01. Juni 2024
Die Presseschau aus deutschen Zeitungen

Thema in den Kommentarspalten ist das Urteil gegen den früheren US-Präsidenten Trump sowie der Katholikentag in Erfurt. Zunächst geht es aber um die Entscheidung der Bundesregierung, der Ukraine den Einsatz deutscher Waffen auch gegen Ziele im russischen Grenzgebiet zu erlauben.

Ukraine, Charkiw: Wolodymyr Selenskyj (M), Präsident der Ukraine, Olexander Syrskyj (r), Oberbefehlshaber der ukrainischen Truppen, und Roman Maschowez, stellvertretender Leiter des Präsidialamtes, betrachten eine Landkarte während ihres Besuchs in der Frontstadt in der Region Charkiw.
Thema in den Kommentarspalten: Die Ukraine bekommt die Erlaubnis mit deutschen Waffen - unter bestimmten Umständen - auch Ziele in Russland anzugreifen. (Efrem Lukatsky/AP/dpa)
"Richtig so", urteilt die STUTTGARTER ZEITUNG: "Die Ukraine wird rund um Charkiw aus unmittelbarer Nähe attackiert – von russischem Gebiet aus. Ihr zu verbieten, sich mit den gelieferten Waffen dagegen zu wehren, wäre ein Fehler. Als hätte jemand David im Kampf gegen Goliath eine Schleuder in die Hand gedrückt, ihm aber verboten, sie auch tatsächlich zu benutzen. Dass die überfallene Ukraine sich auch auf russischem Territorium gegen den Aggressor Wladimir Putin wehrt, steht ihr vom Völkerrecht her zu."
"Der Kurswechsel hat auch mit der Entwicklung des Krieges zu tun", analysiert die AUGSBURGER ALLGEMEINE: "Russland greift die Ukraine vom eigenen Staatsgebiet aus an, für eine effektive Abwehr sind die Reaktionszeiten zu kurz. In der Logik des Militärs können diese Angriffe nur unterbunden werden, indem die russischen Stellungen zerstört werden. Deutschland wird auch durch die neuen Entwicklungen rechtlich nicht zur Kriegspartei. Und es ist richtig, dass der Kanzler, wie bislang, abgestimmt mit den Amerikanern handelt. Seine Sorge aber, dass das Land und die NATO Stück für Stück weiter in den Krieg hineingezogen werden, ist nicht von der Hand zu weisen", vermerkt die AUGSBURGER ALLGEMEINE.
"Der Schwenk in der deutschen Ukraine-Politik ist gar nicht zu überschätzen", betont die MÄRKISCHE ODERZEITUNG aus Frankfurt/Oder und führt aus: "Er bedeutet nichts anderes als eine Abkehr von der bisherigen Haltung des Kanzlers: keine deutschen Waffen auf russisches Gebiet! Allerdings kann die zwei Jahre lang gehegte Sorge nun Realität werden: dass zum ersten Mal seit dem Zweiten Weltkrieg deutsche Waffen auf russischem Boden einschlagen, im schlimmsten Fall versehentlich in Wohngebiete. Dann würde ein Krieg der Bilder beginnen. Und am Beispiel Israels kann man gut sehen, dass es dabei nicht mehr darauf ankommt, wer den Krieg begonnen hat, sondern wer durch die Macht der Bilder die Welt wirksamer von seiner Sicht der Dinge überzeugen kann", ist in der MÄRKISCHEN ODERZEITUNG zu lesen.
Dieser Politikwechsel kommt nach Ansicht von ZEIT ONLINE spät, und er ist nicht weitreichend genug: "Dennoch, die Feststellung ist angebracht: Danke, Olaf Scholz! Der Bundeskanzler handelt sich mit dieser Wende nämlich eine erhebliche Komplikation seines Friedens-Wahlkampfs ein. Er macht sich kurz vor der Europawahl angreifbar von links- und rechtspopulistischen 'Friedensfreunden'. Und schließlich wird Olaf Scholz in seiner eigenen Partei, die längst müde von der Zeitenwende ist, kaum Begeisterung auslösen."
Aus Sicht der LEIPZIGER VOLKSZEITUNG überzeugt Scholz‘ jüngste Volte nicht: "Das beginnt bei den Formalitäten. Es ist Regierungssprecher Steffen Hebestreit, der den Kurswechsel verkündet, nicht der Kanzler selbst. Offenkundig will der als Urheber abtauchen: Der Sozialdemokrat schielt mit einem Auge auf das eigene Wählerklientel mit seinen bisweilen diffusen Friedenssehnsüchten. Das sollte er sich angesichts der Tragweite dieses Krieges nicht leisten."
Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG bemerkt: "Den Menschen will sich Scholz sowohl als Unterstützer der Ukraine als auch als Bewahrer des Friedens für Deutschland präsentieren. Das Resultat ist auf den Plakaten zur Europawahl mit ihrer Inszenierung als Friedenskanzler zu besichtigen. Den Widerspruch, der darin liegt, könnte Scholz seiner eigenen Zeitenwende-Rede entnehmen, die von der Erkenntnis getragen war, dass das Schicksal Europas sich nicht von dem der Ukraine trennen lässt. Kriegt er die Ukraine, wird Putin Europa nicht in Frieden lassen. Auch wenn das Gegenteil die Lüge ist, die die Höckes und Wagenknechts die Menschen glauben machen wollen", ist die Meinung der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG.
Themenwechsel: Zum Urteil gegen den früheren US-Präsidenten Trump notieren die BADISCHEN NEUESTEN NACHRICHTEN aus Karlsruhe: "Ein geschichtsträchtiges Urteil in einem historischen Prozess. Die Jury im Schweigegeld-Prozess von New York befand Donald Trump nach nur kurzer Beratung für schuldig in allen 34 Anklagepunkten. Und das zu Recht. Der gesunde Menschenverstand hat kein anderes Urteil als dieses zugelassen."
Die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG zeigt sich irritiert über die Reaktionen republikanischer Politiker auf das Urteil: "Die Republikaner verstanden sich immer als die Partei von Recht und Ordnung. Nun sprechen Leute wie Jim Jordan, Vorsitzender des Justizausschusses im Repräsentantenhaus, von einem Hohn auf die Gerechtigkeit. Man kann das alles mit dem Wahlkampf erklären; diese Politiker haben auch ihre eigenen Wahlergebnisse vor Augen. Trotzdem ist es erschreckend, wie die einst konservative Partei sich der Logik des Populismus ergeben hat: Eine Wahl ist nur korrekt, wenn Trump sie gewinnt, ein Gerichtsprozess ist nur fair, wenn er freigesprochen wird. Dass diese Rhetorik nicht ohne Folgen bleibt, weiß Amerika seit dem Sturm auf den Kongress. Aber offenbar hat es nicht genug daraus gelernt", befindet die F.A.Z.
Die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG befürchtet: "Diese Versuche, die Autorität der Gerichte abzuwerten, werden im US-Wahlkampf zunehmen. Nun kommt es nicht auf irgendwelche Eliten, sondern auf alle Amerikaner an, und zwar unabhängig davon, ob sie bei der Präsidentschaftswahl nun Republikaner oder Demokraten wählen. Gelten ihr Vertrauen und ihre Loyalität im Zweifelsfall der unabhängigen Justiz oder denen, die diese Justiz zur Farce erklären? Von der Antwort auf diese Frage hängt die Zukunft Amerikas ab."
In Erfurt findet noch bis morgen der 103. Deutsche Katholikentag statt. DER TAGESSPIEGEL erkennt einen schleichenden Bedeutungsverlust: "Das Treffen ist schon erheblich kleiner als die in früheren Zeiten. 20.000 Besucher werden erwartet. Was viel klingt, ist doch ein Alarmzeichen. Das Programm zum Beispiel wurde von zuletzt 1.200 Veranstaltungen auf 500 zusammengestrichen. Und das will die katholische Kirche weiter erleiden, anstatt endlich die Zukunft zu gestalten? Überall wächst die Ungeduld, ganz besonders bei den Frauen. Wo die doch das System Kirche tragen. Nur werden sie nicht so gesehen und gefördert, wie es ihrer Bedeutung entspräche", bemängelt DER TAGESSPIEGEL aus Berlin.
Auch die GLOCKE aus Oelde sorgt sich um die Relevanz des Katholikentages, kommt aber zu einem anderen Schluss: "Das organisierende Zentralkomitee der Deutschen Katholiken macht aus der Veranstaltung in Erfurt ein Hochfest linken Zeitgeistes. Zwar wird schon bei der Eröffnungsveranstaltung von 'Demokratie und Vielfalt' schwadroniert, tatsächlich aber herrscht Einfalt der Gesinnung. Ein Blick ins 270-seitige Programm ist erhellend: 'Der Leib Christi ist queer' heißt eine Veranstaltung, 'Ave Vulva' eine andere. Zu wünschen wäre künftigen Katholikentagen eine Abkehr von der Diktatur des Zeitgeistes, eine Hinwendung zurück zu den Ursprüngen", erklärt die GLOCKE aus Oelde.
Der MÜNCHNER MERKUR sieht es so: "Auch unter den Gläubigen gibt es diesen Riss zwischen jenen, die Reformen fordern, und jenen, die an traditionellen Werten und Strukturen festhalten wollen. Es ist also nicht nur eine Debatte zwischen der Institution und ihren Mitgliedern. Dass das starre Festhalten kaum zielführend sein kann, zeigen doch aber die erosionsartigen Austrittwellen der vergangenen Jahre. Die Kirche muss raus aus dem Abseits und mitten im Leben des 21. Jahrhunderts ankommen. Der zunehmende Bedeutungsverlust ist alarmierend – für uns alle. Eine Welt ohne Kirche ist keine Lösung. Eine starke Kirchengemeinschaft, die Nächstenliebe und den Glauben an das Gute vertritt, kann ein dringend benötigtes Gegengewicht zu allen beängstigenden Entwicklungen in der Welt darstellen", glaubt der MÜNCHNER MERKUR zum Ende der Presseschau.