27. August 2024
Die Presseschau aus deutschen Zeitungen

Das sind die Themen: Belarus hat nach Angaben von Kiew Truppen an der Grenze zur Ukraine zusammengezogen. CSU-Chef Söder lehnt eine schwarz-grüne Koalition auf Bundesebene kategorisch ab. Und der Terroranschlag in Solingen hat eine neue Asyldebatte ausgelöst.

26.08.2024, Solingen: Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) legt eine Blume an einer Kirche in der Nähe des Tatorts ab.
Nach der Messerattacke auf dem Solinger Stadtfest - Scholz-Besuch (Thomas Banneyer / dpa / Thomas Banneyer)
Dazu schreibt die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG: "Dass sich Olaf Scholz drei Tage nach dem Attentat von Solingen mit versteinerter Miene vor Ort sehen lässt, war das Mindeste, was von einem Bundeskanzler zu erwarten ist. Doch allein Mitgefühl mit den Opfern auszudrücken und Straftätern mit der 'Härte des Gesetzes' zu drohen, reicht längst nicht mehr. Man kann es drehen und wenden, wie man will: Deutschland hat ein Problem mit Gewalttätern aus dem Ausland. Längst ist aus wiederkehrenden Einzelfällen ein systemisches Problem geworden, auf das es zu reagieren gilt. Deutschland ist an die Grenzen seiner Integrationsfähigkeit gekommen, zumal mit den Mitteln, die die Politik willens ist, dafür bereitzustellen", bemerkt die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG.
Die BERLINER MORGENPOST führt aus: "Nach dem blutigen Anschlag auf das Bürgerfest von Solingen tobt eine politische Debatte. Und wir erleben einen Überbietungswettbewerb an Ideen, wie man dem Problem schwer krimineller oder terroristischer Taten durch Asylbewerber - hier erübrigt sich die weibliche Form - endlich Herr werden will. Das Problem ist: Bürgerinnen und Bürger erkennen eine immer größer werdende Kluft zwischen dem, was vollmundig angekündigt wird, und dem, was in der Realität passiert. Der Bundeskanzler, der versprochen hatte 'Wir müssen endlich im großen Stil abschieben', hat bislang nicht geliefert. Seine kurze Rede am Tatort war sicher ehrlich gemeint, aber brachte in der Sache nichts Neues", kritisiert die BERLINER MORGENPOST
Die Zeitungen der MEDIENGRUPPE BAYERN werfen ein Schlaglicht auf die Wortwahl von Olaf Scholz: "Der Kanzler ist 'zornig'. Zornig auf einen 26-jährigen Syrer, der mutmaßlich drei Menschen ermordet hat. Damit das auch jeder wahrnehmen konnte, verwies Olaf Scholz gestern beim Besuch im von einem Terroranschlag geschockten Solingen mehrmals umständlich auf diesen seinen 'Zorn'. Das ist freilich keine typische Scholz-Vokabel. Sie ist ein Kunstprodukt; ein Resultat politischer Krisenkommunikation, die sich fragt, mit welchem Begriff man ein Gefühl der Menschen zu einer politischen Botschaft machen kann. Zorn ist ein starkes Wort – das muss doch Folgen haben. Wenn in der Ampel beklagt wird, dass der Anschlag von anderen instrumentalisiert werde, so muss man das auch dem Kanzler vorhalten. Er hat das Ereignis genutzt, seine Politik gut darzustellen. Das ist beschämend. Und wird keine Bürgerin und keinen Bürger, den nun beim Besuch eines Fests oder einer Massenveranstaltung Beklemmung plagt, beruhigen", monieren die Zeitungen der MEDIENGRUPPE BAYERN.
Die Zeitung DIE WELT wirft der Politik eine Flucht aus der Realität vor: "Nach Solingen heißt es, die Messer seien schuld. Oder die Männer, die toxische Männlichkeit. Oder der Faschismus, unter dem AfD und Islamismus gewissermaßen gemeinsam subsumiert werden. Die papierne Rhetorik der Politiker, ihr verlogenes Gerede vom Zusammenhalt der Gesellschaft, wider die Spaltung, gegen Hass und Hetze, vermeidet das Benennen der Ursache: eine opportunistische, eitel nationalistische Migrationspolitik, die nicht nur Europa gespalten hat, sondern auch die deutsche Gesellschaft."
"Solingen muss zum Wendepunkt für die deutsche Migrationspolitik werden", fordert der MÜNCHNER MERKUR. "Der Staat darf den Schutz seiner Bürger nicht länger hinter die Interessen von Migranten stellen. Es reicht nicht, wie Robert Habeck Ablenkungsdebatten über Messerverbote zu führen. Straffällige Asylbewerber müssen abgeschoben werden, auch nach Syrien und Afghanistan. Der Schengen-Vertrag gehört ausgesetzt, damit aus sicheren Herkunftsländern eingereiste Migranten zurückgeschickt werden können. Die FDP muss bei der Vorratsdatenspeicherung einlenken, damit die Polizei bei der Terrorbekämpfung nicht auf ausländische Dienste angewiesen ist. Und wenn die SPD ihre Lektion jetzt lernt und die Union ehrlich zu sich selbst und ihren Wählern ist, braucht es auch keine weiteren Debatten mehr über Schwarz-Grün nach der Bundestagswahl."
Der CSU-Vorsitzende Söder will eine schwarz-grüne Koalition auf Bundesebene nach der Bundestagswahl 2025 verhindern. Dafür wäre die Zustimmung seiner Partei notwendig, und die werde es nicht geben, sagte Söder. Die HEILBRONNER STIMME findet: "Der Union tut Söder mit seiner Positionierung keinen Gefallen. Denn wenn CDU und CSU die Bundestagswahl 2025 gewinnen sollten, könnte die Regierungsbildung schwierig werden. Für schwarz-gelb wird es wohl nicht reichen, und eine erneute große Koalition mit der SPD will kaum jemand. Gut möglich also, dass die Grünen gebraucht werden. Das sollte auch Söder wissen. Dass er dennoch eine Regierungsbeteiligung der Grünen kategorisch ausschließt, ist strategisch unklug und dürfte bei CDU-Chef Friedrich Merz nicht gut ankommen. Der hat längst erkannt, dass die Grünen eine Option sein könnten, wenn es um die Regierungsbildung geht. Eine Brandmauer zu den Grünen hochzuziehen, würde den Spielraum der Union ohne Not einschränken", erläutert die HEILBRONNER STIMME.
Die MÄRKISCHE ODERZEITUNG aus Frankfurt/Oder konstatiert: "Schwarz-Grün ist nach derzeitigen Umfragen die einzige Option für die Grünen, im Bund an der Macht zu bleiben. Doch hier wird es schwierig. Denn die Union hält alle Asse in der Hand. Die Befürchtung ist groß, dass im Bund ähnliches passieren könnte wie nach der Landtagswahl in Hessen. Dort spielte CDU-Ministerpräsident Boris Rhein die Grünen gegen die SPD aus und ließ am Ende seinen ehemaligen Koalitionspartner Grüne fallen. Wie die Öko-Partei dieses Dilemma auflösen möchte, ist derzeit unklar. Habeck versucht es damit, den realpolitischen Flügel stärker in den Vordergrund zu rücken. Doch ob das nützt, ist mehr als fraglich." Das war die MÄRKISCHE ODERZEITUNG aus Frankfurt/Oder.
Nun zum russischen Ukrainekrieg. Das benachbarte Belarus zieht nach Angaben aus Kiew Truppen an der Grenze zur Ukraine zusammen. Darauf geht die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG näher ein: "Auf den ersten Blick scheint die Warnung des ukrainischen Außenministeriums die Welt in der Zeit um gut zweieinhalb Jahre zurückzuversetzen: als russische Truppen an den eigenen Grenzen und in Belarus mit tatkräftiger Unterstützung des dortigen Diktators Alexander Lukaschenko ihren Überfall auf die Ukraine vorbereiteten. Doch anders als vor zweieinhalb Jahren besteht offenbar keinerlei unmittelbare Gefahr: Kiews Warnung scheint nach bisherigem Wissensstand lediglich eine Präventivwarnung an Lukaschenko zu sein. Tatsächlich hat der weitgehend von Moskau abhängige belarussische Diktator den russischen Machthaber Wladimir Putin zwar weitgehend gewähren lassen, doch sich gleichzeitig gehütet, seine eigenen Leute in Putins Krieg zu schicken. Die Zahlen über die nun zusammengezogenen belarussischen Soldaten – angeblich lediglich gut 1.000 Mann – deuten darauf hin, dass Lukaschenko damit Moskau gegenüber lediglich Aktionismus demonstrieren will", analysiert die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG.
Die TAZ vermutet innenpolitische Motive: "Der autokratische Dauerherrscher Lukaschenko ergeht sich in vollkommen abwegigen Verschwörungsfantasien. Eine lautet, dass Belarus zum Opfer eines Angriffs der NATO-Staaten oder der Ukraine werden könnte. Letztere, so das gängige Narrativ, ist ein willfähriger Erfüllungsgehilfe des aggressiven Westens. Mit der vermeintlichen personellen Aufrüstung an der Grenze kann sich Lukaschenko gegenüber der eigenen Bevölkerung wieder als 'Leader' präsentieren, der sein Land schützt und alles tut, um eine Beteiligung von Belarus an diesem Krieg zu verhindern. Dabei ist Minsk längst mittendrin. Immer wieder erfolgen russische Angriffeauch von Belarus aus, bei der Logistik ist Putins Verbündeter Lukaschenko ebenfalls zu Diensten. Dabei muss es nicht bleiben: Sollte Putin einen Marschbefehl geben, müsste Lukaschenko dem Folge leisten", ist sich die TAZ sicher.