Donnerstag, 25. April 2024

26. März 2024
Die Presseschau aus deutschen Zeitungen

Kommentiert wird unter anderem die aktuelle Bedrohungslage durch islamistische Anschläge in Europa. Zunächst geht es aber um die Debatte über die Veröffentlichung vertraulicher Protokolle des Corona-Krisenstabs im Robert Koch-Institut.

26.03.2024
Lothar Wieler (l), Chef des RKI (Robert Koch-Institut), und Karl Lauterbach (SPD), Bundesgesundheitsminister, auf einer Pressekonferenz zum aktuellen Corona-Infektionsgeschehen
Lothar Wieler (l), Chef des RKI während der Corona-Pandemie, und Karl Lauterbach (SPD), Bundesgesundheitsminister (picture alliance / dpa / Wolfgang Kumm)
"Viel Papier, wenig Substanz", titelt die BADISCHE ZEITUNG aus Freiburg. "Dass das Magazin 'Multipolar' vor Gericht die Herausgabe der Protokolle erstritten hat, heften sich dessen Macher als Erfolg ans Revers. Er sei ihnen gegönnt. Nicht gesagt ist damit, dass darin grundstürzend Neues über die frühe Phase der Pandemie zu erfahren wäre. Experten diskutieren Eigenschaften des Virus, versuchen dessen Ausbreitungswege zu verstehen, erörtern Gefährdungsgrade und Gegenmaßnahmen. All das auf unsicherer Faktenbasis, teils im Für und Wider – und ja, auch dies: in den freigegebenen Papieren mit zahlreichen Schwärzungen. Das Verschwörungstheorien nicht abholde Portal konstruiert daraus einen Skandal. Das RKI sei bei der Hochstufung des Risikos und anderen Fragen nicht frei gewesen, sondern habe auf Weisung gehandelt. Fakt ist, dass die Schwärzungen diesen Schluss nicht tragen", konstatiert die BADISCHE ZEITUNG.
Die BADISCHEN NEUESTEN NACHRICHTEN aus Karlsruhe heben hervor: "Besonders am Anfang der Corona-Krise sind die Verantwortlichen angesichts der vielen Unbekannten auf Sicht gefahren. Entscheidungen wurden revidiert, oft nur dürftig begründet. Maßnahmen wie Schulschließungen und nächtliche Ausgangssperren hat die Politik später selbst als falsch bezeichnet. Daraus eine Verschwörung gegen die Bevölkerung und einen Anschlag auf die Demokratie zu konstruieren, entbehrt aber jeder Grundlage", kritisieren die BADISCHEN NEUESTEN NACHRICHTEN.
"Maskenpflicht, Kontaktbeschränkungen, Schul-, Kita- und Betriebsschließungen – die drastischen Einschnitte wirken bis heute nach", notiert die FRANKFURTER RUNDSCHAU. "Deshalb ist eine Aufarbeitung der Corona-Politik geboten. Doch es ist auch absehbar, dass die Erwartungen an eine Enquetekommission oder ein ähnliches Gremium hoch sein werden – vermutlich zu hoch. So polarisiert, wie die Debatte ist, werden auch deren Ergebnisse polarisieren. Deutschland war durch die rasche Ausbreitung des Virus, ebenso wie der Rest der Welt, mit einer neuartigen Situation konfrontiert. Es ging um schwierige Abwägungen zwischen Grundrechten. Die Regierungen von Bund und Ländern haben dabei Fehler gemacht. Vieles davon ist mit dem damaligen Wissensstand zu erklären, manches aber auch nur durch politische Rechthaberei, wie die Protokolle des Robert Koch-Instituts zeigen. Es muss daher alles auf den Tisch. Denn die Pandemie hat gezeigt, wie schnell die Demokratie erschüttert werden kann, wenn das Vertrauen in die Politik ins Rutschen gerät", meint die FRANKFURTER RUNDSCHAU.
"Es ist unverantwortlich, dass die Politik die Corona-Zeit noch nicht systematisch aufgearbeitet hat", moniert die MITTELDEUTSCHE ZEITUNG aus Halle. "Es geht doch nicht darum, Schuldige zu finden. Ziel muss sein, auf neue Pandemien vorbereitet zu sein. Eine Aufarbeitung ist zudem essenziell dafür, den Verschwörungsmythen entgegenzutreten und so den Versuch zu unternehmen, die seit Corona deutlich stärker polarisierte Bevölkerung wieder mehr zusammenzuführen. Denjenigen, die weiter die demokratischen Institutionen in Frage stellen, kommt entgegen, dass viele Stellen in den herausgeklagten Protokollen des Robert Koch-Instituts geschwärzt sind. Gegen Verschwörungsmythen hilft aber nur völlige Transparenz, und zwar eine, die sich die Politik selbst verordnet", empfiehlt die MITTELDEUTSCHE ZEITUNG.
Der TAGESSPIEGEL findet, dass auch die Kritiker der Corona-Politik sich fragen sollten, ob sie Fehler gemacht haben. "Ob sie zu lauthals unterwegs waren und Ängste einfach ignoriert haben. Auch das gehört dazu. Und genau aus dieser Erfahrung heraus sollte man versuchen, die Fehler nicht zu wiederholen und plötzlich alles zu verdammen, was damals entschieden wurde. Ja, es war die Politik, die entschieden hat und nicht eine Experten-Exekutive. Und das ist auch gut so, denn es ist ihr Job in einer Demokratie. Es ist also richtig, die Zeit aufzuarbeiten, auch um Risse in der Gesellschaft, die immer noch aus der Corona-Zeit resultieren, zumindest etwas zu kitten."
Der Anschlag in einer Moskauer Konzerthalle hat auch eine Debatte über das Terror-Risiko in Deutschland entfacht. Die MÄRKISCHE ODERZEITUNG aus Frankfurt/Oder zitiert Bundesinnenministerin Faeser, die Bedrohungslage sei unverändert hoch. "Das IS-Massaker von Moskau und der Fakt, dass Frankreich die höchste Terroralarmstufe ausgerufen hat, betreffen Deutschland also nicht – weil unsere Sicherheitsbehörden schon auf alles vorbereitet sind. Diesen Eindruck will Nancy Faeser zumindest vermitteln. Ob sich die Gefahr tatsächlich erhöht hat, würden wir erst wissen, falls es tatsächlich in Deutschland zu einem Anschlag käme. Alarmismus hilft niemandem. Aber gerade mit Blick auf die vollen Stadien, Fanmeilen und Züge, die in zweieinhalb Monaten zur Fußball-EM das öffentliche Leben beherrschen werden, dürften sich viele Bürger ein Signal wünschen, dass die Politik ihre Sorgen ernst nimmt. Business as usual kann nicht die einzige Antwort sein", kommentiert die MÄRKISCHE ODERZEITUNG.
"Die Verhaftungen in letzter Zeit beweisen, dass die Behörden Anschläge effektiv verhindern", analysiert der REUTLINGER GENERAL-ANZEIGER. "Großveranstaltungen werden besonders geschützt, auch die anstehende Fußball-Europameisterschaft. Dass Deutschland - anders als europäische Nachbarn - keine Terrorwarnstufen kennt und Faeser bezüglich der aktuellen Situation vage bleibt, ist ein Balanceakt. Die demokratische Öffentlichkeit hat ein doppeltes Recht: auf Warnung vor Gefahr und auf Schutz vor Panikmache."
"Stadien, Public Viewings und andere Orte können und müssen von der Polizei geschützt werden", fordert die LEIPZIGER VOLKSZEITUNG. "Es ist aber weder möglich noch gesellschaftlich erstrebenswert, sie so sehr zu Festungen hochzurüsten, dass sie gegen jeden Angriff gesichert sind. Umso wichtiger ist es deshalb, dass mögliche Anschlagspläne schon im Vorfeld erkannt und gestoppt werden."
Das HANDELSBLATT aus Düsseldorf merkt an: "Bei allen schwierigen Debatten, die wir bei der Terrorabwehr zu führen haben, müssen wir aufpassen, dass wir Maß und Mitte nicht verlieren. Terroristen stellen uns Fallen und leben davon, dass wir überreagieren. Der IS will unsere Grundfesten erschüttern, er will unsere weltoffene und werteorientiere Gesellschaft spalten. Wir alle kennen die Situation nach einem Anschlag im Deutschland, wenn wir öffentliche Veranstaltungen meiden und Bahnhöfe fürchten. Der IS will zudem einen Generalverdacht gegen alle Muslime und Flüchtlinge in Deutschland erzeugen. Die Mehrheit der Bürger soll mit Argusaugen und Misstrauen auf die Muslime schauen. Gesellschaftliche Spannungen sollen durch die Gewalt des IS zu bürgerkriegsähnlichen Zuständen führen. Seit Jahren schon lässt sich das in den Schriften von al-Kaida nachlesen", beobachtet das HANDELSBLATT.
Zuletzt ein Kommentar zum Betrugsprozess gegen den früheren US-Präsidenten Trump. Er muss vorerst doch nicht die volle Summe von rund 450 Millionen Dollar Strafe aus seinem Betrugsprozess als Kaution hinterlegen. Die SÜDWEST PRESSE aus Ulm schreibt dazu: "Entscheidend ist, welche Folgen sein jüngstes Debakel, das ihn gegenüber Wählern endgültig als Lügner, Hochstapler und Verbrecher enttarnen müsste, für den laufenden Wahlkampf haben wird. Wird er politisch profitieren oder werden Trumps Anhänger endlich erkennen, welches Ziel der Immobilienunternehmer mit seiner Präsidentschaftskampagne verfolgt? Schließlich ist es nicht sein wichtigstes Anliegen, die Mittelklasse steuerlich zu entlasten, die Grenze zu Mexiko dichtzumachen oder die heimische Industrie mit Zöllen vor billigen Einfuhren aus China zu schützen. Er bewirbt sich um die Präsidentschaft, um ein freier Mann zu bleiben." Mit dem Kommentar aus der SÜDWEST PRESSE endet diese Presseschau.