
Die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG bemerkt: "Es ist ein merkwürdiges Argument, mit dem der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Klein, auf das ausländerfeindliche Gröl-Video aus Sylt reagiert hat: Die menschenfeindliche Ideologie sei in einem Milieu salonfähig geworden, 'dem klar sein müsste, dass Ausländer maßgeblich zu unserem Wohlstand beitragen'. Zunächst muss man fragen, wie Klein dieses Milieu definiert und woran er es zu erkennen glaubt. Schwerer wiegt, dass Klein den wirtschaftlichen Mehrwert anführt, den 'Ausländer' zu 'unserem' Wohlstand beitragen. Mit dem wirtschaftlichen Beitrag der 'Ausländer' zu argumentieren, desavouiert die Sonntagsreden, wonach aus den Arbeitseinwanderern der Fünfzigerjahre und ihren Nachfahren Mitbürger geworden sind, Menschen mit den gleichen Rechten und Pflichten. Wäre das wirklich so, müsste man diesen Nutzen wohl nicht eigens betonen", gibt die F.A.Z. zu bedenken.
Die Koblenzer RHEIN-ZEITUNG notiert: "Das alles legt offen, wovor Experten schon lange warnen: dass Rassismus, Antisemitismus und Fremdenhass tief in die Mitte der Gesellschaft eingesickert sind, dass dies kein Unterschichtenphänomen ist, sondern dass es vielmehr Menschen aus der Mittel- und Oberschicht sind, die diese rechtsextreme Verrohung vorantreiben. Was tun? Wer früh und intensiv in Kontakt mit Minderheiten und Migranten kommt, dürfte eher nicht dazu neigen, sich so hasserfüllt und hemmungslos wie die Sylter Edelnazis zu äußern", so die Meinung der Koblenzer RHEIN-ZEITUNG.
Der SÜDKURIER aus Konstanz hält fest: "Umso erstaunlicher, dass nur die Aktion in Sylt so einen Wirbel macht. Liegt es daran, dass die andere in Vorpommern war? Dass man hier die so bequeme Denkfigur des Nazi-Ossis bemühen konnte? Man kann die unterschiedliche Reaktion nur mit dieser riesigen Naivität erklären. Sie ist umso erstaunlicher, weil gerade Rechte im bürgerlichen Kostüm seit Jahren unsere Freiheit bekämpfen. Remigrations-Vordenker Martin Sellner versucht für seine Identitäre Bewegung seit jeher gerade Studenten zu rekrutieren. Es gibt ja sogar das exakte politische Gegenstück zur Sylter Sause: Maximilian Krah. Der wird zwar nur noch als Witzfigur dargestellt. Aber hinter dem Champagner-Populismus des AfD-Europa-Spitzenkandidaten steckt politisches Kalkül. Hedonismus und Hetze – das Sylt-Video zeigt: Eine Zielgruppe ist vorhanden", meint der SÜDKURIER aus Konstanz.
Zum selben Thema schreibt die SÜDWEST-PRESSE aus Ulm: "Die Szenen 'triggern' Deutschland vor allem deshalb so sehr, weil sie beweisen, wie salonfähig ein neuer Typus von Lifestyle-Rechtsextremismus geworden ist - und wie erfolgreich die Strategien seiner Strippenzieher sind. Hier geht die Saat einer PR-Strategie der neuen Rechten auf, gegen die die demokratische Mitte noch kein Mittel findet: AfD-Influencer, die ihre Parolen auf Tiktok als 'cool' verkaufen, rechte Podcasts, die bei Jugendlichen zum Trend werden. Es ist ein Rechtsextremismus im ironischen Gewand, Meme-fähig und in schmackhafte Häppchen verpackt für die Konsumgewohnheiten der Netz-Bewohner", folgert die Ulmer SÜDWEST-PRESSE.
Das STRAUBINGER TAGBLATT betont: "Klar: Bildung, Prävention, Demokratieförderung – all das ist wichtig. Doch es kommt auf jeden Einzelnen an. Auf Eltern und Lehrer, Freunde, Klassen- und Vereinskameraden, Arbeitskollegen oder Chefs. Wer auf Widerspruch stößt, sich ins Abseits stellt, sein Gesicht verliert und gar um seinen Job bangen muss, dem kommen rechtsextreme Parolen nicht so flink über die Lippen", so die Meinung des STRAUBINGER TAGBLATTS.
Die FRANKFURTER RUNDSCHAU blickt auf die Debatte über die Waffensysteme für die Ukraine und ihre Verwendung: "Es würde den Ukrainerinnen und Ukrainern sicher helfen, wenn sie mit westlichen Waffensystemen auch Ziele in Russland angreifen dürften - etwa deren Armee, wenn sie an der Grenze zur Ukraine aufmarschiert. All das wissen die Verantwortlichen in den Hauptstädten der Verbündeten. Doch alle haben unterschiedliche Gründe, weshalb sie gerade nicht liefern können. Das Ergebnis ist ein verlustreicher Stellungskrieg, den nur der russische Autokrat Wladimir Putin für seine Ziele zu nutzen weiß", folgert die FRANKFURTER RUNDSCHAU.
Ähnlich sieht es die TAZ: "Die westliche Zurückhaltung erlaubt Moskau, Ängste zu schüren. Ein Einsatz westlicher Waffen gegen russisches Gebiet würde einen dritten Weltkrieg bedeuten, heißt es. Wäre das ernst zu nehmen, würde es auch für ukrainische Angriffe auf der Krim und im Donbass gelten, die Russland als sein Staatsgebiet betrachtet. Tut es aber nicht. Russland weiß nämlich ganz genau: Bei einem ernsthaften Militärschlag auf seine gesamten Angriffskapazitäten wäre der Krieg in der Ukraine im Handumdrehen vorbei, und zwar mit einer russischen Niederlage. Das wissen auch Joe Biden und Olaf Scholz. Ihr Zögern zieht den Krieg in die Länge", kritisiert die TAZ.
Und die LAUSITZER RUNDSCHAU aus Cottbus hält fest: "Teilweise werfen die Russen Gleitbomben noch über ihrem Territorium ab. Die ukrainische Zivilbevölkerung vor diesen zu schützen, das ginge also nur, wenn die russischen Flugzeuge überhaupt am Abheben gehindert würden – und das geht eben nur mit dem Einsatz der gelieferten Waffen hinter der ukrainischen Grenze. Anders als Russland, das Buchdruckereien oder Baumärkte attackiert, würde die Ukraine die 'Erlaubnis' wohl kaum missbrauchen. Denn die Konsequenz wäre glasklar: Die Unterstützung des Westens würde sofort schwinden", vermutet die LAUSITZER RUNDSCHAU.
Diese Haltung vertritt auch die LEIPZIGER VOLKSZEITUNG: "Um den Krieg nicht zu verlieren, braucht die Ukraine dringend jede Hilfe, die der Westen bieten kann. Dazu gehört auch die Erlaubnis, westliche Waffen gegen militärische Ziele in Russland einzusetzen. Das ist das gute Recht der Ukraine als angegriffener Staat. Die jüngste Forderung des Grünen-Bundestagsabgeordneten Anton Hofreiter, diese Einschränkung aufzuheben, und etwa die Abwehr russischer Kampfjets schon im russischen Luftraum zu gestatten, ist deshalb vernünftig", findet die LEIPZIGER VOLKSZEITUNG.
Die BERLINER MORGENPOST blickt auf den Besuch von Frankreichs Präsident Macron in Deutschland: "Die Polit-Lyrik der bilateralen Harmonie kann nicht darüber hinwegtäuschen: In zentralen Fragen ziehen Macron und Bundeskanzler Scholz nicht an einem Strang. Wenn Russland von künftigen Aggressionen abgehalten werden soll, ist die Geschlossenheit des Westens unverzichtbar. Scholz und Macron müssen ihren strategischen Schulterschluss inhaltlich sichtbarer machen. Deutsch-französische Festspiele allein reichen dabei nicht", so das Urteil der BERLINER MORGENPOST.
"Scholz stellt sich stumm", titelt die PASSAUER NEUE PRESSE und fährt fort: "Man stelle sich folgende Situation vor: Bundeskanzler Olaf Scholz hält eine bewegende Rede in der französischen Nationalversammlung, und zwar fast komplett auf Französisch. Umgekehrt ist genau das passiert, bei der Trauerfeier für Wolfgang Schäuble im Bundestag. Emmanuel Macron war einer der Hauptredner. Gut, man kann einwenden, Scholz spricht schon auf Deutsch nicht so gerne. Dazu ist leider zu sagen: Es grenzt schon fast an Unvernunft, wie er den Franzosen abkanzelt. Macrons Deutschlandreise strotzt nur so von bedeutungsschweren Bezügen. Was fehlt, ist ein Programmpunkt mit Scholz. Heute will Macron in Dresden übrigens vor Tausenden eine Rede an die europäische Jugend halten. Auf Deutsch, wie man hört. Kommt bestimmt gut an", meint die PASSAUER NEUE PRESSE, mit der diese Presseschau endet.