Dienstag, 30. April 2024

17. April 2024
Die Presseschau aus deutschen Zeitungen

Kommentiert wird die Lage in Nahost sowie die Änderung einer umstrittenen Formulierung im neuen Grundsatzprogramm der CDU. Zunächst aber geht es um die China-Reise von Bundeskanzler Scholz.

17.04.2024
Bundeskanzler Scholz (mit ineinander gelegten Händen) und der chinesische Staatspräsident Xi Jinping posieren vor den Flaggen Deutschlands und Chinas.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) wird vom chinesischen Staatspräsidenten Xi Jinping in Peking empfangen. (picture alliance / dpa / Michael Kappeler)
Die RHEIN-ZEITUNG aus Koblenz konstatiert: "Eine Kanzlerreise nach China ist immer ein schwieriger Balanceakt zwischen der Wahrung wirtschaftlicher Interessen und der Notwendigkeit, an der einen oder anderen Stelle klare Kante zu zeigen. In Sachen Wirtschaft hat sich Scholz entschieden. Hier balanciert er nicht mehr, sondern er ist vom Drahtseil gesprungen und hat sich auf die Seite der Partnerschaft in der Wirtschaft gestellt", beobachtet die RHEIN-ZEITUNG.
"Stundenlang haben Chinas Staatsführer Xi und Kanzler Scholz geredet", hält die VOLKSSTIMME aus Magdeburg fest. "Herausgekommen ist wenig Greifbares. Peking ist ein glattes Parkett. Die Chinesen wollen sich für einen Frieden in der Ukraine einbringen, aber zu ihren Bedingungen. China will die Wirtschaftsbeziehungen zu Deutschland vertiefen, verlangt aber Verzicht auf Protektionismus. Die Deutschen fordern ihrerseits bei Investitionen in China eine Gleichbehandlung mit einheimischen Unternehmen. Es herrscht viel Argwohn, wo einmal Vertrauen war. Wer weiß, ob die kommunistische Volksrepublik nicht morgen Taiwan angreift?", fragt sich die VOLKSSTIMME.
"Im Jahr des Drachen spürt Deutschland den heißen Atem Chinas im Nacken", schreibt die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG. "Dass mit dem Besuch von Bundeskanzler Scholz im Reich der Mitte alles anders wird, besser gar, ist nicht zu erwarten. Erklärtes Staatsziel von Xi ist schließlich die Wiederauferstehung der chinesischen Nation. Dem haben sich nicht nur Recht und Freiheit des Individuums im Inneren unterzuordnen, auch die Gestaltung der außenpolitischen Beziehungen muss dem Rechnung tragen. Gleichwohl wäre es ein Fehler, zöge sich Deutschland in den Schmollwinkel zurück", betont die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG.
"Bei allem, was Scholz mit Xi bespricht, muss immer bedacht werden: Ihm sitzt Putins mächtigster Verbündeter gegenüber", merkt die MITTELDEUTSCHE ZEITUNG aus Halle (Saale) an. "Solange der Angriffskrieg gegen die Ukraine kein Schaden für China ist, sondern Europas Sicherheit und Wirtschaft schwächt, schaut Xi getrost zu. Jedenfalls ist schwer zu glauben, dass die Atommacht mit 1,4 Milliarden Bürgern zu schwach wäre, um Einfluss auf Putin zu nehmen. Eine Eskalation im Nahen Osten zwischen Israel und Russlands Partner Iran, ein Flächenbrand in der Region, eine Beschädigung der gesamten internationalen Ordnung durch gleich zwei große Kriege hingegen dürften China bedrohlicher erscheinen", vermutet die MITTELDEUTSCHE ZEITUNG.
"China darf sich bislang zu den Gewinnern des Krieges gegen die Ukraine zählen", analysiert die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG. "Deshalb war nicht überraschend, dass Xi gegenüber Bundeskanzler Scholz zwar eine friedliche Lösung befürwortete, aber nach wie vor nicht bereit ist, die Ursache des Übels beim Namen zu nennen oder Putin gar in den Arm zu fallen. Eine scheinbar unabhängige russische Kolonie 'Ukraine' wäre eine 'friedliche Lösung', die China gefallen könnte. Da Russland sich de facto zu einer Rohstoffkolonie Chinas entwickelt hat, bedeutete dies letztlich eine Erweiterung der eigenen Einflusssphäre", notiert die F.A.Z.
"Gegen China geht nichts, es geht nur mit China", entgegnet die Zeitung ND DER TAG aus Berlin. "2023 hatte die Bundesregierung erstmals eine umfassende China-Strategie beschlossen. China wird darin als Partner, Wettbewerber und systemischer Rivale definiert. Das Zauberwort darin ist De-Risking, also Risikominimierung. Damit soll die wirtschaftliche Abhängigkeit von China verringert werden. Nicht noch einmal ohne Masken aus China oder gar Gas dastehen, wenn aus einem Partner wie Russland ein Gegner wird. Sicher ist, es muss mit China soviel Partnerschaft wie möglich gesucht werden, um die globalen Probleme anzugehen. Die Alternative mag man sich nicht ausmalen." Soweit die Zeitung ND DER TAG. Und so viel zu diesem Thema.
Die Antragskommission der CDU hat in ihrem neuen Grundsatzprogramm einen umstrittenen Satz zum Islam geändert. "Die CDU schafft es einfach nicht, ein entspanntes Verhältnis zu der Tatsache zu entwickeln, dass Millionen von Menschen in Deutschland Muslime sind", moniert die FRANKFURTER RUNDSCHAU. "Christdemokraten wie Schäuble und Wulff haben schon vor mehr als einem Jahrzehnt die Selbstverständlichkeit ausgesprochen, dass der Islam zu Deutschland gehört. Doch damit kann sich ein Teil der CDU offenbar nicht abfinden. Der ursprüngliche Satz 'Muslime, die unsere Werte teilen, gehören zu Deutschland' war zu Recht kritisiert worden, weil er die Islamgläubigen pauschal unter Verdacht stellte. In der neuen Formulierung 'Muslime sind Teil der religiösen Vielfalt Deutschlands und unserer Gesellschaft' kommt der Islam wieder als scheinbare Bedrohung daher", findet die FRANKFURTER RUNDSCHAU.
Die STUTTGARTER ZEITUNG meint, dass die ursprüngliche Formulierung nach einem implizit geforderten Treueeid geklungen habe. "Warum wird dieser nur von Muslimen verlangt? Warum nicht von radikalen Evangelikalen, die Demokratie und Staat ablehnen? Denn die Dinge liegen doch klar: Wer gegen Demokratie und Menschenwürde ist, kann auf Dauer nicht Teil der deutschen Gesellschaft sein. Wer Extremist ist, ist Extremist – egal mit welchem Hintergrund", heißt es in der STUTTGARTER ZEITUNG.
Der KÖLNER STADT-ANZEIGER glaubt, dass die CDU eine politische Heimat für viele Muslime sein könnte, die sich hierzulande häufig nicht einer Partei zugehörig fühlten: "Christen und Muslime teilen viele Werte: etwa die Bedeutung von Familie und die Hilfe für Bedürftige. Und unter Muslimen gibt es einen beachtlichen Teil, der wie die CDU beispielsweise bei der inneren Sicherheit einen durchgreifenden Staat fordert. Wenn die CDU ihr Verhältnis zum Islam entkrampfen würde, wäre dies für die Christdemokraten eine große Chance, neue Wählergruppen zu erschließen", mutmaßt der KÖLNER STADT-ANZEIGER.
Zuletzt zwei Kommentare zur Lage in Nahost. Nach dem Großangriff des Irans hat Israel klargemacht, dass es einen Gegenschlag geben werde. Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG befürchtet: "Wenn man die Rauchzeichen richtig deutet, die aus den Sitzungen des Kriegskabinetts in Tel Aviv aufsteigen, dann plant Israel gerade die Quadratur des Kreises. Nicht mit Zirkel und Lineal, sondern mit Bomben und Raketen. Irans beispielloser Angriff auf den jüdischen Staat soll kraftvoll militärisch beantwortet werden. Die Antwort aber soll keinen großen regionalen Krieg auslösen. Die Botschaft lautet, dass Iran zittern muss, aber die Welt beruhigt sein kann. Klingt gut, kann aber kaum klappen. Es mag tatsächlich sein, dass die israelische Führung glaubt, ein solches Manöver könnte gelingen, weil Iran sich am Ende trotz aller Drohungen nicht traut, auf den Gegenschlag mit einem weiteren Gegenschlag zu antworten. Allerdings glaubten die Israelis bis zum 7. Oktober auch nicht, dass die Hamas angreifen würde", erinnert die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG.
"Netanjahus Kriegskabinett steckt in einem Dilemma", unterstreicht die DITHMARSCHER LANDESZEITUNG aus Heide. "Ein Gegenschlag müsste so dosiert sein, dass er die Verbündeten nicht vollends brüskiert, könnte aber den Iran zu einer Antwort zwingen, die Israels Überleben gefährdet – damit wären mindestens die USA auf den Plan gerufen und wäre ein Pulverfass entzündet, dessen Explosion die Welt über den Nahen Osten hinaus erschüttern lassen würde. Israels größte Angst ist die vor einer Atombombe in Händen der Mullahkratie. Das sollte für den friedliebenden Rest der Welt gleichermaßen gelten. Ein Iran mit dieser Massenvernichtungswaffe ist inakzeptabel. Wie heutige Erkenntnisse zeigen, ist der Versuch des früheren US-Präsidenten Obama ins Leere gelaufen, Teheran über ein Abkommen dazu zu bringen, die Finger von der Bombe zu lassen." Mit diesem Kommentar aus der DITHMARSCHER LANDESZEITUNG endet die Presseschau.