
Die KIELER NACHRICHTEN schreiben dazu: "So sehr Israel das Recht auf Verteidigung hat und so ruchlos die Terroristen mit der israelischen Zivilbevölkerung umspringen, so wenig darf sich Netanjahu auf dieses Niveau herab begeben. Das fordern nicht zuletzt unzählige Israelis auf den Straßen von Tel Aviv und Jerusalem: Ein Sieg gegen die Hamas ist nötig für den Frieden in Gaza. Aber nicht um den Preis, dass Israel selbst Kriegsverbrechen als Mittel zum Zweck einsetzt", unterstreichen die KIELER NACHRICHTEN.
Die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG betont: "Es bedeutet nicht, dass Netanjahu und Galant wirklich Kriegsverbrechen begangen haben - das könnte erst der Gerichtshof in einer Hauptverhandlung klären. Aber es heißt, dass ein neutraler Fachmann nach intensiver Prüfung davon überzeugt ist, dass Israel in seinem Abwehrkampf gegen die Hamas jenseits des Rechts agiert. Mehr als irritierend ist jedoch, dass Chefankläger Khan Israels Führung und die Hamas-Chefs mittelbar auf eine Stufe stellt, indem er gegen beide gleichzeitig vorgeht - Israel hat allen Grund, das als Affront zu begreifen. Die Bundesregierung steht nun vor der Frage, wie felsenfest sie hinter dem Strafgerichtshof steht", meint die F.A.Z.
"Benjamin Netanjahu das Etikett eines Kriegsverbrechers aufzudrücken, ist äußerst heikel", gibt auch der SÜDKURIER aus Konstanz zu bedenken. "Man würde den angegriffenen Ministerpräsidenten Israels damit schließlich auf dieselbe Stufe wie Hamas-Anführer Jihia al-Sinwar stellen – dem berüchtigten Schlächter von Chan Junis. Trotzdem erntet Netanjahu mit dem Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshofs das, was er seit Monaten offenbar bedenkenlos hochzüchtet: die Früchte eines unerträglichen Gemetzels, die Saat von Vertreibung, Hunger und Seuchen in Gaza. Während sich Netanjahu taub stellt gegen die Kritik, die international über ihn hereinhagelt, scheint die Existenz Israels nicht nur mittelfristig durch islamistische Terroristen in Gefahr. Das hat er zu verantworten. Und dafür wird er sich eines Tages stellen müssen", betont der SÜDKURIER.
Die STUTTGARTER ZEITUNG hält fest: "Zu Recht erläuterte der Chefankläger Khan die Verantwortlichkeit der Hamas-Führung für die Verbrechen gegen die Menschlichkeit am 7. Oktober. Mit den zugleich beantragten Haftbefehlen gegen die israelische Führung setzt Khan Israel nicht mit der Terrororganisation Hamas gleich und erkennt das Selbstverteidigungsrecht Israels an. Dennoch muss sich Israel an das Völkerrecht halten. Wer die Zivilbevölkerung aushungert und den Tod vieler Zivilisten in Kauf nimmt, begeht Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit", notiert die STUTTGARTER ZEITUNG.
Die TAGESZEITUNG schreibt zu den möglichen Folgen der beantragten Haftbefehle: "Die Hamas hat wohl kein Interesse daran, ihren Umgang mit den Geiseln zu verändern. Die vom IStGh beschriebenen Verbrechen sind teils Inhalt ihrer Charta. Doch Israel könnte seine Kriegsführung anpassen – und hat das bereits getan. Das ändert zwar nichts an den beantragten Haftbefehlen, aber sehr wohl daran, wie auf Israel geblickt wird – zumindest seitens seiner Verbündeten. Im Angesicht internationaler Haftbefehle müsste es an deren Wohlwollen hohes Interesse haben", argumentiert die TAZ.
Der iranische Präsident Raisi ist bei einem Hubschrauberabsturz ums Leben gekommen. "Der Schlächter von Teheran ist tot", liest man dazu im MÜNCHNER MERKUR. "Beileidsbekundungen des Westens dazu sind pflichtschuldig und klingen hohl. Es hätte auch den Repräsentanten der EU besser zu Gesicht gestanden, ihre Kondolenz auszuweiten: auf die Familien jener zigtausenden Opfer, die Irans Präsident im Lauf seiner bluttriefenden Karriere ermordet, erniedrigt, gefoltert und unterdrückt hat. Raisis Tod ist nach unseren Wertmaßstäben kein Grund zu Jubel, aber ein Anlass, daran zu erinnern, was die Opfer durchlitten haben unter dem iranischen Regime der alten Männer", führt der MÜNCHNER MERKUR an.
Auch die FRANKFURTER RUNDSCHAU bemerkt: "In Wahrheit sind die Gedanken gerecht denkender Europäerinnen und Europäer bei den Zehntausenden Hinterbliebenen von Raisis blutiger Herrschaft. Jahrzehntelang sorgte Raisi für Massenhinrichtungen politisch Missliebiger in einem Ausmaß, das auch unter den Diktaturen dieser Welt selten ist. Schon in den Achtzigern ließ er Regimekritiker reihenweise aufknüpfen, erst als Ankläger, dann als Chefrichter. Im Jahr 2022, im Amt des Präsidenten, konterte er die 'Frau-Leben-Freiheit'-Bewegung mit seiner alten Methode: Haft, Folter, Galgen. Wie lange noch können die Mullahs auf diese mittelalterliche Art ihre Macht verteidigen? Es ist dem Iran zu wünschen, dass die Neuwahlen eine kreative neue Unruhe ins Land bringen", schreibt die FRANKFURTER RUNDSCHAU.
Der Berliner TAGESSPIEGEL kommentiert: "Zahlreiche Iranerinnen, besonders sie, und Iraner haben in sozialen Netzwerken ihre Freude, ja Schadenfreude über den Hubschrauberabsturz verbreitet. Das könnte sich ausbreiten. Der Widerwillen gegen Erzkonservative und die Unterdrückung von Bürgerrechten hat bereits in zurückliegender Zeit Tausende auf die Straßen gebracht. Nicht zu vergessen: Sehr viele Iraner waren gar nicht erst zur Wahl von Raisi gegangen. Darin schlummert Potenzial für neues Aufbegehren", ist sich der Berliner TAGESSPIEGEL sicher.
Die AUGSBURGER ALLGEMEINE ZEITUNG beobachtet: "Der geistliche Führer und mächtigste Mann im Iran, Ali Chamenei, tut alles, um die Bedeutung des Todes des Präsidenten für das Regime kleinzureden. Dabei galt Ebrahim Raisi als möglicher Nachfolger des greisen Revolutionsführers. Die Nervosität wächst. Einen Kurswechsel sollte niemand erwarten. Alles andere als eine im doppelten Sinne äußerst beschränkte Auswahl an Hardlinern auf dem Wahlzettel wäre eine Sensation. So ist erneut eine für das Regime desaströs geringe Wahlbeteiligung absehbar – Verweigerung als weltweit sichtbares Signal gegen die verknöcherte Theokratie", heißt es in der AUGSBURGER ALLGEMEINE.
"Die noch ungelöste Nachfolge für den bereits 85-jährigen obersten Führer Chamenei offenbart Risse in den dicken Mauern der schiitischen Theokratie", bemerkt die BERLINER MORGENPOST. "Möglich, dass sich die Autokratie der Ajatollahs mit einem neuen Gesicht fortsetzen wird. Nicht ausgeschlossen, dass es mittel- und langfristig einen Militärputsch der mächtigen Revolutionsgarden gibt oder dass das System irgendwann kollabiert. Sicher ist nur: Die Probleme des Irans bleiben nicht nur, sie werden größer", befindet die BERLINER MORGENPOST.
Abschließend zwei Kommentare zur Entscheidung des Londoner High Court im Fall Assange. Die Richter haben dem Berufungsantrag des Wikileaks-Gründers stattgegeben. Assange kann somit gegen eine Auslieferung an die USA klagen. Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG hebt hervor: "Die US-Justiz hat der britischen Justiz die erste Brücke gebaut und zugesichert, dass Assange natürlich keine Todesstrafe droht. Assange würde auch nicht wegen seiner Staatsbürgerschaft ungleich behandelt und könnte sichselbstverständlich auf die weitreichenden Rechte berufen, die durch die Meinungsfreiheit in den USA gedeckt sind. Das britische Gericht räumt Assange jetzt die Chance ein, sich zu diesen Garantien zu äußern – und darüber ein ordentliches Urteil einzufordern. Gerade beim Thema Meinungsfreiheit besteht mehr Klärungsbedarf", konstatiert die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG.
"Die am Montag zugelassene Berufung ist nicht mehr als eine Noch-nicht-vorbei-Entscheidung", meint ZEIT ONLINE. "Wenn das das beste Ergebnis ist, das man vor Gericht erzielen kann, spricht das Bände darüber, wie viele Niederlagen der Wikileaks-Gründer in den vergangenen Jahren vor britischen Gerichten hinnehmen musste." Das war zum Abschluss der Presseschau ein Kommentar von ZEIT ONLINE.