02. Dezember 2024
Die Presseschau aus deutschen Zeitungen

Heute unter anderem mit Stimmen zum Wahlkampfauftakt von SPD-Kanzlerkandidat Scholz und zum neuen FDP-Generalsekretär Buschmann. Doch zunächst geht es um die Lage in dem Bürgerkriegsland Syrien, nachdem Dschihadisten die Großstadt Aleppo eingenommen haben.

Ein regierungsfeindlicher Kämpfer reißt ein Porträt von Syriens Präsident Baschar al-Assad in Aleppo herunter, nachdem Dschihadisten und ihre Verbündeten in die nordsyrische Stadt eingedrungen sind.
Die Zeitungen beschäftigen sich unter anderem mit dem Dschihadisten-Vormarsch in Nord-Syrien. (AFP / MOHAMMED AL-RIFAI)
Die FRANKFURTER RUNDSCHAU führt aus: "Die syrische Armee des Diktators Baschar al-Assad muss aus strategischen und machtpolitischen Gründen die islamistischen Rebellen von Haiat Tahrir al-Scham aus der auch wirtschaftlich wichtigen Stadt vertreiben. Die syrischen Verbündeten Iran und Russland können Assad zwar nicht mehr so unterstützen wie zuvor. Russlands Kräfte sind im Krieg gegen die Ukraine gebunden, Israel hat die Möglichkeiten des Mullah-Regimes geschwächt, deren Milizen im Irak und Syrien dezimiert sowie die Hisbollah im Libanon zunächst fast kampfunfähig gemacht. Der seit einigen Jahren eingefrorene Konflikt wird dennoch wieder ein heißer werden", befürchtet die FRANKFURTER RUNDSCHAU.
Die BERLINER MORGENPOST äußert sich zur Rolle der Türkei in dem Konflikt: "Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan, der seine Dauerfehde mit Assad zuletzt eingefroren hatte, unterstützt die Dschihadisten. Er sympathisiert mit deren Konzept eines auf islamischen Grundsätzen aufgebauten Staates. Dies korrespondiert mit Erdogans Selbstverständnis als islamischer Führer und großer regionalpolitischer Akteur im Nahen Osten. Der Vormarsch der Islamisten wird nicht nur durch Erdogans Hilfe begünstigt. Er geschieht auch in einem neuen machtpolitischen Vakuum. Die Hisbollah-Miliz im Libanon wurde durch Israel so stark dezimiert, dass sie keine Kapazitäten mehr für den Flankenschutz des Allianzpartners Assad hat. Der Iran, ein zentraler Verbündeter Syriens, ist ebenfalls geschwächt", analysiert die BERLINER MORGENPOST.
Ähnlich äußert sich die MÄRKISCHE ODERZEITUNG aus Frankfurt (Oder): "Assads wichtigste Verbündete, die Terrororganisation Hisbollah, der Iran und Russland, sie sind derzeit an anderen Fronten gebunden. Die Hisbollah und Iran im Konflikt gegen Israel und Russland in der Ukraine. Das heißt nicht, dass sie nicht dennoch auf die Situation in Syrien einwirken können. Doch werden sie sich damit nicht so leicht tun wie in der Vergangenheit, als die anderen Konflikte noch nicht an ihrer Leistungsfähigkeit zerrten."
Das STRAUBINGER TAGBLATT glaubt: "Für Assad, der lange fest im Sattel zu sitzen schien, ist die Lage bedrohlich. Denn der Vormarsch der Rebellen weckt neue Hoffnungen bei seinen Gegnern überall im Land. Es ist also nicht verwunderlich, dass der syrische Diktator nach Moskau geeilt ist, um bei Kremlchef Wladimir Putin persönlich um militärische Unterstützung zu bitten. Und Putin, daran besteht kein Zweifel, wird sie ihm gewähren. Schon aus eigenem Interesse. Für Assad und seinen Clan ist das die Lebensversicherung", notiert das STRAUBINGER TAGBLATT.
Themenwechsel. Die WIRTSCHAFTWOCHE geht ein auf die sogenannte "Wahlsiegkonferenz" von SPD-Kanzlerkandidat Scholz und fragt: "Ist es nicht gerade erst vier Wochen her, dass eine Bundesregierung bereits nach drei Jahren unter seiner Führung zerbrochen ist? Droht dem Standort nicht auch wegen des wirtschaftspolitischen Chaos seiner Koalition zum zweiten Mal hintereinander eine Rezession? Und haben die Sozialdemokraten nicht mit einer Ausnahme seit 1998 immer mitregiert? Sicher, ein Wahlkampfauftakt ist kein Buß- und Bettag. Aber Scholz wird mehr bieten müssen als populistisch wirkende Positionierungen und kindische Namenswitze, wenn er die Wahl gegen Merz noch gewinnen will", glaubt die WIRTSCHAFTSWOCHE.
Die BADISCHE ZEITUNG aus Freiburg mahnt: "Wenn die SPD jetzt nicht Entschlossenheit und Zuversicht vermittelt, sondern traurig und verzagt ihre Prozentchen zählt, kann sie den Schlüssel des Kanzleramts direkt in der CDU-Zentrale vorbeibringen. Eine Chance haben die Sozialdemokraten: den Trend. Wenn sich ein Schub entfaltet – etwa weil der Ampel-Ausstiegsplan der FDP die Wahrnehmung der gescheiterten Koalition verändert –, kann daraus eine Welle werden, die die Partei nach oben trägt. Erste kleine Anzeichen dafür gibt es: etwa die gestiegenen Werte für Olaf Scholz bei der Frage, wen die Deutschen direkt zum Kanzler wählen würden. Bei Wellen allerdings gibt es auch ein Risiko: Irgendwann brechen sie", vermerkt die BADISCHE ZEITUNG.
Die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG stellt fest: "Tatsächlich hat es Scholz geschafft, binnen kürzester Zeit zumindest bei den eigenen Leuten die Stimmung zu drehen, Aufbruchstimmung zu wecken und wieder ernst genommen zu werden – mit reichlich Schützenhilfe der Gegner freilich. Zum Beispiel von der FDP. Deren würdeloser Umgang mit der aufgeflogenen Ampel-Sabotage dürfte selbst bei vielen Liberalen den letzten Glauben an Aufrichtigkeit und Verantwortungsbewusstsein von Christian Lindner beseitigt haben. Oder zum Beispiel von den Grünen: Der Personenkult um Robert Habeck hat die Grenzen der Seriosität längst überschritten. Aber auch die Union und Friedrich Merz haben Scholz geholfen, wieder Tritt zu fassen. Bei ganz entscheidenden Fragen, etwa nach der Schuldenbremse oder nach Taurus-Lieferungen an die Ukraine, eiert der Unionskandidat herum." Das war die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG.
Die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG bemerkt zum neuen FDP-Generalsekretär Buschmann: "Der stets kühl agierende und argumentierende Jurist muss die FDP nach dem 'D-Day'-Debakel, das seinen Vorgänger Djir-Sarai den Job kostete, aus der politischen Todeszone unterhalb der fünf Prozent führen. Lindner und Buschmann müssen nun auf die Vergesslichkeit der Wähler hoffen, die in der Weihnachtszeit genug haben könnten von der schönen Bescherung der FDP. Jetzt dürfen nur keine weiteren 'D-Day'-Päckchen auftauchen, auf die vor allem die SPD lauert", notiert die F.A.Z.
Für die FDP werde der Wahlkampf zum Existenzkampf, schätzt die TAGESZEITUNG: "Deshalb setzt Lindner auf einen Mann, der sofort loslegen kann. Wofür diese Personalie dagegen nicht steht: für einen Befreiungsschlag und für einen ernsthaften Willen der FDP zur Aufarbeitung ihrer jüngsten Politschauspielerei, ihres Hintertreibens der eigenen Regierung. Denn Buschmann war prägender Teil davon. Er gehört seit Jahren zum Führungszirkel der FDP, auch er soll bei den „D-Day“-Runden dabei gewesen sein – vehementer Widerspruch von ihm ist nicht überliefert. Will die Partei bei der Wahl noch irgendeine Chance haben, müsste sie einen viel klareren Schnitt machen, eine tatsächliche Umkehr erkennen lassen. Da hilft auch kein Austausch eines Generalsekretärs, vor allem nicht dieser", urteilt die TAZ.
Nun noch Stimmen zum Besuch des neuen EU-Ratspräsidenten Costa und der neuen EU-Außenbeauftragten Kallas in der Ukraine. Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG findet: "Es war eine gute Geste von den beiden, ihren ersten Amtstag in der ukrainischen Hauptstadt zu verbringen. Es ist ein Unterschied, ob man sich in Brüssel vor ein Mikrofon stellt und dem überfallenen Land die dauerhafte Unterstützung der EU verspricht oder ob man das in eisigem Nebel auf dem Maidan in Kiew tut, vor einem Meer aus kleinen gelb-blauen Fähnchen, auf denen die Namen von Tausenden Gefallenen stehen. Aber nein, die politischen und militärischen Probleme, mit denen die ukrainische Regierung derzeit kämpft, wurden durch die eintägige Visite zweier Politiker aus Brüssel nicht gelöst. Costa und Kallas können weder vorhersagen noch nennenswert beeinflussen, wie der künftige US-Präsident Donald Trump mit der Ukraine umgehen wird", schreibt die SÜDDEUTSCHE.
Die MEDIENGRUPPE BAYERN, zu der unter anderem die PASSAUER NEUE PRESSE gehört, empfiehlt mit Blick auf Zusagen des EU-Ratspräsidenten gegenüber Kiew: "Klüger wäre es von Costa, statt über einen EU-Beitritt mit der Ukraine über eine Bedingung für den Frieden zu sprechen, der den mutigen Kampf der Ukrainer würdigt und Putin das Gesicht wahren lässt. Sicher ist: Sowohl der Westen, als auch die Ukraine selbst sind kriegsmüde." Und mit diesem Auszug aus der PASSAUER NEUEN PRESSE endet die Presseschau.