29. Juni 2024
Die Presseschau aus deutschen Zeitungen

Vorherrschendes Thema ist das TV-Duell in den USA zwischen Präsident Biden und seinem Herausforderer Trump. Aber auch der EU-Gipfel mit seinen Personalentscheidungen wird kommentiert.

Biden steht vor dem blauen CNN-Hintergrund und schaut etwas betreten.
28.06.2024, USA, Atlanta: US-Präsident Joe Biden verlässt bei der Präsidentschaftsdebatte mit dem republikanischen Präsidentschaftskandidaten Trumpwährend einer Werbepause die Bühne . (Gerald Herbert / AP / dpa)
Die FREIE PRESSE aus Chemitz schreibt zum TV-Duell: "Mit wächsernem Gesicht und leerem Blick hatte Biden das Podium im CNN-Studio in Atlanta betreten. Seine Stimme klang heiser und nuschelig, seine Bewegungen wirkten verlangsamt. Schon nach zehn Minuten verlor er bei einer Antwort komplett den Faden und stammelte irgendetwas von Covid und Medicare. Auch inhaltlich geriet der Präsident rasch in die Defensive. Trump hingegen war gut aufgeräumt und einigermaßen beherrscht. Rasch zog er die Gesprächsführung an sich und fabulierte, was er wollte", bilanziert die FREIE PRESSE.
Der REUTLINGER GENERALANZEIGER spricht von einem "Desaster mit Ansage": "Der 81-jährige US-Präsident verhaspelt sich mehrfach beim TV-Duell mit seinem Herausforderer und Vorgänger, dem nur zwei Jahre jüngeren Donald Trump. Er wirkt senil und nicht wie jemand, der das mächtigste Amt der Welt ausfüllen kann. Es ist keine neue medizinische Erkenntnis, dass Menschen über 80 Jahren stärkere und schwächere Tage haben. Doch es geht nicht um die Einsicht, dass Biden nachts nicht mehr selbst Autofahren soll. Wenn man Atomwaffen befehligt, sollte man jedoch besser keine schlechten Tage haben. Bei den Demokraten stellt sich nun die Frage, ob sich ein Königsmörder findet. Ob jemand bereit ist, Biden zu sagen, dass er sich aus gesundheitlichen Gründen gesichtswahrend zurückziehen soll", findet der REUTLINGER GENERALANZEIGER.
Die LUDWIGSBURGER KREISZEITUNG nennt es ein "bemitleidenswertes Bild", das Biden abgegeben hat. "Doch Mitleid ist das Letzte, was die Amerikaner mit ihrem Präsidenten haben wollen. Sie sehnen sich nach einem starken Anführer, zu dem sie aufblicken können. Nach jemandem wie Trump? Mag sein, dass Biden das Duell krachend verloren hat. Das heißt jedoch nicht, dass Trump gewonnen hat. Der selbstverliebte Dröhner und Prahler, der es mit der Wahrheit nicht genau nimmt, hat seinen Anhängern geliefert, was sie erwartet haben. Er hat keine Sympathiepunkte bei Unentschlossenen gesammelt, während der Amtsinhaber sich massiv selbst geschadet hat. Seine Partei ist im Schockzustand", notiert die LUDWIGSBURGER KREISZEITUNG.
Die AUGSBURGER ALLGEMEINE prophezeit: "Nach diesem alarmierenden Abend kann man sich nicht vorstellen, wie Biden die Stimmung in den vier Monaten bis zur Wahl noch drehen soll. Damit geraten die Demokraten in eine fatale Lage: Eigentlich ist es zu spät, den Kandidaten für das Weiße Haus noch auszutauschen. Das ginge leichter, wenn Biden verzichtet. Doch der Mann, der sein ganzes Leben in der Politik verbracht hat, will nicht lockerlassen. Zudem würde im Falle seines Abgangs Vizepräsidentin Kamala Harris ihre Ansprüche anmelden. Die aber ist noch unbeliebter als der Präsident."
Die OM-MEDIEN aus Vechta sind überzeugt: "Wenn es den Demokraten ernst ist, dann müssen sie jetzt den entscheidenden Schritt tun und Joe Biden aus dem Rennen nehmen. Natürlich wäre es ein Wagnis, so kurz vor der Wahl mit einem möglicherweise kaum bekannten Team an den Start zu gehen. Auf der anderen Seite aber könnten die Demokraten mit diesem Schritt jene Wähler gewinnen, die weder überzeugte Demokraten noch 100-prozentige Trump-Gegner oder Biden-Fans sind. Bleibt zu hoffen, dass es in der Partei genügend Menschen gibt, um die jetzt auftretende interne Panik in die richtigen Bahnen zu lenken. Vielleicht aber erkennt Biden selbst, dass er inzwischen für das Amt ungeeignet ist, wenn man ihm oft genug das Video des TV-Duells zeigt", glauben die OM-MEDIEN.
Das STRAUBINGER TAGBLATT stellt fest: "Beharrt Biden auf seiner Kandidatur – und danach sieht es im Moment aus –, bleibt den Demokraten nur, sich weiter hinter ihrem Mann zu versammeln und ihn nach Kräften zu unterstützen. Dann heißt es, bei PR-Beratung und Coaching noch einmal kräftig nachzulegen. Diesen Wahlkampf werden weniger die Inhalte als das Image zweier alter Männer entscheiden. Im März hatte Joe Biden mit seiner Rede an die Nation noch einen starken Auftritt hingelegt. Beim TV-Duell jedoch versagten ihm die Kräfte. Passiert ihm das noch einmal, ist die Präsidentschaftskandidatur für ihn gelaufen."
Der TAGESSPIEGEL aus Berlin bezeichnet die Fernseh-Debatte als einen "Alptraum für Amerika – aber ebenso für Deutschland und Europa." "Sie demaskierte schonungslos, auf welche unerträgliche Alternative die USA zusteuern: die Wahl zwischen einem kraftlosen Greis und einem notorischen Lügner. Der Sieger dieses Duells war Donald Trump. Nicht aus eigener Stärke. Sondern weil da kein Gegner auf der Bühne stand, der energisch gegenhalten konnte. Dabei bot Trump viele Angriffsflächen, ein anderer Gegner hätte ihn wohl rhetorisch in Stücke gerissen. Und wäre entscheidend, wer die besseren Sachargumente hatte, wäre selbst dieser altersschwache Biden der Debattensieger. Doch der optische Eindruck machte ihn zum klaren Verlierer", resümiert der TAGESSPIEGEL.
Und die BADISCHE ZEITUNG aus Freiburg ist sich sicher: "Ab sofort ist Trump der Favorit, trotz bizarrer Falschaussagen, trotz der Weigerung zuzusichern, die Wahl am 5. November auch im Fall seiner Niederlage anzuerkennen. Die Gefahr für die Demokratie in den USA durch Trump, die Biden beschwört, war real – und sie ist nun größer geworden. Über der westlichen Staatengemeinschaft, die bereits unter globalen Krisen ächzt, braut sich weiteres Unheil zusammen." Soweit die BADISCHE ZEITUNG und soviel zum TV-Duell in den USA.
Die TAZ aus Berlin beschäftigt sich mit dem EU-Gipfel in Brüssel und seinen Personalentscheidungen: "Der Postenpoker für das EU-Spitzenpersonal ist abgeräumt. Das ist die gute Nachricht rund drei Wochen nach den EU-Wahlen. Mit Ursula von der Leyen als neuer oder besser weiterhin amtierender EU-Kommissionspräsidentin, Kaja Kallas als EU-Außenbeauftragter und António Costa als EU-Ratspräsidenten bekommen EVP, Sozialdemokraten und Liberale ihre Wunschkonstellation von den EU-Mitgliedstaaten bescheinigt. Insbesondere die Personalie Kallas ist klug gewählt. Sie zeigt nicht nur klare Kante gegen den russischen Präsidentin Putin, sondern ist versiert auf dem diplomatischen Parkett. Ob sie die gleiche Expertise aufweist in den Auseinandersetzungen mit China oder beim Thema Migration, wird sie erst noch unter Beweis stellen müssen", gibt die TAZ zu bedenken.
Die RHEINISCHE POST aus Düsseldorf konstatiert: "Die überraschend schnelle und überragend deutliche Neuordnung der EU-Spitze ist ein starkes Signal: Niemand sollte dieses Friedensprojekt EU abschreiben. Noch lange nicht. Ursula von der Leyen muss nun das Kunststück fertigbringen, sich die nötige Unterstützung in der demokratischen Mitte zu sichern, ohne es sich durch ein Zugehen auf die Grünen bei den Konservativen zu verscherzen oder durch eine Öffnung für die wählergewollte Stärkung der Rechtspopulisten mit den Sozialdemokraten. Aber das muss sie hinkriegen, wenn sie die Richtige ist. Schließlich wird sie auch eine postfaschistische Giorgia Meloni durch Einbindung auf EU-Kurs halten, die Wettbewerbsfähigkeit mit dem klimafreundlichen Umbau und die Verteidigungsfähigkeit mit den knappen Finanzen zusammenbringen müssen", bemerkt die RHEINISCHE POST.
Und die FRANKFURTER RUNDSCHAU hält fest: "Das designierte Führungstrio der Europäischen Union hat mit dem Votum des Europäischen Rats den ersten Schritt erstaunlich geräuschlos gemacht, verglichen mit den Querelen bei der letzten Wahl. Es wäre auch hilfreich, wenn das informelle Bündnis aus der konservativen Parteienfamilie EVP, den Sozialdemokraten und Liberalen im EU-Parlament 'Ja' sagt zur der Dreierspitze. Die Allianz könnte ein erstes Zeichen setzen, um den Einfluss der erstarkten Rechtspopulisten und Rechtsextremen im Plenum möglichst gering zu halten."