerkschaft GDL. Die BERLINER MORGENPOST stellt fest: "Jeder Arbeitskampf des Claus Weselsky endete bislang in der totalen Eskalation: Während andere Gewerkschaften stets die Leistungsfähigkeit der anderen Seite mit im Blick haben, sieht der GDL-Chef nur Eisenbahner. Zur Not finanziert eben der Steuerzahler die überzogenen Abschlüsse. Die Lokführergewerkschaft schadet allen. Der Dauerstreik der GDL hat eine soziale Schlagseite: Wer ein Auto vor der Tür stehen hat, kann in diesen Tagen ausweichen. Wer auf S-Bahnen und Züge angewiesen ist, weil er eingeschränkt, zu jung, zu alt oder zu arm ist, hat Pech gehabt. Ein funktionierender Nahverkehr war immer auch ein Versprechen der Teilhabe für alle. Weselsky ist das egal", konstatiert die BERLINER MORGENPOST.
"Die kritische Infrastruktur Eisenbahn muss auch in Streikzeiten halbwegs zuverlässig funktionieren", mahnt DER TAGESSPIEGEL, ebenfalls aus Berlin: "Fahrgastvertreter fordern schon lange ein Gesetz, das die Gewerkschaften verpflichtet, Streiks bei Bus und Bahn rechtzeitig anzukündigen und ein Mindestangebot aufrechtzuerhalten. Einen verpflichtenden Notbetrieb gibt es schon bei Streiks in Krankenhäusern. Weselskys Verhalten zeigt, dass das auch im Verkehrssektor bitter nötig ist", bemerkt DER TAGESSPIEGEL.