12. Oktober 2024
Die Presseschau aus deutschen Zeitungen

Themen sind der Friedensnobelpreis, der CSU-Parteitag in Augsburg und der Besuch des ukrainischen Präsidenten Selenskyj in Berlin.

Bundeskanzler Olaf Scholz und der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj schütteln sich in Berlin die Hände.
Kommentiert wird u.a. das Treffen des ukranischen Präsidenten Selenskyj (l.) mit Bundekanzler Scholz (SPD) in Berlin. (Kay Nietfeld / dpa / Kay Nietfeld)
Die FRANKFURTER RUNDSCHAU betont, Selenskyj kehre von seiner Europareise nicht mit leeren Händen zurück: "Die Verbündeten in London, Paris und Berlin haben die solidarischen Worte für die von Russland überfallene Ukraine mit zusätzlichen Versprechen auf Waffenlieferungen ergänzt. Dennoch wird Selenskyj nicht zufrieden sein. Nicht nur, weil er immer noch nicht die Erlaubnis bekommen hat, weitreichende Waffen gegen Ziele auf russischem Territorium einsetzen zu dürfen. Sondern auch, weil seine Visiten deutlich gemacht haben, dass die Aufmerksamkeit bei den europäischen Verbündeten für die dringliche militärische Lage der ukrainischen Armee schwindet. Ähnliches gilt für die USA, den wichtigsten Verbündeten Kiews. Daran hat auch Selenskyjs 'Siegesplan' mit 'Schritten zum Frieden', um Russland 'zum Frieden zu zwingen', nichts geändert", bilanziert die FRANKFURTER RUNDSCHAU.
Die STUTTGARTER NACHRICHTEN beobachten: "Selenskyjs Besuch in Berlin ist nach dem Muster verlaufen, das sich inzwischen für seine Treffen mit Kanzler Olaf Scholz etabliert hat. Dazu gehört der ausgiebige Dank der Ukraine für die deutsche Hilfe, der angesichts der Größe des deutschen Beitrags auch angemessen ist. Selenskyj zeigt hier diplomatisches Geschick. Er weiß, dass er bei Scholz so mehr erreicht als mit einer Strategie der ständigen öffentlichen Kritik an dem, was Deutschland nicht tut – etwa die Lieferung von 'Taurus'-Marschflugkörpern. Dass Scholz sagt, der russische Präsident Wladimir Putin werde mit seinem Spiel auf Zeit keinen Erfolg haben, ist ein wichtiges Bekenntnis. Dennoch könnte die Realität im Fall eines Trump-Wahlsiegs anders aussehen", geben die STUTTGARTER NACHRICHTEN zu bedenken.
Die TAGESZEITUNG stellt fest: "Selenskyj fehlt nach wie vor ausreichend Kriegsgerät – trotz einer neuen Zusage an Militärhilfe im Wert von 1,4 Milliarden Euro unter deutscher Beteiligung – um militärisch auf Augenhöhe gegen den russischen Präsidenten Putin agieren zu können. Die täglichen Verluste und Frontverläufe machen dies deutlich. Hinzu kommt, der Winter naht, und die zerstörte Energieversorgung wird ohne mehr Geld nicht wiederaufgebaut werden können. Es ist ein Wettlauf gegen die Zeit. Putin attackiert die ukrainische Zivilbevölkerung – und das mit Erfolg. So die bittere Erkenntnis", notiert die TAZ.
Die RHEIN-ZEITUNG aus Koblenz ist sich sicher, es müsse sich grundsätzlich etwas an der Strategie ändern, wenn Selenskyj "Putin tatsächlich mit militärischer Stärke an den Verhandlungstisch zwingen will. Das ist letztlich auch das Ziel aller westlichen Verbündeten der Ukraine, solange es am Ende keinen russischen Diktatfrieden geben wird und die Ukraine einverstanden ist. Um aber dorthin zu kommen, sollten auch die politisch Verantwortlichen in Deutschland, den USA und anderen Bündnispartnern der Ukraine bereit sein, zumindest zeitweise einen militärischen Strategiewechsel der Ukraine – etwa für den Einsatz von Marschflugkörpern – mitzutragen", empfiehlt die RHEIN-ZEITUNG.
Themenwechsel. Die MÄRKISCHE ODERZEITUNG aus Frankfurt (Oder) geht ein auf den Friedensnobelpreis: "Das Nobel-Komitee hat sich nach mehreren Jahren der Vergabe an Menschenrechtler wieder getraut, den Friedensnobelpreis tatsächlich an diejenigen zu vergeben, für die er vom Stifter Alfred Nobel gedacht war: nämlich Menschen oder Organisationen, die sich für Frieden, Abrüstung oder Völkerverständigung einsetzen. Mit der Auswahl der diesjährigen Preisträger Nihon Hidankyo aus Japan sendet das Komitee – wie so oft – auch ein politisches Signal. Nach der Organisation ICAN ist Nihon Hidankyo innerhalb von sieben Jahren bereits die zweite Gruppe, die für ihren Einsatz gegen Atomwaffen ausgezeichnet wird. Denn wir leben in einer Zeit, in der die nukleare Gefahr wieder ins Blickfeld rückt", vermerkt die MÄRKISCHE ODERZEITUNG.
Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG verweist auf die Gefahr einer atomaren Eskalation im russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine: "Man kann dieses Risiko nicht einfach leugnen, es muss Teil der sicherheitspolitischen Abwägung bleiben. Insofern ist die Verleihung des Friedensnobelpreises an die japanische Organisation Nihon Hidankyo, in der sich Überlebende der Bombenabwürfe von Hiroshima und Nagasaki für eine atomwaffenfreie Welt engagieren, eine politisch und zeitlich passende Wahl."
Die VOLKSSTIMME aus Magdeburg findet, die Entwertung der einst hoch angesehenen Auszeichnung schreite voran: "Das hat nichts mit der verdienstvollen Tätigkeit der japanischen Organisation oder der Unfähigkeit des norwegischen Preiskomitees zu tun. In einer Welt, in der militärisches Gebaren und heiße Kriege das internationale Geschehen mehr und mehr dominieren, ist es verdammt schwer, allseits akzeptierte 'Peacemaker' zu finden. Nihon Hidankyo kämpft um eine atomwaffenfreie Welt. Ein hoffnungsloses Unterfangen: Diese ist bei iranischer und nordkoreanischer Nuklearrüstung und russischen Drohungen mit Atomwaffen gegen die Ukraine ferner denn je", urteilt die VOLKSSTIMME.
In diesem Jahr hätte es keinen Friedensnobelpreis geben dürfen, meint die BERLINER MORGENPOST: "Stattdessen braucht es einen ehrlichen Blick auf die Welt - und der ist wenig preiswürdig. Die lange gültige westliche Friedensordnung ist gescheitert. Organisationen wie die EU - Nobelpreisträger 2012 - scheitern mit Friedensbemühungen in Nahost, die Vereinten Nationen wirken machtlos wie lange nicht. Die USA, einst selbst ernannter Weltpolizist, zieht sich auf ein 'America First' zurück. Nicht Frieden ist die geostrategische Leitlinie dieser Tage. Es ist Stabilität." Das war die BERLINER MORGENPOST.
Nun zum Parteitag der CSU in Augsburg. Die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG führt aus: "Mit einem Leitantrag nimmt sich Söders CSU nun der Probleme der 'irregulären' Einwanderung an, die sie mit einer 'echten Wende in der Migrationspolitik' beenden will. Unter anderen mit 'umfassenden' Grenzkontrollen, zentralen Asylverfahren und 'Ausreisearrest für ausreisepflichtige' Straftäter. Nach der Lösung der K-Frage zugunsten von Friedrich Merz kann Söder nun wie versprochen wieder 'CSU pur' liefern", schreibt die FAZ.
Die AUGSBURGER ALLGEMEINE glaubt: "CSU-Chef Markus Söder muss keine Rücksicht nehmen. Er kann ständig auf die Pauke hauen, provozieren, Maximalforderungen stellen und alle möglichen Koalitionspartner brüskieren, ohne unmittelbar die Konsequenzen dafür tragen zu müssen. Schließlich ist es nicht er, der nach der Bundestagswahl die Scherben zusammenkehren und um Mehrheiten werben muss. Alle Augen richten sich stattdessen auf Friedrich Merz, der will schließlich Bundeskanzler werden. Aber auch Merz dürfte klar sein, dass der halbwegs geräuschlose Verzicht des Kollegen aus Bayern auf die Kanzlerkandidatur einen Preis haben wird. Offen ist nur, wann die Rechnung kommt und wie hoch sie ausfällt", wendet die AUGSBURGER ALLGEMEINE ein.
Die deutsche Politik gleiche gerade einem Wanderzirkus, analysiert der MÜNCHNER MERKUR: "Alles wandert nach rechts, den Wählern hinterher. Die Grünen wollen als 'Liste Robert Habeck' verlorene Mitte-Wähler zurück locken, CSU-Chef Söder würzt die Unionsspeisekarte auf seinem Parteitag kräftig nach. Er will ran ans Asylrecht und verlangt eine Obergrenze für Flüchtlinge. Doch der Wähler bleibt so misstrauisch wie ein scheues Reh. Davon kann vor allem die Union ein Lied singen. Viele ihrer Stammwähler haben ihr die Merkelpolitik bis heute nicht verziehen. Spannung verspricht auch das grüne Experiment. Die Ökopartei will sich als pragmatischere Kraft neu erfinden und bietet sich CDU und CSU ungeniert als Regierungspartnerin an. Doch während die Union immerhin von sich behaupten kann, Merkel durch Merz ersetzt zu haben, müssen die Grünen erst noch beweisen, dass die neue Habeck-Partei eine andere ist als die alte. Söder jedenfalls ist noch nicht überzeugt." Und mit diesem Kommentar aus dem MÜNCHNER MERKUR endet die Presseschau.