Samstag, 18. Mai 2024

02. April 2024
Die Presseschau aus deutschen Zeitungen

Die Kommentare befassen sich heute mit den Kommunalwahlen in der Türkei, der Teil-Legalisierung von Cannabis und den Ostermärschen. Zunächst in die Türkei.

02.04.2024
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan und seine Frau Emine Erdogan nach den Kommunalwahlen in der AKP-Zentrale in Ankara
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan und seine Frau Emine Erdogan nach den Kommunalwahlen in der AKP-Zentrale in Ankara (AFP / ADEM ALTAN)
Die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG blickt auf die Folgen für Präsident Erdogan: "Es ist seine bisher größte Niederlage. Zum ersten Mal seit dem Aufstieg von Recep Tayyip Erdoğan vor zwanzig Jahren ist seine Partei bei Wahlen nicht mehr stärkste Kraft. Die Kandidaten, die der türkische Präsident hat aufstellen lassen, waren so blass, dass er nicht einmal versuchte, ihnen die Verantwortung für das schwache Abschneiden bei der Kommunalwahl zuzuschieben. Nach so vielen Jahren unter seiner Führung ist die Partei personell ausgezehrt. An den Machtverhältnissen im Land ändert sich vorerst nicht viel. In der zentralistischen Türkei haben die Bürgermeister wenig Gestaltungsspielraum. Was sich ändert, ist die Stimmung. Und das ist dann doch viel. Zum ersten Mal seit Langem erscheint eine andere Türkei möglich. Ein Land, das nicht mehr scheinbar unaufhaltsam in Richtung Autokratie schlittert", hofft die F.A.Z.
Die LEIPZIGER VOLKSZEITUNG konstatiert: „Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hat hoch gepokert – und verloren. Abzuwarten bleibt, welche Konsequenzen Erdogan aus der Niederlage zieht. Er ist keiner, der leicht aufgibt. Dass er sich nun auf die Werte der Demokratie und des Rechtsstaats besinnt, ist kaum anzunehmen. Wahrscheinlicher ist, dass er nun seine Pläne für eine Verfassungsreform vorantreibt, mit der er sich noch mehr Macht und die Möglichkeit einer weiteren Amtszeit als Präsident verschaffen könnte", befürchtet die LEIPZIGER VOLKSZEITUNG.
Die STUTTGARTER ZEITUNG zieht einen historischen Vergleich: "Eine Bürgermeisterwahl in Istanbul hat vor genau 30 Jahren eine neue Ära in der Türkei eingeleitet: Damals betrat Recep Tayyip Erdogan die politische Bühne. Jetzt hat eine Wahl am Bosporus das Ende von Erdogans langer Karriere eingeläutet. Der Präsident hat die Kommunalwahl in Istanbul und in anderen Landesteilen am Sonntag krachend verloren. Bei Kommunalwahlen gelten zwar andere Regeln als bei Präsidentschafts- oder Parlamentswahlen. AKP-Stammwähler konnten ihrem Präsidenten einen Denkzettel verpassen, ohne damit einen Machtwechsel in Ankara zu befürworten. Doch das Ausmaß des Oppositionssieges deutet darauf hin, dass etwas ins Rutschen geraten ist, das von Erdogan möglicherweise nicht mehr zu stoppen ist", lesen wir in der STUTTGARTER ZEITUNG.
Besorgt schaut die FREIE PRESSE aus Chemnitz in die Zukunft: "Der türkische Präsident dürfte nun wieder versuchen, seine Anhänger mit einer aggressiv-nationalistischen Außenpolitik auf andere Gedanken zu bringen. Schon vor dem Wahltag kündigte er für den Sommer neue Militärinterventionen gegen die kurdische Terrororganisation PKK im Irak und in Syrien an. Der Präsident propagiert seit Jahren eine 'neue Türkei', die er unter seiner Alleinherrschaft formen will. Nun zeichnet sich tatsächlich eine 'neue Türkei' ab – aber sie sieht anders aus, als Erdogan sich das vorstellt", unterstreicht die FREIE PRESSE.
Die WESTDEUTSCHE ZEITUNG aus Wuppertal bilanziert: "Das ist ein gutes Zeichen für die politische Großwetterlage in Europa, weil man die Türkei nach der jüngsten Präsidentschaftswahl zugunsten von Erdogan eher gen Osten verabschiedet hatte als sie leidlich gedanklich für eine EU aufzubauen. Und es ist ein guter Beweis dafür, dass selbst ein autoritärer Präsident das Ausmaß seiner politischen Resilienz nur über ein Volk erhöhen kann, dem er in dessen alltäglichen Leben guttut. Das gelingt ihm in der Türkei nicht mehr. Die Einkommen der Menschen verlieren immer mehr an Wert: Die Inflationsrate liegt bei 67 Prozent, ein extremer Wert. Die vielleicht beste Nachricht: Erdogan regiert in seiner letzten Wahlperiode. Und mit den starken Zeichen dieser Kommunalwahl ist es immer unwahrscheinlicher, dass es dem übergriffigen 70-Jährigen noch einmal gelingt, per Verfassungsänderung eine weitere Amtszeit ab 2028 möglich zu machen", notiert die WESTDEUTSCHE ZEITUNG.
Themenwechsel: Der KÖLNER STADT-ANZEIGER kommentiert die Teil-Legalisierung von Cannabis, die gestern in Kraft trat: "Mit der Gesetzesänderung ist es aber nicht getan. Damit die Ziele einer Legalisierung – also das Austrocknen des Schwarzmarktes und ein besserer Schutz für Kinder und Jugendliche – erreicht werden, müssen mindestens drei Bedingungen erfüllt werden. Erstens muss schnell der kommerzielle Handel mit Cannabis erlaubt werden. Eigenanbau und Cannabis-Clubs mögen zwar für Menschen passen, die regelmäßig kiffen. Doch auch für den gelegentlichen Joint muss es möglichst unkompliziert sein, an Cannabis zu kommen. Ansonsten tritt genau das ein, was Kritiker vorbringen: Die Freigabe wird zum Booster für den Schwarzmarkt. Zweitens muss der Vorschlag der Experten-Arbeitsgruppe für eine Verdreifachung des erlaubten THC-Grenzwertes im Straßenverkehr tatsächlich vom Bundestag beschlossen werden. Bliebe es beim alten Wert, würde die Legalisierung durch die Hintertür wieder ausgehebelt. Und drittens ist in der gesamten Bevölkerung ein Umdenken erforderlich, damit die bereits bestehende starke Polarisierung in der Gesellschaft nicht noch weiter verstärkt wird. Nötig ist mehr Toleranz aufseiten derjenigen, die die Legalisierung weiterhin für falsch halten." Das war die Meinung des KÖLNER STADT-ANZEIGERS.
Die VOLKSSTIMME aus Magdeburg zieht Erfahrungen aus dem Ausland heran: "In Ländern wie den Niederlanden oder in US-Bundesstaaten sind die Erfahrungen der Cannabis-Freigabe eher ernüchternd. In Hollywood wird am Sunset Boulevard Cannabis gleich aus einer Art Imbisswagen verkauft: Drogen als Alltagsartikel und Spaßprodukt für die hedonistische Gesellschaft des Westens. Abgesehen davon, dass eine neue Wirtschaftsbranche entstand, ist im Umfeld die organisierte Kriminalität explodiert. Denn die Drogenbanden und Kartelle – wer hätte es gedacht – haben ihr Geschäftsmodell auf die Großproduktion von Cannabis und mehr härtere Rauschgifte ausgebaut. Die laxe Aufsicht führte zu Morden, Betrug und Menschenhandel", warnt die VOLKSSTIMME.
Die BRAUNSCHWEIGER ZEITUNG mahnt: "Deutschlands Cannabis-Reform birgt erhebliche Risiken für junge Menschen. Die Altersgrenze 18 suggeriert eine Sicherheit, die nicht da ist. Der Hinweis auf die Droge Alkohol ist berechtigt. Doch dass deren Gefahren in der Gesellschaft meist verharmlost werden, nutzt Cannabis-Geschädigten gar nichts."
Und damit zum letzten Thema. Der SÜDKURIER aus Konstanz befasst sich mit den Ostermärschen und fragt: "Darf man heute noch für Frieden demonstrieren? Natürlich! An hehren Friedenszielen ist beileibe nichts Verwerfliches. Die Frage ist nur: Wie kann eine Botschaft lauten, die nicht den Aggressoren in die Hände spielt? Denn wenn es konkret wird mit den Friedensforderungen, beginnen häufig die Probleme: Frieden ohne Freiheit ist wohl das, was die Ukrainer erwarten würde, würde man, wie von SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich und etlichen Ostermarschierern gefordert, den Krieg einfrieren. Friedensverhandlungen kämen aktuell einer Kapitulation des angegriffenen Landes gleich. Stoppte der Westen seine Waffenlieferungen – auch dies eine prominente Forderung auf den Ostermärschen – wäre zwar schnell Schluss mit dem Krieg, aber auch mit der Ukraine. Der eigentlich richtige Adressat der Ostermärsche wäre also Wladimir Putin. Doch dem Kreml-Chef dürften ein paar Tausend Friedensaktivisten in Deutschland ziemlich egal sein", bemerkt der SÜDKURIER.
Und die RHEINPFALZ aus Ludwigshafen stellt heraus: "Der Kriegstreiber, das gilt es immer wieder zu betonen, ist Russlands Präsident Wladimir Putin. Niemand hindert ihn, den von ihm begonnenen Wahnsinn zu beenden und seinen Truppen den Rückzug zu befehlen. Danach sieht es aber nicht aus, im Gegenteil; Putins Ziel ist und bleibt die Zerstörung der Ukraine als eigenständiger, souveräner Staat. Darüber aber lässt sich nicht verhandeln."