Freitag, 03. Mai 2024

23. April 2024
Die Presseschau aus deutschen Zeitungen

Mit diesen Themen: Bundespräsident Steinmeier besucht die Türkei, und die weltweiten Militärausgaben haben einen neuen Höchststand erreicht. Für mediale Aufmerksamkeit sorgt auch das Zwölf-Punkte-Programm der FDP-Spitze mit Forderungen nach Erleichterungen für die Wirtschaft und Einschränkungen bei staatlichen Sozialleistungen. Die FREIE PRESSE aus Chemnitz bewertet den Vorstoß so:

23.04.2024
Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP)
Der FDP-Vorsitzende Lindner (picture alliance / dpa / David Young)
"Christian Lindner ist ein Meister der politischen Kommunikation. Der FDP-Chef und Finanzminister weiß: Wenn man von eigenen Versäumnissen ablenken will, ist es höchst praktisch, der Öffentlichkeit einen Sündenbock zu präsentieren. Bei der Suche hilft es oft, ein überschaubares Problem so groß wie möglich zu machen. Genau das lässt sich gerade bei der erneuten Debatte über das Bürgergeld beobachten."
Auch die STUTTGARTER ZEITUNG kritisiert die Vorschläge zur Sozialpolitik: "Beim Thema Rente lässt sich erkennen, dass die FDP Nebelkerzen wirft. Wer sich Sorgen über die dauerhafte Finanzierbarkeit der gesetzlichen Rente macht, dürfte nicht gemeinsam mit der SPD die Festschreibung des Rentenniveaus von 48 Prozent bis 2039 ins Gesetz schreiben – die teuerste Sozialreform der Ampel überhaupt. Das, was die FDP beim Thema Aktienrente dafür im Gegenzug bekommt, ist mickrig."
Nach Ansicht der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG sind die Vorschläge ".... ein deutliches Signal an die Koalitionspartner, dass sich etwas tun muss – nicht nur für die FDP, sondern für das Land. Es ist nicht besonders sozialdemokratisch, wenn man fürs Nichtstun ebenso viel oder sogar mehr bekommt als für harte Arbeit. Es ist nicht grün, wenn Deutschland den Bach heruntergeht. Es sind nicht unbedingt rote Linien, welche die FDP jetzt aufzeigt. Es ist ein Weckruf. Wenn ihn die Ampel nicht hört, dann mag sich spätestens der Wähler daran erinnern", notiert die F.A.Z.
Die Zeitung DIE WELT zeigt Verständnis für die Situation der Freien Demokraten: "Im Angesicht drohender Wahlniederlagen in Europa, in den Ländern und im nächsten Jahr im Bund besinnen sich die Liberalen auf das, was laut der Demoskopen ihre Kernkompetenzen sind: Wirtschaftsförderung, Steuerpolitik, Staatsfinanzen. Die Frage ist, ob die Wähler der Partei nach den milliardenschweren Subventions- und Umverteilungszugeständnissen an ihre rot-grünen Partner noch die nötige Glaubwürdigkeit beimessen. Es zeugt jedenfalls von wenig politischer Weitsicht, wenn die FDP das von ihr im November 2022 im Bundestag mit beschlossene Bürgergeld nun schon wieder 'reformieren' will."
Die LEIPZIGER VOLKSZEITUNG resümiert: "Die Sollbruchstelle der Koalition ist der Haushalt 2025. Der Verteilungskampf ist schon jetzt heftig. Seit Monaten wird spekuliert, dass Lindner das Bündnis verlässt. Er räumt diese Unsicherheit nicht aus. Das ist in Krisenzeiten wie diesen das eigentlich Unverantwortliche. Nicht, dass die FDP sich gegen die abschlagsfreie Rente mit 63 stemmt. Der Kanzler wiederum hat nicht die Kraft, seinen Finanzminister ins Team zurückzuholen. Trübe Aussichten."
Die weltweiten Militärausgaben haben im vergangenen Jahr wieder einen Höchststand erreicht. Die FRANKFURTER RUNDSCHAU nennt die Zahlen des Friedensforschungsinstituts Sipri beängstigend, aber nicht überraschend. "So war mit dem russischen Überfall auf die Ukraine klar, dass Kiew und deren Verbündete viel Geld ausgeben müssen, damit Ukrainerinnen und Ukrainer sich verteidigen können. Ähnliches gilt für Chinas Machtstreben, auf das Japan und andere Staaten mit Aufrüstung reagieren. Und so berechtigt es auch ist von Sipri, diese Entwicklung anzuprangern, so schwer ist es, Wege der Deeskalation zu finden. Das zeigen nicht nur die Debatten über den Krieg gegen die Ukraine, sondern auch zum militärischen Konflikt zwischen Israel und der Hamas", kommentiert die FRANKFURTER RUNDSCHAU.
Die Zeitung ND DER TAG blickt auf Polen: "Dessen Rüstungsausgaben machten einen Sprung von 75 Prozent. Ein Beweis dafür, wie fatal sich Kriege auf die Dynamik von Waffenkäufen auswirken – auch über die eigentlichen Beteiligten hinaus. Auch andere NATO-Staaten wie Deutschland, Großbritannien, Frankreich, Kanada und Spanien haben ihre Ausgaben weiter beträchtlich erhöht. Geknausert wird dagegen bei den Instrumenten der Diplomatie: Wenn man Deutschlands Beiträge zum regulären UNO-Budget den Militärausgaben gegenüberstellt, wird das Missverhältnis deutlich: fast 67 Milliarden für Waffen, nur rund 193 Millionen Dollar für die UNO, das heißt weniger als 0,3 Prozent der Rüstungsausgaben. Muss man sich angesichts dieser begrenzten finanziellen Möglichkeiten noch wundern, dass die UNO bei der Linderung des Elends, das durch Kriege verursacht wird, nicht mehr hinterherkommt?", fragt ND DER TAG.
"Konfrontation schlägt in diesen Tagen Kooperation", heißt es in der NEUEN OSNABRÜCKER ZEITUNG. "Europa rüstet infolge des Ukraine-Kriegs aus Sorge vor russischen Großmachtgelüsten massiv auf. In der Pazifik-Region wappnet man sich gegen chinesische Drohgebärden. Und die USA verstehen es als größter Waffenlieferant der Welt, ihre nationalen Interessen rund um den Globus robust zu vertreten. Der Trend offenbart ein verengtes Verständnis von Sicherheit. Lässt sie sich allein mit Rüstung erreichen? Die aktuellen Konflikte vom russischen Überfall auf die Ukraine bis zum Pulverfass Nahost wecken erhebliche Zweifel. Doch die Gewalt ist in der Welt. Wer ihr begegnen und nicht zum Opfer werden will, kommt nicht umhin, entsprechend vorzubeugen. Deshalb setzen nahezu alle politischen Entscheidungsträger weltweit auf das Prinzip der Abschreckung. Von aktiver Friedensdiplomatie sind sie heute so weit weg wie seit Jahrzehnten nicht – ein Teufelskreis", bedauert die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG.
Nun in die Türkei. Bundespräsident Steinmeier hält sich dort zu seinem ersten Staatsbesuch seit seinem Amtsantritt vor sieben Jahren auf. Die LAUSITZER RUNDSCHAU beobachtet: "Wenn es um das Verhältnis zu einem so schwierigen Partner wie der Türkei geht, stößt der Wortschatz auch eines Bundespräsidenten mitunter an Grenzen. Eigentlich ist klare Kritik geboten, aber der nicht gerade lupenrein demokratisch regierende türkische Staatschef Erdogan reagiert auf solche Töne uneinsichtig, beleidigt und mitunter aggressiv. Frank-Walter Steinmeier hat also seine Türkei-Reise mit allerlei Symbolen garniert; dazu gehören Zeitpunkt, Dramaturgie, Besuchsorte und Gesprächspartner. Sie sollen seine Botschaften transportieren, noch bevor er überhaupt die ersten Sätze mit Erdogan gewechselt hat. Und diese Botschaften lauten: Die Lebenswirklichkeit der Menschen zählt, die Opposition hat verbriefte Rechte, Kritiker verdienen Gehör und der Rechtsstaat muss gewahrt werden", erläutert die LAUSITZER RUNDSCHAU aus Cottbus.
In der VOLKSSTIMME ist zu lesen: "Der türkische Präsident Erdogan hatte für die deutsche Politik jahrelang den Status eines Unberührbaren. Nun reist Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier zu ihm, um 100 Jahre diplomatische Beziehungen zwischen Deutschland und der Türkei zu feiern. Eigentlicher Grund der Wiederannäherung ist aber, dass die Türkei gebraucht wird. Das Land ist seit dem Merkel-Deal vor knapp zehn Jahren eines der wichtigsten Bollwerke gegen die illegale Fluchtbewegung nach Europa. Das soll trotz allen Auf und Abs so bleiben, auch als Beispiel für andere Staaten wie Tunesien oder Ägypten. Die von der EU angekündigte Modernisierung der Zollunion wird für den türkischen Elan förderlich sein. Neue EU-Beitrittsgespräche sind kein Thema – zu Recht", findet die VOLKSSTIMME aus Magdeburg.
Die TAZ sieht in Steinmeiers Türkei-Besuch ein starkes Zeichen: "Er trifft die Opposition und erinnert an die türkischen Einwanderer nach Deutschland. Dass der Bundespräsident die Zuwanderung aus der Türkei zu einem Schwerpunkt seines Besuchs imHerkunftsland dieser Menschen macht, ehrt ihn. Es ist höchste Zeit, Einwanderung als Erfolgsgeschichte zu erzählen, statt immer nur Probleme in den Vordergrund zu stellen."