Mittwoch, 15. Mai 2024

29. April 2024
Die Presseschau aus deutschen Zeitungen

Heute mit Kommentaren zur Lage in Nahost. Ein besonderes Augenmerk liegt aber auf der Innenpolitik. CSU-Chef Söder liebäugelt wieder mit einer Neuauflage der Großen Koalition. Und am Wochenende haben sich Parteien auf Versammlungen für die Europa- und Landtagswahlen positioniert.

29.04.2024
Bayerns Ministerpräsident Söder hält eine Mappe auf dem CSU Europa-Parteitag am 27.04.2024 in den Eisbach Studios in München.
Bayerns Ministerpräsident Markus Söder auf dem CSU Europa-Parteitag in München. (picture alliance / dpa / Revierfoto / Revierfoto)
Dazu schreibt die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG: "Das Kriegsgeschehen dominiert die deutschen Wahlkämpfe. Patrioten und Antifaschisten von der CDU bis zur Linkspartei kämpfen gegen die 'Vaterlandsverräter' der AfD jenseits einer Mauer, die das Land durchziehen soll. Thüringen steht im Mittelpunkt, weil dort ein Linke-Ministerpräsident ums politische Überleben kämpft und die AfD ihren Extremismus auskostet. Der Wahlkampf, den Bodo Ramelow zu den Klängen von 'Rocky' eröffnete, droht hitzig zu werden. Das ist keine gute Entwicklung. Gibt es noch jemanden, der zur Deeskalation aufruft?", fragt die F.A.Z.
Zum CSU-Parteitag schreibt der MÜNCHNER MERKUR: "Anders als die hüfttief im Spionage- und Bestechungssumpf steckende AfD muss die CSU ihren Europa-Spitzenkandidaten nicht wegsperren. Im Gegenteil: Auch wegen ihres populären Listenführers Manfred Weber darf die kleine Unionsschwester mit einem so guten Europawahlresultat rechnen, dass manche in der Staatskanzlei schon fürchten, es könne das 37-Prozent-Landtagswahlergebnis des amtierenden Parteichefs und Ministerpräsidenten überstrahlen. Am Münchner Himmel aber soll nur ein Fixstern hell leuchten, und der heißt Markus Söder. Auftrittsverbot hatte in München eine andere Unionspolitikerin: Ursula von der Leyen, die nach einer zweiten Amtszeit strebende EU-Kommissionschefin. Zu unbeliebt ist die Deutsche bei Europas Bürgerlichen als Mutter des 'Green Deals' und des europäischen Verbrenner-Aus", findet der MÜNCHNER MERKUR.
Die PASSAUER NEUE PRESSE befasst sich mit Söders Plädoyer für eine Wiederauflage der Großen Koalition: "Er reitet damit die Anti-Grünen-Stimmung im Land, bedient die Sehnsucht nach einer etwas ruhigeren Ära. Formal zielt Söder auf die Grünen, sein Schuss trifft aber nicht zuletzt Friedrich Merz. Der CDU-Chef, der faktisch das Erstzugriffsrecht auf die Unions-Kanzlerkandidatur besitzt, hat bisher eine Koalition mit den Grünen als Option ganz bewusst nicht ausgeschlossen – ebenso wenig wie die CDU-Ministerpräsidenten Wüst und Günther, die bei der K-Frage ebenfalls noch in der Schlange stehen. Indem Söder nun einseitig eine Vor-Festlegung auf die SPD betreibt und so sein Profil schärft, pflanzt er einen neuen Spaltkeim in das Rennen der Union um die Kanzlerschaft", ist sich die PASSAUER NEUE PRESSE sicher.
Die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG bemerkt: "Während die Konkurrenz sich mit sperrigen EU-Themen abmüht, ist Söder schon wieder bei der nächsten Bundestagswahl. Gelernt ist gelernt: Wer ein vollbesetztes Bierzelt übertönen kann, der lenkt auch beim Wahlkampfauftakt der anderen die Aufmerksamkeit kalt lächelnd auf sich. Um sich als besonnener Staatsmann zu inszenieren, geht Söder natürlich zur Zeitung 'Welt'. Rhetorisches Zauberstück des Interviews ist eine wunderbar paradoxe Volte – und zwar die abwertende Aufwertung, mit der Söder 'Pistorius als Juniorpartner' der kommenden Groko fantasiert. In nur drei Worten erhebt Söder den Verteidigungsminister zum SPD-Kanzlerkandidaten – und wirft die SPD im selben Atemzug aus dem Kanzleramt. Erdrückender kann man den Gegner nicht umarmen. Hut ab vor dieser brillanten Gehässigkeit", urteilt die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG.
Der Parteitag der AfD in Donaueschingen wurde von Vorwürfen gegen die beiden Spitzenkandidaten für die Europawahl überschattet. Dass Delegierte und Parteiführung darauf nicht eingingen, kritisiert der SÜDKURIER: "Stattdessen igeln sich Mitglieder und Parteiführung ein und üben sich in Selbstvergewisserung, dass das alles eine von Medien und politischen Konkurrenten gesteuerte Kampagne sei. Das ist nicht überraschend und folgt dem Verhalten der AfD in der Vergangenheit, wenn es darum ging, sich kritischen Fragen zu stellen. Schuld sind immer die Anderen. Wie diese Partei aber gedenkt, einen Europawahlkampf mit dieser jämmerlich zu Schau gestellten Wehleidigkeit und mit zwei unsichtbaren Kandidaten zu bestreiten, bleibt ein Geheimnis", notiert der SÜDKURIER aus Konstanz.
"Die AfD versucht sich an einem Zaubertrick", schreibt die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG: "Die AfD will ihren Spitzenkandidaten für die Europawahlen, Maximilian Krah, verschwinden lassen – und damit auch dessen Probleme. Da wäre der Verdacht, Krah habe Geld aus Russland angenommen, was dieser bestreitet. Oder die jüngste Verhaftung von seinem Mitarbeiter, weil der für China spioniert haben soll. Es ist schon nachvollziehbar, warum die Partei beim Wahlkampfauftakt in Donaueschingen auf Krahs Anwesenheit verzichtete. Den Spitzenkandidaten kann die AfD-Spitze verstecken. Die unangenehme Frage, welche Nähe die Partei zu Russland pflegt, wird sie trotzdem weiter begleiten." So weit die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG.
Die TAGESZEITUNG blickt auf den Bundesparteitag der Freien Demokraten: "Die FDP hat den Zoff mit SPD und Grünen zwar nicht weitereskaliert, aber die Drohung, die Koalition zu beenden, etabliert. Damit hofft sie, ihre Durchschlagskraft qua Erpressung zu erhöhen. Taktisch mag sie sich für die anstehenden Haushaltsverhandlungen der Ampel einen Vorteil versprechen, strategisch klug ist das nicht. Wer zu oft droht, ohne Konsequenzen zu ziehen, wird nicht mehr ernst genommen. Die FDP zementiert gerade ihren Ruf, unzuverlässig zu sein. In dem alten, westdeutschen Dreiparteiensystem war die Wankelmütigkeit der Liberalen ein strategischer Vorteil. Heute hat diese Launenhaftigkeit etwas Selbstzerstörerisches", schlussfolgert die TAZ.
Die LEIPZIGER VOLKSZEITUNG erläutert: "Mit geheimnisvollen Andeutungen hatten die Liberalen immer wieder Spekulationen über ein Ende genährt. Nun ist die Tonlage eine deutlich andere, zumindest fürs Erste. Auch auf dem Bundesparteitag blieb der Flirt mit dem Ausstiegsszenario eine Randerscheinung."
Und die VOLKSSTIMME aus Magdeburg resümiert: "FDP-Bundeschef Christian Lindner hat die Backen mächtig aufgeblasen. Die Liberalen wollen einen knallharten Wirtschaftskurs. Auffällig  ist, dass die Koalitionäre momentan bemüht sind, auf gegenseitige Provokationen zu verzichten. Auch Lindner macht deutlich, dass er den Bruch der Ampel-Koalition vor der Bundestagswahl 2025 nicht will. Ein bisschen Frieden also – vorerst."
Nun nach Nahost. Vor dem geplanten Militäreinsatz in Rafah unternimmt die israelische Regierung einen letzten Versuch, sich mit der militant-islamistischen Hamas auf eine Feuerpause im Gaza-Krieg und die Freilassung weiterer Geiseln zu einigen. Zur innenpolitischen Lage in Israel schreibt die ALLGEMEINE ZEITUNG: "Am Wochenende sind Tausende Israelis auf die Straße gegangen um ihren Staatschef aufzufordern, mehr für die Freilassung der Geiseln zu tun. Eine Waffenruhe würde die Geiseln schützen und die Wahrscheinlichkeit auf Freilassung steigern. Doch das Problem ist: Ministerpräsident Netanjahu verliert immer mehr Rückhalt in der Bevölkerung. Solange der Krieg dauert, stützt dieser seine Machtposition. Auch der mögliche Deal zwischen Israel und der Hamas zur Waffenruhe ist mit Fragezeichen versehen: Die Tage der Waffenruhe sollen sich laut Israel nach der Anzahl der Geiseln richten, die freikommen. Aber es ist unklar, wie viele Gefangene noch leben." Das war die ALLGEMEINE ZEITUNG aus Mainz.
Die FRANKFURTER RUNDSCHAU führt aus: "Laut Umfragen ist nur eine Minderheit dafür, dass Netanjahu nach dem Krieg im Amt bleibt. Sein rechtsextremer Finanzminister Smotrich setzt ihn zudem mit der Drohung des Endes der Regierung unter Druck. Nämlich dann, wenn der Vorschlag umgesetzt wird, die israelischen Militärpläne in Rafah im Gegenzug zur Freilassung von Frauen sowie Alten und Kranken unter den Geiseln zu stoppen. Würde die Hamas die Geiseln gehen lassen, könnte sie die eigene Bevölkerung schützen. Aber deren Leid ist den Terroristen gleichgültig. So können die Verschleppten nur darauf hoffen, dass die USA und arabische Staaten das widerwärtige Geiselgeschacher beenden."