Sonntag, 19. Mai 2024

07. Mai 2024
Die Presseschau aus deutschen Zeitungen

Im Mittelpunkt steht die Wiederwahl von Friedrich Merz als Vorsitzender der CDU. Außerdem geht es in den Kommentaren um die Lage im Nahostkonflikt.

07.05.2024
Friedrich Merz, CDU-Bundesvorsitzender, hält seinen Blumenstrauß nach der Wahl zum Bundesvorsitzenden beim CDU-Bundesparteitag hoch.
Thema in den Zeitungen: CDU-Chef Friedrich Merz ist in seinem Amt bestätigt worden. (Carsten Koall / dpa )
Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG meint zur Wiederwahl von Merz mit Blick auf das Kanzleramt: "Nach jetzigem Stand könnte Friedrich Merz es auf ähnliche Weise schaffen wie Olaf Scholz im Jahr 2021: einfach stillhalten und die anderen ihre Fehler machen lassen. Könnte aber auch sein, dass man es von der CDU genauer wissen will: Woher kommt das Geld für die Bundeswehr, wenn die 'weitaus' mehr braucht als ein Sondervermögen, wie Merz sagt? Und zwar bei gleichzeitiger 'Entlastung' der Wirtschaft? Glaubt die CDU wirklich, für Klimaschutz brauche es nichts weiter als Grenzwerte, also Papier, plus wohlgesetzte Anreize? Zum Zustand der Bundeswehr sagte Merz, dass die CDU daran 'nicht ganz unbeteiligt war'. Gilt auch für Klima, Bahn, Digitalisierung et cetera", erinnert die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG.
Die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG schreibt: "Die Wahl musste Merz nicht fürchten. Die Latte lag zwar hoch. Aber für seine Stärke als Parteivorsitzender werden andere Ergebnisse ausschlaggebend sein, die der Europawahl und die der drei Landtagswahlen im September. Was rund um diese Wahlen geschieht, entscheidet über die Kanzlerkandidatur. Da geht es auch um Kampf gegen Söder, aber in erster Linie um politisches Geschick gegen Wüst."
Die STUTTGARTER ZEITUNG analysiert: "Merz darf sich in schwieriger Zeit gestärkt fühlen. Ungeachtet aller Unkenrufe und Spekulationen über interne Widersacher haben sich die Christdemokraten bei der Wiederwahl ihres keineswegs unumstrittenen Parteichefs geschlossen gezeigt. Das ist auch ein Verdienst desselben – vielleicht sein bisher überraschendster Erfolg. Der zweite hat noch mehr Gewicht: Merz ist es gelungen, der nach Merkels langem Regiment ermatteten, programmatisch verblassten Partei wieder Selbstbewusstsein einzuhauchen", so die STUTTGARTER ZEITUNG.
Die FRANKENPOST aus Hof stellt fest: "Die Rede von Friedrich Merz markiert den Startschuss zur Bundestagswahl – selbst wenn diese erst im Herbst 2025 stattfindet. Sein Ziel gibt der 68-jährige Sauerländer ohne Umschweife bekannt: die CDU an die Macht zurückführen, und das mit ihm als Kanzler. Vermutlich ist das der Grund, weshalb Merz 80 Minuten lang eher mit staatstragendem Ton dozierte und referierte statt einzupeitschen und mitzureißen. Ecken, Kanten, politische Attacken oder negative Überraschungen, die man sonst von ihm geliefert bekommt, bleiben aus. Weil er weiß, dass er sich damit selbst zum Verhängnis wird", kommentiert die FRANKENPOST.
Die LEIPZIGER VOLKSZEITUNG notiert: "Die Partei hat nach 16 Jahren Regierungszeit wieder ein klareres Profil. Wenn morgen Bundestagswahl wäre, dann würde die CDU den Kanzler stellen. Die guten Bundeswerte für die CDU können aber nicht über Merz' Schwächen hinwegtäuschen. Seine persönlichen Werte bei Frauen und jungen Menschen sind katastrophal. Entgleisungen in den vergangenen zwei Jahren haben sein öffentliches Bild beeinflusst: Kinder von Migranten als Paschas zu bezeichnen oder Asylbewerber und Deutsche wegen Zahnarztterminen auseinanderzutreiben, ist eines Kanzlerkandidaten nicht würdig", urteilt die LEIPZIGER VOLKSZEITUNG.
Die MÄRKISCHE ODERZEITUNG aus Frankfurt (Oder) glaubt: "Bei der SPD gilt Merz als idealer Gegner, weil er erstens im Gegensatz zum eigenen Kanzler Olaf Scholz über keinerlei Regierungserfahrung, zweitens dafür aber – ebenfalls im Gegensatz zu Scholz – über enorm viel Temperament verfügt. Doch Merz hat bereits begonnen, sich aus dieser Schlinge herauszuwinden. Auf dem Parteitag probierte er einen neuen, weit weniger temperamentvollen Ton. Den, so die Überlegung, kann er sich innerparteilich nach zwei Jahren Arbeit an der CDU-Spitze leisten. Kämpfen muss er nicht mehr um die Unterstützung innerhalb, sondern außerhalb der Partei", hält die MÄRKISCHE ODERZEITUNG fest.
DIE TAGESZEITUNG argumentiert: "In der letzten Zeit scheint Merz ruhiger geworden zu sein, auch seine Rede weist in diese Richtung. Aber bleibt das so, wenn Merz im Wahlkampf unter Druck gerät? Oder, noch deutlich gefährlicher, wenn ihm das als Kanzler passiert? Merz hat für die CDU einiges bewirkt. Für die Partei aber bleibt er ein Risiko. Und würde er Kanzler, könnte er dies auch für das Land sein."
Der WESER-KURIER aus Bremen befindet: "Am stärksten war der wiedergewählte CDU-Vorsitzende, als er deutlich machte, dass es mit der AfD, aber auch mit linken Populisten, keine Zusammenarbeit geben könne. In diesem Punkt war Merz glasklar. Auch wenn die CDU mit dem neuen Programm ein Stück konservativer wird, rechts ist sie noch lange nicht."
Die WESTDEUTSCHE ZEITUNG aus Düsseldorf folgert: "Merz hat nun fast alles in eigener Hand, müsste sich schon selbst schlagen – oder sich selbst aus dem Spiel nehmen. Als Alternative spräche der eher konservative Zeitgeist derzeit für Bayerns Ministerpräsidenten Markus Söder. Dafür müsste die CDU angesichts der Vorkommnisse im Zweikampf Söders mit Armin Laschet aus 2021 aber ungesund viel vergessen können. NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst und Schleswig-Holsteins Länderchef Daniel Günther – beide regieren mit den in der Bundes-CDU ungeliebten Grünen – haben erkannt, dass das Momentum für Merz spricht. Sie haben sich untergeordnet und dürften nur dann noch einmal aufmüpfiger die Stimme für ihren Kurs erheben, wenn Europawahl und drei Landtagswahlen im Osten ganz weit von den Wunschergebnissen entfernt liegen sollten", ist in der WESTDEUTSCHEN ZEITUNG zu lesen.
Der militärische Einsatz Israels in der Stadt Rafah im Süden des Gazastreifens ist Thema in der BADISCHEN ZEITUNG aus Freiburg: "Die wiederholte Vertreibung, der Hunger, die Seuchen sind Konsequenz des israelischen Vorgehens in Gaza. Die Armee versucht zwar zu beruhigen: Von einer Massenevakuierung könne keine Rede sein, es handle sich jetzt nur um eine begrenzte Aktion zur Bekämpfung der Hamas. Aber was dann? Die Erfahrung aus anderen Kampfzonen im Gazastreifen zeigt: Jede noch so begrenzte Operation neigt dazu, auszuufern – denn sobald die Truppen abziehen, kommen die Hamas-Kämpfer zurück. Niemand weiß, was die längerfristige Strategie sein soll, um das Schicksal der Menschen in Gaza in neue Hände zu übergeben", unterstreicht die BADISCHE ZEITUNG.
Der KÖLNER STADT-ANZEIGER kritisiert: "Israels Ministerpräsident Netanjahu rast immer tiefer in die Sackgasse: Zu Recht verweisen die Angehörigen der Geiseln darauf, dass der Krieg alle seine Ziele verfehlte: weder brachte er die Entführten heim, noch steht die Hamas vor dem Ende. Man muss sogar das Gegenteil befürchten: dass das Leben der Geiseln riskiert und das Leiden der Palästinenser zum Rekrutierungsprogramm für die Hamas wird."
Die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG vermerkt: "Was soll in einer Trümmerlandschaft schon gedeihen, außer Hass und Ohnmacht! Ohne jede Perspektive steht die nächste Generation von Israel hassenden Kämpfern schon in den Startlöchern. Doch was die Lösung der Palästinenser-Frage angeht, ist die Regierung Netanjahu seit jeher blank. So ist die Existenz Israels mittelfristig nicht nur durch islamistische Terroristen in Gefahr. Auch jede von national-chauvinistisch agierenden Ultras getriebene Regierung in Tel Aviv stellt ein Sicherheitsrisiko für das Land dar", befürchtet die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG.
Die LAUSITZER RUNDSCHAU aus Cottbus betont: "Israels Regierung wird sich eines Tages stellen müssen. Nicht nur internationalen Gerichten, die darüber urteilen werden, ob die Armee Kriegsverbrechen begangen hat. Sondern auch den eigenen Fehlern. Dem Versagen bei der Verteidigung des eigenen Landes. Dem bewussten Aufheizen des Konflikts mit den Palästinensern durch den Bau von Siedlungen im Westjordanland. Oder der Absage auf jegliche Verhandlungen über eine weitergehende Autonomie der Palästinenser. Israel also wird sich verantworten müssen. Aber wer zieht eigentlich die Hamas und ihre Unterstützer zur Rechenschaft?"