23. Mai 2024
Die Presseschau aus deutschen Zeitungen

Mit Stimmen zur angekündigften Anerkennung eines palästinensischen Staates durch mehrere europäische Regierungen und zu 75 Jahren Grundgesetz. Zunächst aber geht es um den AfD-Politiker Maximilian Krah.

23.05.2024
Porträt von Maximilian Krah
Thema in den Zeitungen: Der AfD-Spitzenkandidat für die Europawahl, Maximilian Krah (picture alliance / SvenSimon / Frank Hoermann / SVEN SIMON)
Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG schreibt mit Blick auf Krahs verharmlosende Aussagen zur SS: "Dass er damit seiner Partei zu weit gegangen ist, diesen Eindruck versuchen die AfD-Oberen nun zu erwecken – nicht aus tieferer Unrechtseinsicht, sondern allein, weil das Ganze halt nicht so gut aussieht von außen. Die Partei hat ihn ja selbst zu ihrem Europa-Spitzenmann gekürt – nicht trotz, sondern wegen seiner lange bekannten Gesinnung. Wie sein mit Nazi-Parolen hantierender Parteifreund Björn Höcke verkörpert er die pure Essenz einer im Kern rechtsextremen Partei. Wollte die AfD diesen Ruch wirklich loswerden, müsste sie sich zuerst von Krah trennen. Und von Höcke. Und von deren Anhängern. Also letztlich von sich selbst", folgert die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG.
Die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG blickt in diesem Zusammenhang nach Frankreich: "Marine Le Pen und ihr rechtsnationaler Rassemblement National haben der AfD wegen Krahs Verharmlosung der Kriegsverbrechertruppe SS in einem Interview die Freundschaft und die Fraktionsgemeinschaft im EU-Parlament aufgekündigt. Schon lange, auch wegen der 'Remigrations'-Pläne bei dem Potsdamer Treffen von AfD-Mitgliedern mit einem Kopf der Identitären, ist den französischen Rechtspopulisten die AfD zu (rechts)radikal. Darin steckt ironischerweise eine weitere Bestätigung für den Verfassungsschutz, die AfD als in Teilen gesichert rechtsextreme Partei einzuordnen", kommentiert die F.A.Z.
DIE TAGESZEITUNG hält fest: "Le Pen hat Ballast abgeworfen, c’est tout. Die europäische Rechte formiert sich neu. Sie versucht, außenpolitisch anschlussfähig zu werden – und sich innenpolitisch zu normalisieren. Nicht raus aus der EU, sondern die Union von innen umkrempeln, heißt die neue Devise. Das macht Europas Rechte nicht weniger gefährlich – eher im Gegenteil. In der Asyl- und Flüchtlingspolitik zeigt sich das schon jetzt. Denn da hat die EU die rechten Parolen weitgehend übernommen."
Die VOLKSSTIMME aus Magdeburg glaubt: "Logisch wäre ein Absturz der Partei: Allein der Wagenburg-Geist der AfD hat solche Rutsche meist verhindert."
Die AUGSBURGER ALLGEMEINE mahnt: "Die Gefahr, dass 75 Jahre nach Gründung der Bundesrepublik eine Partei als stärkste Kraft in die Parlamente einzieht, die in Teilen nicht auf dem Boden der Verfassung steht, ist damit allerdings nicht gebannt – im Gegenteil. Bei den Landtagswahlen im Osten Deutschlands treten AfD-Leute an, die zum harten, rechtsextremen Kern gehören – und deren Anhänger längst immun zu sein scheinen angesichts stets neuer Einträge in die endlose AfD-Affären-Liste."
Das Grundgesetz wird heute 75 Jahre alt. Aus diesem Anlass betont die LEIPZIGER VOLKSZEITUNG: "Eine Demokratie gut zu finden, wenn der Wohlstand stimmt, die Regierung geräuschlos arbeitet und das Land internationalen Einfluss hat, ist leicht. Der Stresstest ist jetzt. Weltweit erstarken Rechtsextremisten und Diktatoren. Die Ampel und Union müssen sich beeilen, zusätzlich die Unabhängigkeit des Bundesverfassungsgerichts im Grundgesetz zu verankern, um den Schutz vor Machtmissbrauch zumindest zu erhöhen. In den 2020er Jahren wird sich entscheiden, wie wehrhaft unsere Demokratie ist", so die LEIPZIGER VOLKSZEITUNG.
DIE GLOCKE aus Oelde stellt fest: "Es gibt allen Grund zum Verfassungspatriotismus: Dieses Grundgesetz ist ein Schatz, den wir hegen und pflegen müssen! In Abwandlung eines Zitats des früheren Staatsrechtlers Ernst-Wolfgang Böckenförde lebt das Grundgesetz von Voraussetzungen, die es selbst nicht garantieren kann. Dazu zählen Toleranz, die Bereitschaft zum Kompromiss und der Willen, sich an Regeln zu halten."
Die MITTELDEUTSCHE ZEITUNG aus Halle (Saale) kritisiert: "Es wurden Fehler gemacht, die auch 35 Jahre nach dem Mauerfall nicht aufgearbeitet sind. Das Fenster der Geschichte war so kurz geöffnet, dass für eine neue gemeinsame Verfassung keine Zeit war. Aber eine neue Nationalhymne für die Identifizierung mit dem gemeinsamen Glück über die Deutsche Einheit hätte schon entstehen dürfen. Der Leistung der Ostdeutschen für die Wende und den anschließenden Kränkungen durch westdeutsche Arroganz sollte mehr Beachtung geschenkt und die unterschiedlichen Lebenserfahrung in Ost und West als Bereicherung verstanden werden," moniert die MITTELDEUTSCHE ZEITUNG.
Die LAUSITZER RUNDSCHAU befindet: "Es gibt, zusammen mit der Wiedervereinigung, für unser Land nichts Größeres zu feiern als unsere Verfassung. Doch 53 Prozent der Befragten einer ARD-Studie sehen die Demokratie durch extreme politische Kräfte sehr stark oder stark bedroht. Es liegt an uns, etwas gegen diese Bedrohung zu tun. Das Grundgesetz macht das möglich, weil es freie und geheime Wahlen sichert. Schon in zwei Wochen können wir das bei den Kommunal- und Europawahlen mit unseren Stimmen wertschätzen. Im Gegensatz zu Diktaturen und Autokratien haben wir wirklich eine Wahl zwischen rechten und linken Parteien, großen und kleinen Gruppierungen, zwischen Politprominenten und engagierten Nobodys", erinnert die LAUSITZER RUNDSCHAU.
Die Regierungen aus Norwegen, Spanien und Irland haben angekündigt, einen palästinensischen Staat anzuerkennen. Die RHEIN-NECKAR-ZEITUNG stellt dazu fest: "Bei allem Verständnis für die Kritik an der israelischen Kriegsführung und der Besatzung: So entsteht kein Frieden. Schon der Haftbefehl gegen Netanjahu und Verteidigungsminister Galant, so er denn erlassen wird, erschwert jegliche künftige Annäherung. Die Anerkennung eines palästinensischen Staates bleibt eine unausgegorene Idee. Zurzeit ist niemand in der Lage, diesen Staat zu regieren. Hier wird Weltpolitik gemacht – gegen Juden, aber bei näherer Betrachtung auch gegen Palästinenser", findet die RHEIN-NECKAR-ZEITUNG.
Die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG unterstreicht: "Erzwingen lässt sich die Gründung eines palästinensischen Staates von außen nicht. Die Zweistaatenlösung ist nur denkbar, wenn beide Seiten über ihre Schatten springen. Vor dem Hintergrund des Krieges in Gaza scheint das vorerst undenkbar. Letztlich braucht es mutige Politiker, die sich der friedlichen Koexistenz der Völker verschreiben und nicht religiösen Eifer oder Nationalismus. Vor allem müssen auch die palästinensische Seite und deren Unterstützer das Existenzrecht Israels anerkennen; wer das Recht der Palästinenser auf einen Staat bekräftigt, müsste auch hier mehr Druck machen. Eine funktionierende Staatlichkeit gibt es bis dato in den palästinensischen Gebieten nicht – und wird es mit der Hamas wohl auch nicht geben", vermerkt die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG.
Der SÜDKURIER aus Konstanz hebt hervor: "Deutschland tut sich zu Recht schwer mit der Anerkennung Palästinas als eigenständigen Staat. Und doch liegen Norwegen, Spanien und die zahlreichen anderen Länder nicht so falsch. Die Zweistaatenlösung wurde schon bei der Gründung Israels geplant – gekommen ist sie nie. Wer dafür ist, muss auch den Palästinensern ein eigenes Land zugestehen. Nicht erst, wenn auch die rechteste israelische Regierung aller Zeiten dem zustimmt – also nie. Den Zeitpunkt, den die Länder für die Anerkennung gewählt haben, ist allerdings schon daneben. Er kommt daher wie eine Belohnung für den blutigen Überfall der Hamas auf Israel. Die wird das zu ihren Zwecken ausschlachten", ist im SÜDKURIER zu lesen.
Die FRANKFURTER RUNDSCHAU fragt: "Was soll mit den israelischen Siedlerinnen und Siedler geschehen, die einen erheblichen Teil des Westjordanlands als ihr heiliges Kernland okkupiert haben? Dürfen sie bleiben oder müssen sie weichen? Wie soll der Status von Ost-Jerusalem geklärt werden? Ob und wie soll die versprochene Rückkehr von palästinensischen Flüchtlingen aus den Nachbarstaaten wie Libanon oder Jordanien geregelt werden? Schließlich geht es hier um Millionen von Menschen. Irland, Spanien und Norwegen hätten sich also mit den USA und einigen Staaten aus dem Nahen Osten abstimmen sollen. Damit wäre ihr Vorstoß nicht nur überzeugender gewesen, er hätte auch wenigstens einen Hauch von einer Chance, erfolgreich zu sein."