
"Das Gleichgewicht der Gewalt wackelt", heißt es in der FREIEN PRESSE aus Chemnitz. "Die israelischen Angriffe auf das Kommunikationssystem der Hisbollah werden wohl nicht sofort einen Krieg auslösen. Doch auch wenn die Konfliktparteien eine militärische Eskalation diesmal noch einmal vermeiden können, wächst die Gefahr. Denn die Konfrontation wird weiterhin vom Gazakrieg angeheizt."
Die SAARBRÜCKER ZEITUNG sieht es ähnlich: "Es dürfte vorerst dabei bleiben, dass Israel und die Hisbollah sich entlang der libanesischen Grenze wie bisher Gefechte mit Artillerie, Drohnen und Raketen liefern werden. Auch wenn dieser kontrollierte Schlagabtausch bisher keinen Krieg ausgelöst hat: Er kann nicht auf Dauer begrenzt bleiben. Erstens steigt mit jedem Tag das Risiko, dass ein Missverständnis oder die Einzelaktion eines Hisbollah-Kämpfers oder eines israelischen Panzerkommandeurs das empfindliche Gleichgewicht der Gewalt zerstört. Zweitens haben Israel und die Hisbollah keine Mechanismen zur Deeskalation. Sie konnten ihren Konflikt bisher zwar begrenzen, aber sie können ihn nicht beilegen. Eine zumindest vorübergehende Entspannung wäre nur möglich, wenn eine Feuerpause im Gaza-Krieg zustande käme", erklärt die SAARBRÜCKER ZEITUNG.
Die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG beschäftigt sich mit den möglichen Motiven der israelischen Führung, die mutmaßlich hinter den massenhaften Detonationen von Kommunikationsgeräten im Libanon steckt: "Will man die Wehrhaftigkeit der Hisbollah testen? Will man sie provozieren, ihr Raketenarsenal zu verschießen? Will man sie einschüchtern? Plausibler als all diese Deutungen erscheinen US-Medienberichte, die präparierten Geräte der Hisbollah seien entdeckt worden und Israel habe daher den Angriff, den man sich für den Fall eines offenen Krieges vorbehalten wollte, Hals über Kopf vorgezogen. Wenn es so war, würde der Eindruck der virtuosen, übernatürlichen Präzision jedenfalls empfindlich getrübt. Dann hätte Israel nicht gezielt provoziert, sondern vorschnell improvisiert: Es hätte nicht gezockt, sondern gezuckt. In einer derart angespannten Gemengelage wie in Nahost lässt sich wenig Gefährlicheres vorstellen", betont die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG.
Die Zeitung WELT erläutert: "Die Stabilität des Nahen Ostens leidet freilich weiter. Gerade wegen der Ungewissheit über Israels Absichten und des Gesichtsverlustes der Hisbollah. Wenn Israels Ministerpräsident Netanjahu endlich ein realistisches Szenario vorlegen würde, das die Kriegsziele seiner Regierung benennt und verhandelbar macht, wäre auch der Sicherheit Israels besser gedient."
Auch SPIEGEL ONLINE kritisiert die israelische Regierung: "Israel spielt russisches Roulette im Nahen Osten – und führt die Bemühungen seiner europäischen und US-Partner damit ad absurdum. Israel riskiert einen Regionalkrieg, wieder und wieder. Die westlichen Partner täten gut daran, nicht nur die Beschwichtigungen der Israelis zu hören, sondern auch ihre Taten genau zu betrachten. Sollte die Hisbollah sich nach den jüngsten Anschlägen für drastische Konsequenzen entscheiden, wer hat dann angefangen?", fragt SPIEGEL ONLINE.
Themenwechsel. Nach einer aktuellen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Allensbach liegt die Zustimmung in der Bevölkerung für die Regierungskoalition aus SPD, Grünen und FDP nur noch bei drei Prozent. Im Berliner TAGESSPIEGEL ist zu lesen: "Die Ampel ist im Urteil einer riesigen Mehrheit unten durch. Nur noch drei Prozent finden, dass die drei von der Zankstelle gut fürs Land seien. Das ist nichts, worauf sich aufbauen ließe, nichts, womit man weitermachen könnte. Der Koalition hilft auch das Gerede vom besseren Kommunizieren nichts mehr. Wo es doch auch so permanent wie erfolglos ist. Bei dem Theater, das es täglich gibt, würde das Publikum schon längst 'Aufhören!' rufen. SPD, Grüne und FDP wollen das natürlich nicht, klar. Die drei wollen ihre Macht unbedingt behalten; zumal sie alles sofort verlieren würden, wenn heute gewählt würde. Doch dann soll sich die Politik auch nicht wundern, dass die Politikerverdrossenheit zunimmt", mahnt der TAGESSPIEGEL.
Die MÄRKISCHE ODERZEITUNG aus Frankfurt (Oder) ergänzt: "Die von Kanzler Scholz geschmiedete Koalition hat keine Zukunft mehr. So wie es aussieht, wird ihr Ende aber noch auf sich warten lassen. So streitet man sich in heiligem Zorn über die Rente, über das Tariftreuegesetz, über viele Dinge. Jeder einzelne Partner hat inzwischen ein ganzes Bündel ausgesprochen guter Gründe, um aus der Koalition auszusteigen. Jeder einzelne Partner fürchtet aber auch die Konsequenzen eines solchen Schritts. Denn die Erfahrung lehrt, dass der Wähler das Ende der Koalition zwar lieben, den Vollstrecker aber hassen würde. Und so wartet jeder Partner darauf, dass sich einer der anderen bewegt: Ampel-Mikado", hebt die MÄRKISCHE ODERZEITUNG hervor.
Die Situation erhöhe auch parteiintern den Druck auf Scholz, bemerkt die RHEINISCHE POST: "Es ändert sich der Sound aus der Partei gegenüber dem Kanzler. Er habe 'auch eine Erwartung an den Bundeskanzler', sagte der Co-Vorsitzende Klingbeil jüngst im ZDF: 'Dass man jetzt mit einer anderen Performance, mit einer Klarheit bei Themen, mit dem Raus aus der Moderationsrolle zeigt, dass wir die Wahl gewinnen wollen.' Klingbeil trat in letzter Zeit zunehmend selbstbewusster und eigenständiger auf, als es in Zeiten absoluter Geschlossenheit der Fall war. Und auch sonst sind individuelle Positionierungen nun zunehmend zu beobachten. So rechnen sich beispielsweise Verteidigungsminister Boris Pistorius und Arbeitsminister Hubertus Heil Chancen aus, bei einer künftigen Regierungsbeteiligung der SPD den Kabinettstisch nicht verlassen zu müssen. Die Fliehkräfte um Scholz herum werden größer. Und je nach Ausgang der Brandenburg-Wahl könnten sich diese Kräfte noch einmal verstärken", konstatiert die RHEINISCHE POST aus Düsseldorf.
Und damit zum letzten Thema: In Bayern sollen nach dem Willen von Ministerpräsident Söder alle noch laufenden Corona-Bußgeldverfahren eingestellt werden. "Ein undurchdachter Vorstoß", urteilt der KÖLNER STADT-ANZEIGER. "Es ist wie so oft mit Einlassungen von Markus Söder: Im ersten Moment erscheinen sie plausibel. Doch steigt man tiefer in die Materie ein, entpuppen sich seine Worte nicht selten als reiner Populismus. Zugegeben, es erscheint kurios, wenn heute Bußgeldbescheide erlassen werden, weil jemand im Lockdown vor vier Jahren statt mit fünf Leuten zu sechst unterwegs war. Doch es darf nicht vergessen werden, dass es damals darum ging, die Verbreitung des Virus einzudämmen und Menschenleben zu schützen. Gegen eine Einstellung sprechen mehrere Gründe: Zum einen würde das gerade nicht für Rechtsfrieden sorgen, den Söder nach eigenen Aussagen erreichen will, denn die Einstellung benachteiligt diejenigen, deren Verfahren längst abgeschlossen sind. Jeder wie auch immer festgelegte Zeitpunkt für eine Einstellung wäre ein Willkürakt. Zum anderen würde damit die übergroße Mehrheit der Bevölkerung nachträglich vor den Kopf gestoßen, die sich damals unter Entbehrungen an alle Regeln gehalten hat", findet der KÖLNER STADT-ANZEIGER.
Die NÜRNBERGER NACHRICHTEN halten Söders Vorgehen ebenfalls für voreilig: "Ja, die Pandemie ist durch, manche der Regeln, auf die die Bußgelder gründen, sind längst hinterfragt. Doch noch immer ist die Pandemie in all ihren Facetten nicht aufgearbeitet. Das wäre aus vielerlei Gründen notwendig, vor allem aber, damit sich Fehler bei der nächsten Notlage nicht wiederholen. Söders Schlussstrich ist keiner und darf auch keiner sein. Er ist der Versuch, ein leidiges Thema abzuräumen. Doch dafür sind schlicht zu viele Fragen unbeantwortet."