05. Juni 2024
Die Presseschau aus deutschen Zeitungen

Kommentiert wird der Ausgang der Parlamentswahl in Indien sowie der von der Unionsfraktion beantragte Untersuchungsausschuss zur Abschaltung der letzten Atomkraftwerke. Zunächst geht es aber um den Messerangriff in Mannheim und die politische Debatte über Abschiebungen von ausländischen Straftätern und Gefährdern.

Ein Abschiebeflugzeug hebt ab, im Vordergrund ein Stacheldrahtzaun.
Nach dem tödlichen Messerangriff in Mannheim gibt es eine politische Debatte über Abschiebungen von Straftätern nach Afghanistan. (picture alliance / Daniel Kubirs )
Die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG hält fest: "Sogar aus der SPD kommt jetzt die Forderung, den noch von CSU-Innenminister Seehofer verhängten Abschiebestopp nach Afghanistan zu überdenken. Es ist stets problematisch, aus einem Einzelfall eine allgemeine Regel zu entwickeln. Wenn aber der Fall ein Exempel ist, das für vieles steht, das nun wieder ins Licht gerückt wird, dann sollten auch die Maßstäbe für Politik wieder überprüft werden. Die offenbar religiös motivierte Tat in Mannheim gilt als geeignet, die innere Sicherheit Deutschlands zu gefährden. Dazu gehört die Frage, wer hier wie lange wovor Schutz suchen darf. Kriegerische Auseinandersetzungen und eine schwierige Sicherheitslage in einem Herkunftsland sind nicht per se ein Grund für Schutzgewährung und auch pauschal kein Grund, jemanden nicht zurückzuführen", findet die F.A.Z.
Auch der REUTLINGER GENERAL-ANZEIGER begrüßt den Vorstoß: "Deutschland muss ein offenes Land bleiben für Menschen, die auf der Flucht vor Gewalt und Repressalien sind oder vertrieben werden. Das geht aber nur, wenn jene, die sich nicht an die Regeln hier halten, konsequent bestraft werden. Wenn die regierenden Parteien das nicht schaffen, stärken sie durch ihr Nicht-Tun nur die extreme Rechte."
"Die Debatte ist nicht neu", bemerkt das HANDELSBLATT: "Sie wird jetzt nur wieder neu und auch mit besonderer Schärfe geführt, weil der Täter, der bei der Attacke in Baden-Württemberg einen Polizisten getötet hat, aus Afghanistan stammt. Die Tat ist verabscheuungswürdig – keine Frage. Und es ist auch richtig, über Konsequenzen nachzudenken. Nur, reflexhafte Politik allerdings hilft nicht weiter. Was Politiker landauf und landab jetzt alles so sagen und fordern, ist oft billigem Wahlkampfkalkül geschuldet."
"Rechtsstaatliche Grundsätze gelten auch im Umgang mit den Gegnern unserer Verfassung", erinnert die FREIE PRESSE aus Chemnitz: "Das ist nicht verhandelbar, denn genau darin liegen Würde und Überlegenheit unserer Gesellschaftsordnung. Das bedeutet auch, dass wir niemanden abschieben, wenn ihm Folter oder Todesstrafe oder anderweitig Gefahr für Leib und Leben drohen. Und das bedeutet auch, dass jeder das Recht hat, Rechtsakte, von denen er oder sie betroffen ist, gerichtlich überprüfen zu lassen."
Die RHEIN-ZEITUNG aus Koblenz vermerkt: "Schon bei deutlich zivilisierteren Regimes als den in Kabul herrschenden Steinzeit-Islamisten sind Abschiebungen in jedem Einzelfall ein sehr teures Geduldsspiel. Wir haben dafür weder Zeit noch Personal noch Geld. Wer den Bürgern etwas anderes weismachen will, belügt sie. Kontrolle – nur um sie muss es gehen – gewinnt der Staat an anderen Stellen. Zuerst an seinen Grenzen. Man darf weiterhin nicht pauschalisieren, aber man darf sich auch nicht wundern, wenn aus seit 2015 diskutierten Gründen neben Hilfsbedürftigen und Integrationswilligen auch Fanatiker und Verbrecher ins Land kommen", schreibt die RHEIN-ZEITUNG.
"Sicherheitsprobleme wie Islamismus lassen sich nicht abschieben", argumentiert die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG: "Nur weil einzelne radikale Menschen nicht mehr in Deutschland sind, ist die Ideologie nicht weg. Seit Jahren warnen Experten vor Radikalisierung im Netz und fordern mehr Präventions- und Bildungsarbeit. Wenn Politiker sich einseitig auf die Forderung nach härteren Abschiebungen versteifen, zeigt das nur, dass sie nicht verstanden haben, wie umfassend das Problem des radikalen Islams ist."
Themenwechsel: Die Unionsfraktion im Bundestag will einen Untersuchungsausschuss zur Abschaltung der letzten drei Atomkraftwerke in Deutschland einsetzen. Die RHEIN-NECKAR-ZEITUNG erläutert: "Der Vorwurf: In Robert Habecks Wirtschaftsministerium sitzen lauter ideologisch motivierte Umweltschützer, denen das Ziel des Atomausstieges wichtiger war, als die Versorgungssicherheit. Ja, sie hätten sogar einen Blackout in Kauf genommen. Im Konjunktiv steckt die Tücke: Sie hätten. Sie haben aber nicht. Denn die Abschaltung der letzten drei Atommeiler hatte keinerlei negative Folgen auf die Versorgung mit Strom. Das Ziel ist für CDU und CSU aber eben nicht der Bericht, sondern die fortlaufende Berichterstattung in den Medien", befindet die RHEIN-NECKAR-ZEITUNG aus Heidelberg.
Der KÖLNER STADT-ANZEIGER hält fest: "Es ist eine gute Idee, die Energiepolitik der letzten Jahre einmal kritisch auf Fehlentscheidungen zu untersuchen. Um Atomkraft könnte es gehen, ja, aber auch um den Niedergang der hiesigen Solarindustrie und die Abhängigkeit von Putins Gas. Leider hat die CDU/CSU-Spitze eine solche Aufarbeitung genau nicht im Sinn. Deutschland geriet nach Kriegsausbruch zwar in die Klemme – aber nicht, weil drei AKW aufhörten, ihre sechs Prozent Stromanteil zu liefern. Sondern weil mehrere CDU-Regierungen das Land abhängig vom Russengas gemacht hatte. Ein Ausschuss zur Gaspipeline Nordstream 2 wäre lohnenswert. Die CDU kann von Glück sagen, dass die SPD selbst knietief in diesem Sumpf steckt – und Grüne und FDP den Koalitionsfrieden nicht dieser Aufarbeitung opfern", konstatiert der KÖLNER STADT-ANZEIGER.
Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG wendet ein: "Selbst wenn mit der Einrichtung eines solchen Ausschusses natürlich immer auch der Versuch einer Profilierung verbunden ist: Erstens ist es das gute Recht gerade der Opposition, ihn zu fordern. Zweitens kann auch dieser Untersuchungsausschuss die ein oder andere Entscheidung aus jener Zeit, als es in Sachen Energiekrise hoch herging, nachvollziehbarer machen – in beiderlei Richtung. Und drittens sollte man die Wahlkampftauglichkeit dieses parlamentarischen Langzeitprojekts ohnehin nicht überschätzen. Lasst sie also ruhig mal machen."
Die VOLKSSTIMME aus Magdeburg befasst sich mit dem Ausgang der Parlamentswahl in Indien und bilanziert: "Indien als bevölkerungsreichstem Land der Welt ist es einmal mehr gelungen, demokratische Wahlen über die Bühne zu bringen. Das Ergebnis ist eine faustdicke Überraschung: Der erwartete Durchmarsch der Hindu-Partei hat nicht stattgefunden. Dennoch dürfte Premierminister Narendra Modi an der Macht bleiben. Er wird seinen Kurs, aus dem Subkontinent ein reines Hindustan zu machen, den Umständen anpassen und fortsetzen", prognostiziert die VOLKSSTIMME.
ND.DER TAG begrüßt den Ausgang der Wahl: "Das Ergebnis sendet nach innen und in die Welt die Botschaft, dass bedrängte Minderheiten und kritische Zivilgesellschaft sich vereint gegen einen Kurs von Modi stellen, der das Land zuletzt immer mehr spaltete. Es ist ein Protest gegen Angriffe auf unabhängige Medien, namhafte Menschenrechtsaktivist*innen und viele andere Kräfte, die aus Sicht der hindu-nationalistischen BJP-Hardliner und ihrer radikalen Verbündeten nicht ins Weltbild des von ihnen propagierten Hindu-Staates passen", erklärt ND.DER TAG.
In der LAUSITZER RUNDSCHAU ist zu lesen: "Narendra Modis Politik hat das Land wirtschaftlich enorm nach vorn gebracht und Millionen Menschen aus der Armut geholt. Aber sein Selbstbild als Führer einer Hindu-Nation, der religiöse Minderheiten diffamiert und gegen politische Gegner zunehmend autoritär vorgeht, ist auch für Deutschland ein Problem. Denn lange Jahre hatte man sich der Hoffnung hingegeben, mit Indien auf ein regionales – und demokratisches – Gegengewicht zum immer stärker werdenden Nachbarn China setzen zu können. Auch wenn Modi bei der Parlamentswahl der erwartete Erdrutschsieg verwehrt blieb, wird er wohl weiter regieren können. Immerhin zeigt das unerwartet gute Abschneiden der Opposition, dass die Demokratie in Indien trotz aller Unkenrufe noch nicht verloren ist." Wir zitierten zum Abschuss der Presseschau die LAUSITZER RUNDSCHAU aus Cottbus.