09. April 2024
Die Presseschau aus deutschen Zeitungen

Mit Stimmen zur Debatte um die Kindergrundsicherung, zur Kriminalstatistik und zu den Regional- und Kommunalwahlen in Polen. Zunächst geht es aber um das Vorauskommando der Bundeswehr, das gestern nach Litauen verlegt worden ist. Dort soll die östliche Außengrenze der NATO verstärkt werden.

Schönefeld: Boris Pistorius (M, SPD), Bundesminister der Verteidigung, verabschiedet das Vorkommando der Brigade Litauen auf dem militärischen Teil des Flughafens Berlin-Brandenburg.
Die Entsendung des Vorkommandos der Brigade Litauen ist auch Thema in den Zeitungskommentaren. (Kay Nietfeld / dpa / Kay Nietfeld)
Der KÖLNER STADT-ANZEIGER ist überzeugt: "Der Abflug des Teams markiert einen Wendepunkt in der Geschichte der Bundesrepublik. Das Bundeswehrteam wird in Litauen die Ansiedlung einer ganzen Brigade vorbereiten. Die deutsche Brigade wird die Glaubwürdigkeit des westlichen Bündnisses steigern. Ein Angriff russischer Truppen auf Litauen wäre künftig immer auch ein Angriff auf die Deutschen – nicht nur im Sinne des NATO-Vertrags, sondern wortwörtlich. Zugleich setzt die deutsche Brigade in Litauen generell ein politisches Signal mit Wirkungen weit über den Tag hinaus. Eine Nation, die sich jahrzehntelang hat beschützen lassen, wird nun selbst zum Beschützer", notiert der KÖLNER STADT-ANZEIGER.
Die MÄRKISCHE ODERZEITUNG aus Frankfurt/Oder gibt zu bedenken: "Zwei Dutzend Militärs und Zivilisten aus Deutschland sind ein Signal, ein Mehr an Sicherheit bedeuten sie nicht. Die eigentliche Aufgabe beginnt jetzt erst: 2027 soll die Brigade mit insgesamt 5.000 Kräften voll einsatzbereit sein."
Die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG stellt klar: "Anders als es der Kreml und Weißrusslands Putin-Gefolgsmann Alexander Lukaschenko weismachen wollen, ist die Stärkung der NATO-Ostflanke keine Provokation gegenüber Moskau und Weißrussland. Vielmehr ist sie Bestandteil einer Lebensversicherung für die NATO-Partner im Baltikum. Dort ist die Angst, es könne ein Schicksal wie der Ukraine drohen, groß. Für die Bundeswehr wird die prestigeträchtige Stationierung in Litauen allerdings nicht einfach zu bewerkstelligen sein. Chronischer Personalmangel und Defizite im Waffenarsenal verlangen der Truppe schon heute einiges ab. Tatsächlich darf das deutsche NATO-Engagement im Osten nicht zur Vernachlässigung der Bundeswehr in der Heimat führen", mahnt die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG.
Im Streit um die geplante Kindergrundsicherung ist Bundesfamilienministerin Paus von der Zahl neuer Stellen in der Verwaltung abgerückt. Die Zeitungen der MEDIENGRUPPE BAYERN halten Paus‘ Äußerungen für unschlüssig: "Erst teilt ihr Haus mit, zur Umsetzung der Reform sei die Schaffung von 5.000 Verwaltungsstellen nötig. Als sie merkt, dass es schwer vermittelbar ist, wenn unter Mühen freigeschaufelte Finanzmittel in den Aufbau von Bürokratie fließen statt an Kinder, kommt der Rückzieher. Stattdessen wirbt sie nun damit, dass dank ihres Vorhabens eine 'Ertüchtigung der Familienkasse' erfolge, mit einfacherer Antragstellung und digitaler Bearbeitung. Das klingt plötzlich nach mehr Effizienz statt nach mehr Personal − wirkt am Ende aber unglaubwürdig", befindet die MEDIENGRUPPE BAYERN.
Die LAUSITZER RUNDSCHAU aus Cottbus meint: "Dass die Ampel mit der Kindergrundsicherung nicht von der Stelle kommt, liegt nicht nur an der missglückten Kommunikation der zuständigen Ministerin. Vor allem gibt es massive inhaltliche Bedenken. So ist überhaupt nicht ausgemacht, dass arme Familien künftig von einem einfachen, digitalen und damit bürgerfreundlichen Service profitieren können. Im Gesetzentwurf aus dem Hause Paus findet sich dazu nur wenig Konkretes."
Der WESER-KURIER aus Bremen moniert die Erklärung der Familienministerin, mehr Personal sei notwendig, damit sich die Familienkasse künftig pro-aktiv an arme Familien wenden könne: "Es gibt keinen Grund, warum die Familienkassen künftig aktiv auf die Bedürftigen zugehen sollten. Dafür gibt es ein ganzes Netz von Hilfsangeboten, von Jugendämtern über kirchliche Einrichtungen bis zu Tafeln oder Initiativen, die kompetent beraten. Das Geld darf nicht in der Verwaltung versanden, es sollte den bedürftigen Familien zugutekommen.“
Die TAGESZEITUNGTAZ greift die mediale Berichterstattung über die Polizeiliche Kriminalstatistik - kurz PKS auf. "Die wird zwar eigentlich erst am Dienstag vorgestellt, doch die alarmistische Debatte dazu gibt es schon seit Samstag. Grund war ein Vorabbericht der 'Welt' über Auszüge aus der Statistik. Seither scheinen sich die Medien bei dem Versuch zu überschlagen, einen Zusammenhang zwischen Zuwanderung und Kriminalität herzustellen. Dabei lässt sich das aus den Zahlen so nicht herauslesen. Nicht mal, dass es in Deutschland gefährlicher wird, lässt sich aus den Zahlen ablesen. Denn die PKS bildet nicht die reale Kriminalität ab, sondern lediglich die Fälle, die die Polizei bearbeitet", betont die TAZ.
Ähnlich sieht es die FRANKFURTER RUNDSCHAU: "Jahr für Jahr wird die PKS eingesetzt, um Stimmungen zu verbreiten. Es ist purer Alarmismus, wenn Menschen ohne deutschen Pass als besonders gefährlich hingestellt werden. Richtig ist: Junge Männer mit wenig Geld begehen mehr Straftaten als andere Personen. Zu dieser Gruppe zählen überproportional viele Menschen, die zugewandert sind. Übrigens sind solche Personen auch häufiger als andere Opfer von Straftaten. Nur wer die sozialen Ursachen in den Blick nimmt, wird wirkungsvoll Kriminalität verringern können", unterstreicht die FRANKFURTER RUNDSCHAU.
Nun nach Polen. Dort ist die nationalkonservative Oppositionspartei PiS bei den Kommunal- und Regionalwahlen stärkste Kraft geworden. "Totgesagte leben länger", meint dazu der REUTLINGER GENERAL-ANZEIGER. "In Polen trifft das auf die nationalkonservative Oppositionspartei von Jaroslaw Kaczynski zu. Wer glaubte oder hoffte, dass der unbequeme rechte Haudegen und seine Partei PiS nach der Wahlniederlage bei der Parlamentswahl im Jahr 2023 in der politischen Versenkung verschwindet, wird bitter enttäuscht sein. Das Ergebnis der Kommunalwahlen ist ein Weckruf für den polnischen Regierungschef Tusk. Allein durch die Rückkehr zur einer pro-europäischen Politik lässt sich dauerhaft keine Machtbasis in Polen begründen. Wie in vielen postkommunistischen Ländern gibt es auch dort, gerade bei der Landbevölkerung, Ängste vor Überforderung und vor einer zu liberalen gesellschaftspolitischen Linie", stellt der REUTLINGER GENERAL-ANZEIGER fest.
Die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG erklärt sich die vielen Stimmen für die PiS so: "Die PiS repräsentiert die große Gruppe der Polen, die national, katholisch und konservativ eingestellt sind. Wollen diese Menschen nicht für Parteien stimmen, die ihnen weltanschaulich fern sind, haben sie keine Alternative zur PiS. Hinzu kommt, dass der Erfolg der Partei in lokalen Hochburgen auch auf fest in ihren Kommunen verankerten Lokalpolitikern beruht, die im Gegensatz zu der von Ideologie und Machtstreben getriebenen Führung der Partei in Warschau rein pragmatisch handeln." So weit eine Stimme aus der FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG.
Der TAGESSPIEGEL aus Berlin verweist auf die Erfolge der Bürgerkoalition von Regierungschef Tusk in den Großstädten: "In Warschau, Danzig und Kattowitz wurden ihre Kandidaten mit 60 Prozent oder mehr wiedergewählt. Die PiS brachte ihre Kandidaten auch in anderen Großstädten nicht mal in die Stichwahl. Unter dem Strich haben die Regionalwahlen nach gut hundert Tagen Regierung Tusk den Machtwechsel bekräftigt."
Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG hält den Kommunikationsstil der aktuellen polnischen Regierung für bemerkenswert: "Tusk gratuliert und dankt, weist aber vor allem auf die Mängel hin, darauf, dass auf dem Land und im Osten die Mobilisierung von Wählern nicht funktioniert hat, dass die jungen Wähler ferngeblieben sind. Dabei hat seine Partei gerade drei Woiwodschaften, also Regionalverwaltungen, dazugewonnen und kann damit in zehn von 16 regieren. Auch seine Koalitionspartner üben Selbstkritik, treten demütig auf, versprechen, besser zu arbeiten. Das sind Töne, die man von einer PiS-Regierung niemals hörte. Nun ist es an Tusk, etwa die in seiner Koalition umstrittene Legalisierung von Abtreibungen auszuhandeln, die er versprochen hat. Es ist aber auch an den Wählerinnen und Wählern, zu honorieren, dass um Kompromisse gerungen, ja, gestritten wird", hält die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG fest, und damit endet die Presseschau.