
Doch zunächst zu Bundeskanzler Scholz, der den Streit über eine mögliche Lieferung des Marschflugkörpers Taurus an Kiew lächerlich genannt hat. Dazu schreibt die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG: "Wenn diese Debatte an Lächerlichkeit nicht überboten werden kann, dann müsste der Kanzler sich zuerst selbst fragen, wie es so weit kommen konnte. Ohne die Unterstützung des gelernten Friedenswissenschaftlers an der Spitze der SPD-Fraktion wären Scholz’ Tage als Kanzler gezählt. Und Mützenich will, die Meinungsumfragen im Blick, lieber über Verhandlungen mit Putin reden als darüber, 'wo die Schrauben beim Taurus sitzen'. Wer bloß hatte mit diesen lächerlichen technischen Fragen angefangen und behauptet, dass nur deutsche Soldaten wüssten, was man am Taurus wie drehen muss?", fragt die F.A.Z. in Richtung des Kanzlers.
Die Zeitung ND DER TAG zeigt sich verärgert: "Wenn die 'FAZ' den SPD-Fraktionschef als 'Chamberlain unserer Tage' bezeichnet, ist das Rufmord und überschreitet die Grenze des politischen Anstands – Neville Chamberlain war jener britische Premier, der sich zunächst nachsichtig gegenüber Hitler zeigte und diesem die Annexion des Sudetenlands ermöglichte. Wir sollen lernen: Putin gleich Hitler, Putin-Versteher gleich Hitler-Versteher. Eine einzige Infamie. Die verhindern soll, dass über eine Mitverantwortung des Westens für diese Weltkrise und über schwierige Wege zum Frieden anstelle von Durchhalteparolen auch nur nachgedacht wird. Und das ist wirklich verachtenswert", meint ND DER TAG.
Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG vertritt diesen Standpunkt: "Die Phrase vom einzufrierenden Krieg gehört zum Wunschrepertoire all jener, die den Angriff aus ihrem Leben ausblenden möchten und sich – verständlicherweise – eine Rückkehr zu einem kalkulierbaren Dasein in Frieden wünschen. 'Einfrieren' ist ein wenig Appeasement und der Glaube an das Gute – auch in Putin. Wer einfriert, der schießt nicht mehr und entledigt sich aller Probleme, die das dynamische Kriegsgeschehen Tag für Tag schafft. Das ist natürlich eine Märchensicht."
"Es ist ein Akt der Wahrhaftigkeit, offen zu fragen, ob Mützenich nicht recht hat", lesen wir indes in der Zeitung DIE WELT. "Angesichts der russischen Übermacht werden nur Träumer ernsthaft glauben, Kiew werde auf alle Fälle in einen Zustand gelangen, in dem selbst die Krim von Russen befreit sein wird. Ob es gefällt oder nicht: Es wird der Tag kommen, an dem ein Kompromiss geschlossen wird. Dieser Kompromiss wird zu Zugeständnissen führen – hoffentlich auf beiden Seiten. Am Ende wird sich dieser Ausgleich um eine de-facto-, nicht de-jure-Anerkennung drehen mit Verweis auf spätere Zeiten, die eine endgültige Entscheidung bringen werden. Aber zu dieser Erkenntnis müssen die Ukrainer selber kommen – und nicht von Deutschen dahin getrieben werden", betont DIE WELT.
Und die TAZ schreibt: "Mützenich hat versucht, die verengte mediale Debatte zu öffnen, wohl wissend, dass ein Einfrieren, ein Waffenstillstand entlang der Frontlinie, weder Moskau noch Kiew wollen. Man muss dies trotzdem denken können. Nichts ist in Kriegen gefährlicher als aufzuhören, Alternativen zu diskutieren, oder die trostlose Realität durch Illusionen zu ersetzen", mahnt die TAZ.
Das HANDELSBLATT argumentiert anders: "Tatsächlich konterkarieren Mützenich und Co. mit ihrem Gerede vom 'Friedenskanzler' und 'Einfrieren des Ukraine-Kriegs' die Zeitenwendepolitik des Kanzlers. Er hat der Ukraine viele Waffen geliefert. Und es werden noch viele, viele mehr nötig sein, wenn die Ukraine gewinnen soll. Scholz weiß das. Sein Problem: Mächtige Teile seiner Partei leben immer noch in der Ära vor der 'Zeitenwende'", analysiert das HANDELSBLATT.
Die VOLKSSTIMME aus Magdeburg vermutet auch wahltaktische Motive: "Bedenklich an der Argumentation ist vor allem, dass der Kanzler inmitten der schwierigsten Lage Kiews seit Kriegsbeginn eine Debatte führt, die ablenkt. Erstes Ziel ist es offenbar weniger, der Ukraine zu helfen, als in der Öffentlichkeit – kurz vor mehreren Wahlen – Zustimmung zu erhalten."
Die RHEIN-NECKAR-ZEITUNG resümiert: "Wenn Grüne und FDP kaum eine Gelegenheit auslassen, ihr Mütchen auf Kosten des 'zögernden Kanzlers' zu kühlen, dann ärgert das nicht nur den kritisierten Scholz, sondern freut vor allem die Union als größte Oppositionspartei. Die ganzen Vorwürfe – Geheimnisverrat, Empörung in Paris und London, Lüge im Fall der Taurusverweigerung – verlagern den Konflikt: Innenpolitisch motivierte Scharmützel angesichts der Europawahl im Juni, die von allen Parteien als Stimmungstest für die Akzeptanz der 'Ampel' gesehen wird. Auch Scholzens Replik, die Debatte sei 'an Lächerlichkeit nicht zu überbieten' gehört in diese Reihe." Das war die RHEIN-NECKAR-ZEITUNG aus Heidelberg.
Nun zu einem anderen Thema: Autoritäre Regierungen sind laut einer Studie weiter auf dem Vormarsch. Demnach befinden sich unter 137 untersuchten Ländern nur noch 63 Demokratien. Die RHEINISCHE POST erläutert: "Die Menschen sind weltweit durch Globalisierung und zunehmende ökonomische Ungleichheit verunsichert. Seit einigen Jahren nimmt sogar die extreme Armut wieder zu. Oft verspielen auch inkompetente und korrupte Regierungen das Vertrauen in die Demokratie. Dass es anders geht, zeigen indes einige ermutigende Beispiele. Die asiatischen Länder Südkorea und Taiwan sind nicht nur ökonomisch wohlhabend, sondern haben demokratische Standards ähnlich den Ländern Nord- und Mitteleuropas. Geradezu herausragend ist Uruguay, das nach den Kriterien der Bertelsmann-Studie mittlerweile als beste Demokratie der Schwellen- und Entwicklungsländer gilt. Es geht also", vermerkt die RHEINISCHE POST aus Düsseldorf.
Die NEUE PRESSE aus Coburg hebt hervor: "Die Bertelsmann-Studie zeigt sehr deutlich, dass autoritäre Staaten schlechter regiert werden. Der Machterhalt einer kleinen Elite hat meist Vorrang gegenüber dem Wohlergehen der Mehrheit. Armut und Ungleichheit sind die Folge. Das Bild der effizienten Diktatur ist ein Mythos."
Die ALLGEMEINE ZEITUNG aus Mainz richtet das Augenmerk auf die Innenpolitik. "Ja, oft ist Demokratie schwer zu verstehen. Der Bürger kann es sich zwar leicht machen und denen vertrauen, die nicht diskutieren, sondern dekretieren wollen. Aber Demokratie ist die Herrschaft des Volkes. Und wenn das Volk nichts mehr von Politik wissen will, bleibt die Herrschaft des Einzelnen. Wähler und Gewählte müssen sich immer wieder suchen, müssen ringen, diskutieren, streiten – und sollten sich daran erfreuen, dass es die Möglichkeit dazu gibt."
Zum Schluss geht es um einen Bericht des Europarats. Deutschland müsse bei der Bekämpfung von Armut, Wohnungsnot und Ausgrenzung von Menschen mit Behinderung deutlich mehr tun, so das Fazit. Die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG schreibt: "Es gibt zwei Felder, auf denen deutlich mehr getan werden muss als bislang: Bildung und soziale Teilhabe. Sie sind die Schlüssel dafür, dass sich Armut nicht verfestigt. Es braucht flächendeckend gute Schulen und niedrigschwellige kulturelle Angebote. Um das zu realisieren darf Bildung nicht länger nur Ländersache sein", kommentiert die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG,
Die FRANKFURTER RUNDSCHAU hält fest: "Auf den ersten Blick erscheint der Bericht des Europarat über die wachsende soziale Spaltung in Deutschland wie unverblümte Kritik an der Ampelpolitik. Doch der Bericht lässt sich auch anders lesen: als Rückenwind für Projekte, die sich die Koalitionsparteien auf die Fahnen geschrieben haben. Beispiel Kinderrechte: Die Koalition hat sich vorgenommen, diese Rechte im Grundgesetz zu verankern. Beispiel Bürgergeld: Der Europarat lobt den Vorrang für die Qualifizierung und die Erhöhung der Sozialleistung. Ihren Ankündigungen muss die Bundesregierung Taten folgen lassen."