09. Dezember 2024
Die Presseschau aus deutschen Zeitungen

Heute ist das beherrschende Thema der Sturz des Assad-Regimes in Syrien. Daneben geht es um die Nominierung von Alice Weidel als AfD-Kanzlerkandidatin.

Ein Bild des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad, durchlöchert von Kugeln.
Der Sturz des Assad-Regimes ist das beherrschende Thema in den Kommentaren. (dpa / AP / Omar Albam)
"Damaskus ist befreit, der Diktator ist geflohen", schreibt das Portal T-ONLINE zum ersten Thema. "Die 54-jährige Terrorherrschaft der Familie Assad ist zu Ende. Das ist eine großartige Nachricht für Millionen Menschen in Syrien, in den Flüchtlingslagern Jordaniens, des Libanon, der Türkei, in der europäischen Diaspora. Eine halbe Million Syrer sind in dem seit 2011 wütenden Krieg getötet worden, fünf Millionen sind außer Landes geflohen, mehr als sieben Millionen wurden innerhalb des Landes vertrieben – rund die Hälfte der Bevölkerung." Sie hörten das Portal T-ONLINE.
"Ein schlimmer Diktator ist weg", heißt es auch in der SÜDWEST PRESSE aus Ulm. "Nach anderthalb Jahrzehnten Bürgerkrieg ist Syriens Machthaber Assad ins Ausland geflohen. Am Ende war wohl niemand mehr bereit, für ihn sein Leben zu riskieren. Nicht mal seine militärischen Helfer Russland und Iran konnten ihm sein Reich retten."
"Staunend blickt die Welt nach Syrien", ist in der LEIPZIGER VOLKSZEITUNG zu lesen. "Wie konnte eine so grimmige Diktatur binnen weniger Tage so jämmerlich kollabieren? Eine erste Lehre lautet: Diktaturen werden mitunter schlicht und einfach überschätzt. Gerade eine Ein-Mann-Herrschaft kann, schöne Grüße an Wladimir Putin, am Ende ganz schnell kippen."
Auch die BADISCHEN NEUESTEN NACHRICHTEN aus Karlsruhe sind sicher: "Der Sturz des Assad-Regimes ist eine historische Zäsur wie das Ende von Saddam Hussein 2003 oder die Entmachtung des Schahs im Iran 1979. Im Nahen Osten beginnt eine neue Zeitrechnung."
Aus Sicht der TAGESZEITUNG, der TAZ aus Berlin, lässt sich die Bedeutung des Geschehens nur schwer in Worte fassen. "Das volle Ausmaß der gigantischen Unterdrückungs- und Vernichtungsmaschinerie, gerichtet gegen die eigene Bevölkerung, offenbart sich mit der Öffnung der Gefängnisse, für viele Syrer das emotionalste Ereignis der Befreiung. Häftlinge treten nach teils jahrzehntelanger Folterhaft und Isolation auf die Straße. Viele Menschen werden jetzt nach vermissten Angehörigen suchen. Viele Vertriebene und Geflüchtete werden nach Hause gehen, um ihre Liebsten wiederzusehen." Das war ein Auszug aus der TAZ.
"Mit dem Machtwechsel in Damaskus verwandelt sich Syrien nicht schlagartig in eine Demokratie", gibt DER SPIEGEL zu bedenken und schaut auf die islamistische Miliz Hayat Tahrir al-Sham, kurz HTS. Diese habe vor kurzem noch den Dschihad beschworen. "Ihr Anführer, Mohammed al-Dschulani, kämpfte einst für al-Qaida. Die Gruppe wird beweisen müssen, ob sie ihr Versprechen der vergangenen Tage auf Mäßigung, Dialog und Inklusion ernst meint. Assad-Anhänger, insbesondere Alawiten, fürchten Racheakte, die Kurden im Norden fürchten, dass sie einmal mehr Ziel von Angriffen der Türkei werden könnten, Frauen fürchten um ihre Rechte. All diese Ängste sind gut begründet", kommentiert DER SPIEGEL.
Die BERLINER MORGENPOST fährt fort: "Zwar gelang es al-Dschulani, in der Rebellenprovinz Idlib eine einigermaßen stabile Grundversorgung herzustellen. Dennoch galten die Normen des islamischen Rechts, der Scharia - auch wenn sie nicht mit Gewalt durchgeboxt wurden. Aber selbst wenn al-Dschulani nicht ideologieüberfrachtet daherkommt, es gibt keine Blaupause, was eine HTS-geführte Regierung für Syrien bedeuten würde. Die Rebellengruppen waren zwar einig im Ziel, Assad zu stürzen. Doch über die Zeit danach herrscht wenig Konsens", befindet die BERLINER MORGENPOST.
Die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG sieht das ähnlich. "Die Milizen und Rebellengruppen hat nur der Kampf gegen das Assad-Regime geeint; als Anhänger demokratischer Ideale ist bisher niemand aufgefallen. Darüber kann auch die Ansage des Rebellenführers al-Dschulani kaum hinwegtäuschen, die Macht friedlich übernehmen."
ZEIT ONLINE greift den Gedanken auf. "Unendlich viele Konflikte schlummern noch und bedürfen der Verhandlung und Moderation, im besten Fall der Aussöhnung. Die Islamisten, die eben noch Dschihadisten waren, sagen derzeit, auf der Welle ihres Erfolges schwimmend, lauter richtige Dinge, versprechen den Schutz der Minderheiten: von Christen, Drusen, Kurden – aber auch der systemverbundenen Alawiten? Sie betonen die nationale Einheit. Ob sie wirklich gelernt haben, dass der Dschihadismus ein Irrweg ist, wie sie sagen, wird sich zeigen. Optimismus fällt schwer, noch ist es zu früh für Prophezeiungen", schreibt ZEIT ONLINE.
"Für Unruhe dürfte auch die Frage sorgen, was mit all jenen geschehen soll, die das Assad-Regime stützten", vermutet die FRANKFURTER RUNDSCHAU. "Einem Teil davon werden viele Aufständische aus nachvollziehbaren Gründen den Prozess machen wollen. Gleichzeitig werden viele von ihnen gebraucht werden, um einen funktionierenden Staat wiederherzustellen. Ganz zu schweigen davon, dass die syrische Wirtschaft am Boden liegt. Damaskus ist beim Wiederaufbau auf die Hilfe aus dem Ausland angewiesen", steht für die FRANKFURTER RUNDSCHAU fest.
Die NÜRNBERGER NACHRICHTEN sehen gerade in diesem Punkt für Europa... "...eine neue Chance, sich im Nahen Osten Gehör zu verschaffen. Während die USA, wie vom designierten Präsidenten Donald Trump angekündigt, ihr Engagement in Syrien weiter herunterfahren wollen, kann die EU mit Geld für den Wiederaufbau die neue Regierung in Damaskus unterstützen und eine geregelte Rückkehr von Flüchtlingen organisieren. Das könnte den Aufstieg der Rechtspopulisten bremsen oder sogar stoppen. In diesem Fall würde die syrische Revolution sogar Europa verändern", halten die NÜRNBERGER NACHRICHTEN für möglich.
Nun nach Deutschland und zur AfD. Der Parteivorstand hat Alice Weidel als Kanzlerkandidatin nominiert. Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG fragt sich: "Eine Kanzlerin Alice Weidel, wirklich?" Das Blatt führt dann aus: "Keine andere Partei von Gewicht will mit dieser AfD zusammenarbeiten, und es gibt auch keine Aussichten, dass sich das ändert. In dieser Lage ist Alice Weidel als Kanzlerkandidatin für die Partei eine nützliche Besetzung. Eine Bildungsbürgerin aus dem Westen, weiblich, vergleichsweise jung und rhetorisch scharf. Damit, so hoffen sie in der Partei, könnte man noch Wähler von den anderen Parteien zur AfD herüberziehen, vor allem von der Union, welche die AfD als Hauptgegner im Wahlkampf ausgemacht hat. Seht her, das ist eine wie ihr, so schlimm kann es schon nicht werden – so die Botschaft", analysiert die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG.
Die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG findet, die AfD habe immer auch den Politikverdruss der Wähler auf dem Schirm. "Dass dieser wächst, daran arbeitet Weidel tatkräftig mit, indem sie düstere Bilder vom Zustand Deutschlands, dessen Politikern und Institutionen zeichnet. Das Kalkül dahinter: Je mehr Menschen glauben, dass das Land am Abgrund stehe, desto bessere Chancen hat die AfD, mit ihren Erlösungsversprechen durchzudringen. Wie lässt sich dieser Zauber brechen? Mit einer Politik, die Lösungen findet für drängende Probleme, statt sich in Streit und taktischen Spielchen zu verlieren", rät die F.A.Z.
"Die Hoffnungen der AfD ruhen darauf, dass auch nach der Neuwahl alles so weitergeht wie bisher", urteilt die MÄRKISCHE ODERZEITUNG aus Frankfurt (Oder). "Der größte Gefallen, den CDU und CSU den Rechtspopulisten daher tun könnten, wäre im kommenden Jahr eine schwarz-grüne Koalition im Bund einzugehen. Nicht nur Konservative, die sich einen Politikwechsel wünschen, wären auf der Palme. Eine gesellschaftliche Mehrheit wünscht sich einen politischen Kurswechsel. Bekämen die Wähler aber ein Weiter-so, wäre der Lerneffekt bei vielen, dass die einzige Chance auf einen Politikwechsel darin besteht, Alice Weidel und Co. noch stärker zu machen. Man kann daher nur auf Weitsicht hoffen – bei der Union und beim Wähler." Das war die MÄRKISCHE ODERZEITUNG zum Abschluss der Presseschau.