Samstag, 18. Mai 2024

04. Mai 2024
Die Presseschau aus deutschen Zeitungen

Thema in vielen Zeitungen ist der Cyberangriff auf die SPD im vergangenen Jahr, für den das Auswärtige Amt jetzt Russland verantwortlich gemacht hat. Kommentiert werden außerdem die Debatte über den Bundeshaushalt und der Ausgang der Kommunalwahlen in England und Wales.

04.05.2024
Die russische Fahne über der Botschaft der Russischen Föderation in Berlin und grüne Baumkronen.
Nach den Cyberangriffen auf die SPD hat das Auswärtige Amt den Geschäftsträger der russischen Botschaft einbestellt. (picture alliance / Zumapress / Michael Kuenne)
Zum russischen Cyberangriff schreibt der REUTLINGER GENERAL-ANZEIGER: "Was viele bereits ahnten, das hat sich jetzt bewahrheitet. Russland hat eine Cyber-Attacke auf Deutschland verübt. Wieder einmal. Anfang 2023 wurden E-Mail-Konten der SPD-Parteizentrale gehackt. Ob dabei Daten abgeschöpft wurden, ist nicht bekannt. Kremlchef Putin betrachtet die Bundesrepublik seit langem als Systemrivalen, seit dem Überfall auf die Ukraine auch als indirekten Kriegsgegner. Die entscheidende Frage ist daher nicht: Wie konnte Russland das wagen? Sondern: Wie konnte Deutschland das zulassen?", betont der REUTLINGER GENERAL-ANZEIGER.
"Der Angriff offenbart nicht nur die Skrupellosigkeit der russischen Dienste, sondern auch die beschränkten Reaktionsmöglichkeiten der Bundesrepublik", konstatiert die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG: "Noch immer hat sich die Bundesregierung nicht dazu durchringen können, jene chinesische Technologie aus dem Mobilfunknetz zu entfernen, die sich für Spionage missbrauchen lässt. Und während Russland seine Angriffe ausweitet, besitzt der Bund nicht einmal die Befugnis, mit verhältnismäßig milden Mitteln zurückzuhacken – zum Beispiel durch das Blockieren gegnerischer Server."
Ähnlich sehen es die OM MEDIEN, zu denen unter anderem die OLDENBURGISCHE VOLKSZEITUNG gehört: "Desinformation ist in Russland fast schon eine eigene Kunstform. Deutschland ist dagegen nur unzureichend gewappnet. Die Republik muss resilienter werden. Putin sieht sich selbst im Krieg mit dem Westen. Solange er sich militärisch nicht stark genug fühlt, ist der Cyberraum sein Schlachtfeld. Ihm dort erfolgreich die Stirn zu bieten, würde erheblich zur Wehrhaftigkeit und zur Friedenssicherung beitragen."
Die MITTELDEUTSCHE ZEITUNG aus Halle bemerkt mit Blick auf den Ukraine-Krieg: "Verwunderlich ist, dass immer noch Teile der SPD glauben, man könne mit den Verantwortlichen auch für diese Angriffe verhandeln und den Konflikt 'einfrieren'. Dabei liegt auf der Hand, dass der Krieg in der Ukraine Teil eines Krieges ist, den Russlands Präsident Wladimir Putin gegen den demokratischen Westen insgesamt führen lässt – mit allen verfügbaren Mitteln. Dazu gehören neben Drohnen und Raketen auch Computer-Viren, Falsch-Nachrichten und die Instrumentalisierung politischer Parteien wie der AfD oder des Bündnisses Sahra Wagenknecht. Befriedung und Realitätsverleugnung helfen nicht weiter, sondern verschlimmern die Lage nur", argumentiert die MITTELDEUTSCHE ZEITUNG.
Nach Ansicht der MEDIENGRUPPE BAYERN, zu der unter anderem die PASSAUER NEUE PRESSE gehört, braucht es ein grundsätzliches Umdenken in der Sicherheitspolitik: "Sanktionspakete und Androhungen von Konsequenzen haben Putin bisher wenig beeindruckt. Die einzig wirkliche Konsequenz für Deutschland kann eigentlich nur sein, Fortschritte bei der 'Verteidigungsfähigkeit' des Landes nicht ausschließlich an der Neubestellung von Waffen und Munition zu messen. Die Hacker-Angriffe zeigen: Für künftige Konflikte ist eine funktionierende Cyber-Abwehr zum Schutz kritischer Infrastruktur mindestens genauso wichtig. Das aber kostet Geld – nicht nur beim Militär, sondern auch bei Behörden und Unternehmen", heißt es im Kommentar der MEDIENGRUPPE BAYERN.
Kommentiert wird in diesem Zusammenhang auch die Debatte über den Bundeshaushalt 2025. Der KÖLNER STADT-ANZEIGER notiert: "Es ist nicht übertrieben, die Phase als historisch zu bezeichnen, in die die Ampel durch äußere Umstände geraten ist. Der Krieg in Europa mit Russland als Aggressor übertrifft alle Krisen der jüngeren Vergangenheit. Finanzminister Christian Lindner aber befällt Panik beim bloßen Gedanken, deswegen die Schuldenbremse noch einmal zu lockern. Der Schock über das harte Haushaltsurteil des Bundesverfassungsgerichts sitzt bei ihm so tief, dass er von der Urteilsbegründung nichts wissen will. Dort steht nicht, dass die Regierung die Schuldenbremse nie wieder aussetzen darf, sondern dass sie dies besser und mit einer Notlage begründen muss. Es ist schwer zu verstehen, warum Putins Krieg keine Notlage bedeuten soll, nur weil das Grauen schon über zwei Jahre andauert." Soweit der KÖLNER STADT-ANZEIGER.
"Wer Christian Lindner dieser Tage beobachtet, erlebt einen Mann, der immens unter Druck steht, der dünnhäutig und kampfeslustig zugleich wirkt", ist in der TAZ zu lesen: "Als Finanzminister muss Lindner einen Haushalt zusammenkratzen, in dem gut 20 Milliarden Euro fehlen. Als FDP-Vorsitzender muss er eine Partei sanieren, der seit Monaten immer wieder die nötigen Prozente zum Einzug inLandtage fehlten. Es deutet einiges darauf hin, dass Lindners Zweitjob für ihn nun Priorität hat. Er wirbt für astreine FDP-Politik – Steuern senken, Sozialausgaben kürzen und Klimaschutz dem Markt überlassen. Kompromisse beim Haushalt sind nicht vorgesehen. Das wird die Ampel in dennächsten Monaten an die Belastungsgrenze treiben. Oder darüber hinaus", mutmaßt die TAZ.
Die FREIE PRESSE aus Chemnitz fordert von allen drei Ampel-Parteien Zugeständnisse: "Die SPD sollte aufhören, Menschen, die noch fit sind, den vorzeitigen Weg in die abschlagsfreie Rente freizuhalten. Das ist teuer und in Zeiten des Fachkräftemangels unvernünftig. Die Grünen sollten auf die vermurkste Reform zur Kindergrundsicherung verzichten. Und was ist mit der FDP? Auch Lindner muss sich bewegen: Die Wirtschaft braucht – jetzt in der Krise, aber auch, um die Transformation zur Klimaneutralität zu schaffen – gewaltige Investitionen. Eine Einigung über steuerliche Investitionsanreize in der Ampel ist möglich. Es wäre schön, wenn auch Lindner selbst mal Finanzierungsvorschläge einbrächte – jenseits des Märchens, alle Etatprobleme ließen sich durch verschärfte Bürgergeldregeln lösen", stellt die FREIE PRESSE heraus.
Themenwechsel. Bei den Kommunalwahlen in England und Wales haben die britischen Konservativen deutliche Verluste hinnehmen müssen. Die BADISCHE ZEITUNG aus Freiburg schlussfolgert, dass eine zunehmende Zahl von Briten die Geduld mit der Partei von Regierungschef Sunak verloren habe: "Das Maß an Armut im Lande ist heute erschreckend. Der Niedergang der öffentlichen Dienste, vor allem des Gesundheitswesens, ist ein nationaler Skandal. Ganze Gemeinden gehen neuerdings bankrott. Der Post-Brexit-Unmut ist mit Händen zu greifen. Feierliche Versprechen eines Neubeginns sind nicht eingelöst worden. Filz, Korruption und andere Skandale belasten die Partei. Dem vernachlässigten Nordengland, dem Boris Johnson Aufschwung versprach, geht es nicht besser als früher. Und das Chaos in Downing Street mit stetem Personalwechsel hat die Irritation über alle Maßen verstärkt", unterstreicht die BADISCHE ZEITUNG.
"Die Desillusionierung über die Konservativen ist weit fortgeschritten", glaubt auch die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG: "Insofern könnte die Oppositionspartei Labour der anstehenden Parlamentswahl mit größter Ruhe und Zuversicht entgegensehen. Gerade in Nordengland kommt aber ein Faktor hinzu, der Labour-Führer Keir Starmer beunruhigen muss. Es gibt dort viele Wahlkreise, in denen ein ins Gewicht fallender Teil der Wahlberechtigten muslimischen Glaubens ist. Diese Bevölkerungsgruppe verübelt es Starmer, dass er angeblich viel zu nachgiebig gegenüber Israel auftrete. Das ist ein altes Problem der Labour Party. Die Konservativen können die Unterhauswahl nach menschlichem Ermessen zwar nicht gewinnen, Labour allerdings kann sie sehr wohl verlieren. Das wäre für ein an stabile Mehrheiten gewöhntes Land eine ungute Situation."