
Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG notiert: "Für Arbeiter, die am anderen Ende der Welt unter menschenunwürdigen Bedingungen im Bergwerk schuften müssen, ist es eine gute Nachricht, dass es ein solches Gesetz nun überhaupt noch geben wird. Endlich werden Europas Unternehmen gezwungen, Verantwortung für die globalen Folgen ihres Handelns zu übernehmen. Leider ist dieses Gesetz aber nur noch ein Schatten seiner selbst. Um die Blockade im Rat der EU-Minister aufzulösen, wurde sein Geltungsbereich derart beschnitten, dass nur noch große Unternehmen ihre Lieferketten überwachen und säubern müssen. Dass deutsche Verbandsvertreter da noch von einem 'rabenschwarzen Tag für den Mittelstand' sprechen, ist lächerlich", heißt es in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG.
Anders sieht es der REUTLINGER GENERAL-ANZEIGER: "Die umfassende Definition der Lieferkette der EU-Richtlinie mitsamt Tochtergesellschaften, direkter und indirekter Lieferanten bis hin zu Entsorgungsunternehmen führt zu einer völlig unübersichtlichen Verantwortlichkeit von Unternehmen - inklusive entsprechender Haftungsrisiken. Der damit einhergehende Bürokratieaufwand ist immens. Mangels Beherrschbarkeit werden sich vermutlich einige Unternehmen aus potenziell anfälligen Regionen ganz zurückziehen und das Feld Unternehmen aus Ländern überlassen, die sich nicht um Menschenrechte scheren. Damit wäre niemandem geholfen", bemängelt der REUTLINGER GENERAL-ANZEIGER.
"Der Ansatz bleibt falsch", meint auch die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG. "Der Schutz von Menschenrechten und der Umwelt ist eine zwischenstaatliche Angelegenheit, die die EU nicht auf ihre Unternehmen verlagern darf. Das EU-Gesetz bleibt ein Bürokratiemonster. Es zwingt die Unternehmen, ihre gesamte Lieferkette bis zum Zulieferer des Zulieferers des Zulieferers auf Verstöße abzuklopfen. Über alldem schwebt die ständige Gefahr, für Verstöße an irgendeiner Stufe der Lieferkette vor Gericht gezerrt zu werden. Deshalb dürfte die Wirkung des Gesetzes verpuffen: Die Unternehmen werden sicherheitshalber auf Lieferungen aus bestimmten Regionen verzichten - zum Schaden der Menschen dort", befürchtet die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG.
Die HEILBRONNER STIMME kritisiert, dass sich die Bundesregierung bei der Abstimmung auf Drängen der FDP enthalten hat. "Die Liberalen blenden aus, dass das EU-Lieferkettengesetz deutlich entschärft wurde und daher weniger Unternehmen betreffen wird als sein strengeres deutsches Pendant. Käme das europäische Gesetz nicht, hätten jene Länder mit Lieferkettengesetzen klare Wettbewerbsnachteile gegenüber den EU-Staaten ohne Gesetz. Insofern ist eine europäische Regelung richtig und sinnvoll. Ob das Gesetz allerdings sein Ziel erreicht, die Einhaltung der Menschenrechte weltweit zu stärken, bleibt abzuwarten", schreibt die HEILBRONNER STIMME.
Auch der KÖLNER STADT-ANZEIGER sieht das deutsche Abstimmungverhalten kritisch: "Selbst stark verwässerte Kompromisse, wie beim Lieferkettengesetz, sind der FDP nicht wirtschaftsfreundlich genug. Dabei funktioniert die EU nur mit Kompromissen. Wenn diese in letzter Minute wieder infrage gestellt werden, untergräbt dies das Vertrauen in Deutschlands Zuverlässigkeit."
Der CO2 Ausstoß in Deutschland ist im vergangenen Jahr deutlich gesunken. Dadurch ist nach Angaben des Umweltbundesamts das Klimaziel für 2023 erreicht worden. "Der eingeschlagene Kurs der Bundesregierung ist richtig", folgert die RHEIN-ZEITUNG aus Koblenz. "Deutschland kann seine Klimaziele bis 2030 einhalten, wenn dieser Pfad weiter eingehalten wird. Das ist ein Signal, das zuversichtlich stimmt. Und es sollte nicht durch haltlose Unkenrufe schlechtgeredet werden, dass die Dekarbonisierung zur vermeintlichen Deindustrialisierung des Landes führe. Ohne Klimaschutz würden die Wirtschaft und unsere gesamte Gesellschaft auf Dauer viel mehr leiden", hält die RHEIN-ZEITUNG fest.
Die FRANKFURTER RUNDSCHAU bemerkt: "Dass die CO2-Fracht so stark gesunken ist, liegt zwar auch an einer guten Ampel-Politik, vor allem beim Ausbau von Solar- und Windkraft. Für andere Faktoren kann sie die Urheberschaft nicht beanspruchen – und wenn, dann ist es eher peinlich. Es war sehr warm, und die Preise für Gas und Heizöl hoch, so wurde wenig geheizt. Und die Wirtschaft brach ein. Das nützt zwar der CO2-Bilanz, ist aber kein Klimakonzept", moniert die FRANKFURTER RUNDSCHAU.
Die Zeitung DIE WELT wendet ein: "Der angebliche 'Erfolg' im Klimaschutz basiert auf Wegzug und Niedergang der Industrie und auf der Verlagerung der Stromproduktion ins Ausland: Deutschland ist erstmals seit 22 Jahren wieder Netto-Importeur von Elektrizität, mindestens 40 Prozent davon stammt aus konventionellen Quellen. Solche Verlagerungseffekte und Kollateralschäden werden andere Länder wenig nachahmenswert finden und vor höheren Ambitionen eher zurückschrecken lassen. Deutschlands Bemühungen im Klimaschutz dürften damit global eher kontraproduktiv wirken", argumentiert DIE WELT.
Der TAGESSPIEGEL aus Berlin befasst sich mit dem CO2-Ausstoß im Verkehrssektor und hält fest: "Trotz weniger Güterverkehr auf der Straße hat Deutschland im Verkehrsbereich 13 Millionen Tonnen mehr Treibhausgase ausgestoßen als es sollte. Der PKW-Verkehr nimmt zu, weil die deutsche Verkehrspolitik seit Jahrzehnten autozentriert ist und den öffentlichen Verkehr vernachlässigt, während Diesel gegenüber anderen Kraftstoffen steuerlich begünstigt ist und Kerosin weiter gar nicht besteuert wird. Wirksamer Klimaschutz wäre es, diese milliardenschweren klimaschädlichen Subventionen zu streichen und Menschen in Stadt und Land klimafreundliche, verlässliche öffentliche Mobilität zu ermöglichen", unterstreicht der TAGESSPIEGEL.
"Die deutsche Klimapolitik bleibt eine Wette auf die Zukunft", ist in der SÜDWEST PRESSE aus Ulm zu lesen. "Es ist vor allem eine Wette darauf, dass eines Tages Wasserstoff ausreichend und bezahlbar vorhanden ist und die Energiepreise auf ein wettbewerbsfähiges Niveau sinken. Nur dann wird die Energiewende à la Deutschland in den Schulbüchern dieser Welt nicht als abschreckendes Beispiel gelehrt. Ob diese Wette aufgehen wird, kann auch der Bericht des Umweltbundesamts nicht sagen", befindet die SÜDWEST PRESSE.
Themenwechsel. Bundeskanzler Scholz, Frankreichs Präsident Macron und Polens Ministerpräsident Tusk haben sich in Berlin im Rahmen des sogenannten Weimarer Dreiecks getroffen. Dabei sicherten sie der Ukraine weitere Waffen und eine langfristige Unterstützung zu. Die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG analysiert: "Natürlich haben Scholz, Macron und Tusk bei ihrem Treffen gute Miene zur angespannten Situation gemacht. Was blieb ihnen auch anderes übrig, wenn Frankreich und Polen die Idee, westliche Bodentruppen in den Ukraine-Krieg zu schicken, für gar nicht so abwegig halten, der Bundeskanzler aber doch. Einem Aggressor wie Wladimir Putin immer wieder vor Augen zu führen, was man alles nicht tun werde, um ihn nicht zu provozieren, wird er als Schwäche auslegen. Militärische Optionen auf Marktplätzen zu zerreden, führt eine potenziell beabsichtigte Abschreckung jedoch ad absurdum", ist die Ansicht der NEUEN OSNABRÜCKER ZEITUNG.
"Scholz kann noch so oft versichern, dass er Macron freundschaftlich verbunden sei. Die Realität sagt etwas anderes", beobachtet die LEIPZIGER VOLKSZEITUNG. "Selten war das deutsch-französische Verhältnis so schlecht wie heute. Man kann nur hoffen, dass der Zank auf offener Bühne von vor drei Wochen um Munition und Bodentruppen, um Mut und Feigheit tatsächlich der absolute Tiefpunkt war und dass sich das deutsch-französische Verhältnis wieder stabilisiert. Polens Premierminister Tusk hat es richtig formuliert: Nur ein einiges Europa wird der Ukraine dauerhaft helfen können."