
Vance hat sich in seiner Rede kritisch gegenüber Europa geäußert, den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine entgegen den Erwartungen aber nicht erwähnt. Das wertet die BERLINER MORGENPOST wie folgt: "Jetzt sieht es so aus, als müsste in kürzester Zeit die Aufgaben- und Rollenverteilung in den transatlantischen Beziehungen ganz neu ausgehandelt werden. Und zwar in allen Facetten und mit Leuten, von denen man noch nicht einmal weiß, ob sie überhaupt noch im selben Team spielen. Sicherheit, Ukraine, Zölle, Energie, Handel: Donald Trump und seine Leute wollen einen einzigen, großen Deal zu ihren Gunsten. Als 'disruptiv' wird die Politik der Trump-Regierung häufig beschrieben. Das klingt verwegen und couragiert. Die Wahrheit ist: Größer könnten das Chaos und die Gefahren kaum sein", mahnt die BERLINER MORGENPOST.
Die OM-MEDIEN aus Vechta notieren: "Vance geht es wie seinem Präsidenten darum, die alte Ordnung zu zerstören und überall auf der Welt rechten libertären Kräften in den Sattel zu verhelfen. Für die Ukraine sind es aktuell ganz schlimme Tage. Die USA scheinen den Krieg dort so schnell wie möglich abhaken zu wollen. In Moskau dürfte langsam der Sekt ausgehen."
Aus Sicht der NÜRNBERGER ZEITUNG wurden die europäischen NATO-Staaten vom US-Vizepräsidenten ignoriert: "Ob es in Zukunft drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts für die Verteidigung sein sollten oder mehr, wollte man mit den Amerikanern diskutieren. Doch zumindest deren Delegationsführer Vance schien das alles nicht zu interessieren. Das führte notgedrungen zu der Frage, ob man mit dieser Administration überhaupt noch reden kann. Wahrscheinlicher aber ist: Die Trump-Regierung hat sich eine neue Welt gebaut, in der Europa kaum noch vorkommt", meint die NÜRNBERGER ZEITUNG.
Der REUTLINGER GENERAL-ANZEIGER findet: "Die USA wenden sich in Rekordgeschwindigkeit von den Werten ab, die einst der 'Westlichen Welt' gemeinsam waren. Die Trump-Regierung betreibt eine rücksichtslose isolationistische Machtpolitik, die ausschließlich auf den eigenen Vorteil bedacht ist."
Die AUGSBURGER ALLGEMEINE erläutert: "Es gibt Gründe, den Europäern die Leviten zu lesen: Das Knausern bei den Verteidigungsausgaben, die zögerliche Hilfe für die Ukraine. Der Zustand von Europas Demokratien aber – der muss nicht die Sorge der Regierung Trump sein, der sich mit Tesla-Gründer Elon Musk daran macht, die USA zu einer Art Tech-Autokratie umzubauen. Das Wort Zeitenwende wird oft überstrapaziert. Für die tektonischen Verschiebungen, die zwischen Europa und den USA drohen, ist es angemessen", stellt die AUGSBURGER ALLGEMEINE fest.
"Der 14. Februar 2025 wird in die Geschichtsbücher eingehen", schätzt die RHEINISCHE POST und erklärt: "...als der Tag, an dem die USA die enge Wertegemeinschaft mit Europa erstmal aufgaben. Die Ansage des US-Vizepräsidenten Vance an die europäischen Verbündeten ist an Härte kaum zu überbieten. Bei seiner Rede kommt es für Deutschland und die Europäer knüppeldick. Doch ausgerechnet der deutsche Bundespräsident übernimmt auf der Sicherheitskonferenz das Zepter. Er, dessen schärfste Waffe das Wort ist, wirft der US-Regierung in ebenfalls beispielloser Tonalität Rücksichtslosigkeit vor. 'Diplomatie ist kein Käfigkampf', wirft Frank-Walter Steinmeier in den Raum und betont: 'Was heute auf dem Spiel steht, ist die Selbstbehauptung unserer Demokratie.' Recht hat er – künftig leider auch mit Blick auf die USA", bemerkt die RHEINISCHE POST aus Düsseldorf.
Vance äußerte sich auch zur deutschen Innenpolitik. Dazu ist in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG zu lesen: "Nun also hat der amerikanische Vizepräsident die deutsche Parteienlandschaft vermessen und ist zu dem Schluss gekommen: Für Brandmauern gebe es hierzulande keinen Raum. Der deutschen Politik damit faktisch nahezulegen, doch bitte auch mit der in Teilen rechtsextremen AfD zusammenzuarbeiten, ist Vance' sehr eigene Version von 'Tear down this wall'. Und ja, er meint das ernst. Die Wahrscheinlichkeit, dass Vance Programmatik, Wesen und Ziele der AfD studiert und bis ins Detail durchdrungen hätte, darf man als gering einschätzen. Trotzdem nutzte der Amerikaner, der bisher nicht als intimer Kenner der deutschen Innenpolitik aufgefallen war, seinen ersten Deutschlandbesuch als US-Vize allen Ernstes dazu, den deutschen Parteien mindestens indirekt die AfD als Partner zu empfehlen – einen Tag nach seinem Besuch der KZ-Gedenkstätte Dachau. Mit 'Affront' lässt sich all das nur unzureichend beschreiben", urteilt die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG.
Der KÖLNER STADT-ANZEIGER kommentiert: "Vor 80 Jahren haben die Amerikaner Deutschland die Demokratie gebracht. Nun unternimmt US-Vize-Präsident Vance den Versuch, Deutschland und gleich der ganzen EU einen rechtspopulistisch autoritären Kurs zu verordnen. Die Aufforderung von Vance an die Demokraten in Deutschland, mit der AfD zusammenzuarbeiten, ist eine unzulässige Einmischung in den deutschen Bundestagswahlkampf", ist im KÖLNER STADT-ANZEIGER zu lesen.
Nach dem Anschlag auf Demonstranten in München wird erneut über Konsequenzen in der Migrationspolitik diskutiert. Die SÄCHSISCHE ZEITUNG aus Dresden betont: "Der Attentäter von München fiel keiner Sicherheitsbehörde auf - schlicht, weil es nach jetzigen Erkenntnissen nichts gab, was an ihm auffällig war. Und gerade das macht den Anschlag eine Woche vor der Wahl so erschreckend - und so gefährlich für unser Zusammenleben. Schon trommeln Rechtsextreme zum Generalverdacht gegen alle Menschen aus Afghanistan und Syrien. Was dieses Land jetzt braucht, ist eine Besinnung auf unsere Kraft und unserer Werte, auf unsere Gemeinsamkeiten. Wir brauchen Sicherheit, aber vor allem brauchen wir Zusammenhalt", lautet ein Appell der SÄCHSISCHEN ZEITUNG.
Die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG wendet ein: "'Wir dürfen uns jetzt nicht spalten lassen' - viele Menschen können solche Beschwichtigungen in der Migrationspolitik nicht mehr hören. Dabei wäre der Satz sogar richtig – wenn man ihn endlich anders anwendet. Denn es stimmt ja: Eine Gesellschaft, die derart existenziell von den Ausmaßen der illegalen Einwanderung herausgefordert ist wie die deutsche, hat nur zwei Möglichkeiten, auf diese Herausforderung zu reagieren, geschlossen oder gespalten. Gespalten, also zögerlich bis offen widersprüchlich, hat sich das Land lang genug gezeigt. Längst hat sich ein robuster Konsens gebildet: So kann es nicht weitergehen", argumentiert die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG.
Der Täter von München ist ein Asylbewerber aus Afghanistan. Viele Politiker fordern nun, wieder verstärkt in das Land abzuschieben. Die Zeitung ND.DIE WOCHE vermerkt: "Die Taliban freuen sich schon, dass Deutschland Ernst machen will mit den Abschiebungen, dann winkt die ersehnte politische Anerkennung. Dafür verlangen sie jedoch eine konsularische Vertretung in Deutschland, lehnen Abschiebeflüge über Drittstaaten wie Pakistan oder Katar ab. Zu Recht, dann fällt endlich das Feigenblatt und die Bundesregierung muss sich bekennen, wie sie es mit den Taliban hält." So weit ND.DIE WOCHE.
Die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG hält Verhandlungen mit den in Afghanistan herrschenden Taliban für notwendig: "Wenn Berlin nun auf das Angebot aus Kabul eingeht und diplomatische Kontakte im Gegenzug für weitere Abschiebungen gewährt, wäre das für die Islamisten ein großer Erfolg. Doch irgendwann muss die Bundesregierung diesen Schritt gehen. Botschafter tauscht man nicht nur mit Freunden aus - und Deutschland hat in Afghanistan klare Interessen: Denn die Taliban konnten dem Land, Repressionen hin oder her, immerhin Stabilität bringen. Und auch wenn man menschlich jeden verstehen kann, der nicht freiwillig zurück will, steht der Abschiebung gesunder Männer rechtlich wenig im Weg".