03. März 2025
Die Presseschau aus deutschen Zeitungen

Neben dem Ukraine-Sondergipfel in London geht es um die israelische Blockade von Hilfslieferungen in den Gazastreifen. Im Mittelpunkt steht jedoch die Bürgerschaftswahl in Hamburg, bei der die SPD trotz deutlichem Minus klar stärkste Kraft geworden ist.

Peter Tschentscher trifft zufrieden lächelnd in einem Fernsehstudio ein.
Der Sieg der SPD mit Spitzenkandidat Peter Tschentscher bei der Hamburger Bürgerschaftswahl ist ein Thema in den Kommentaren. (Marcus Brandt / dpa )
Die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG glaubt: "Ganz ungeschoren ließ der Bundestrend den Ersten Bürgermeister Hamburgs nicht. In der Bürgerschaftswahl wäre für Peter Tschentscher sicher mehr drin gewesen, wenn die Ampelkoalition nicht gescheitert und vor einer Woche die SPD dafür abgestraft worden wäre. Am Wahlsieg des Bürgermeisters zweifelte niemand, ebenso wenig an der Niederlage der CDU, die sich zwar aus dem Tal der Tränen nach Ole von Beust wieder hochgearbeitet hat, aber weit hinter ihren Ansprüchen bleibt. Der FDP weint in Hamburg offenbar niemand hinterher; die Grünen wurden, wie im Bund, zurechtgestutzt; dafür erlebt die Linkspartei auch hier einen Frühling. Zu den Wahlsiegern gehört auch dieses Mal die AfD. Das ist der einzige Schatten, der auf Tschentschers Ergebnis fällt", fasst die F.A.Z. zusammen.
Das HANDELSBLATT analysiert: "In Zeiten der Verunsicherung, der gesellschaftlichen Polarisierung und des populistischen Zorns auf politische Eliten geht von der Wahl in Hamburg eine wohltuend beruhigende Wirkung aus. Die Mitte hält, wenn die Bürger das Gefühl haben, kompetent regiert zu werden. Die Mitte hält, wenn die Parteien Pragmatismus an die Stelle von Ideologie stellen. Gutes Regieren zahlt sich aus – das ist die zentrale Botschaft der Hamburg-Wahl und sie richtet sich vor allem an Friedrich Merz und die Koalition des letzten Aufgebots, die er im Bund anführen will", meint das HANDELSBLATT.
Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG hebt hervor, der Sozialdemokrat Peter Tschentscher sei ein Politikertyp, wie er nur... "...im Norden funktioniert, wo man Sachlichkeit und Pragmatismus will. Umgekehrt hätte ein Darsteller wie Markus Söder in Hamburg nicht den Hauch einer Chance. Seinen Wahlkampf schnitt Tschentscher vor allem auf diejenigen Probleme in Hamburg zu, die am Ort entschieden werden: Verkehr, Kitas, Wohnungsbau. Tschentschers Antwort auf hohe Mieten ist nicht, darauf zu warten, dass die Mietpreisbremse endlich wirkt – sondern bauen. Seine Koalition mit Realo-Grünen lässt der CDU kaum Raum in der Stadt. Meinungsverschiedenheiten werden fast immer intern geklärt, was zu einem Grundvertrauen in die Stadtspitze führt", notiert die SÜDDEUTSCHE.
Die FRANKFURTER RUNDSCHAU stellt fest: "Nur eine Kraft profitiert spürbar vom Termin kurz nach der Bundestagswahl: Die Linke nimmt den Schwung mit. Es wird ihr Selbstbewusstsein stärken, auch auf Bundesebene, wo sie künftig bei Verfassungsänderungen mitreden kann – und damit auch bei der notwendigen Lockerung der Schuldenbremse. Es wäre verführerisch gewesen für die SPD, sich die Welt schön zu reden, hätte die Bürgerschaftswahl vor der Bundestagswahl stattgefunden. Tschentschers Erfolg macht allerdings klar, dass ruhiges Regieren geschätzt wird. Sein Senat hat sich nicht nur inhaltlich, sondern vor allem im Stil von Berlin abgehoben. Das erweist sich als Erfolgsrezept, das über Hamburg hinausweist", vermerkt die FRANKFURTER RUNDSCHAU.
Hamburgs SPD war klug, bilanziert der Berliner TAGESSPIEGEL: "Sie bestritt einen Wahlkampf ohne das Berliner Personal. Sicherlich werden die SPD-Vorsitzenden Lars Klingbeil und Saskia Esken, die ja beide unverdrossen weiter machen wollen, den Scholz-Tschentscher-Unterschied mit ihren Getreuen beraten. Der wahrscheinliche Kanzler Friedrich Merz kann das CDU-Ergebnis in Hamburg abhaken. Es macht ihm jedenfalls keine Schwierigkeiten, hellt vielleicht die Stimmung etwas auf. Hamburg war die absehbar letzte Landtagswahl in diesem Jahr. CDU, CSU und SPD können im Bund jetzt ihre Regierungsbildung beschleunigen", lesen wir im TAGESSPIEGEL.
Themenwechsel. Die VOLKSSTIMME aus Magdeburg geht ein auf das Sondertreffen zur Ukraine in London: "Als ob der britische Premier Keir Starmer es geahnt hätte: Der Termin für den Europa-Gipfel zur Ukraine stellt unmittelbar nach dem Krach von Washington das Kontrastprogramm. Die zwischenzeitlich wie gelähmt scheinenden Europäer wollen sich mit Friedensplänen bei gleichzeitig geschlossenerer Abwehr gegen Russland wieder ins Spiel bringen. Für Starmer ist es die Gelegenheit, Großbritannien aus der selbstgewählten Isolation zu führen. Er versucht, das Führungsvakuum in der europäischen Politik zu füllen – mit Partnern wie Emmanuel Macron oder Olaf Scholz und bald Friedrich Merz. Ausgerechnet die Briten als EU-Abtrünnige werden also zum Impulsgeber", folgert die VOLKSSTIMME.
Die BERLINER MORGENPOST findet: "Es ist gut, dass sich der englische Premier Keir Starmer und der französische Präsident Emmanuel Macron darauf verständigt haben, gemeinsam mit der Ukraine einen Fahrplan für einen möglichen Stillstand der Waffen zu entwerfen. Bis ein solcher Friedensplan umgesetzt werden kann, wird es aber dauern. Die Russen haben auch aufgrund der Rückendeckung durch die Trump-Administration bereits signalisiert, dass sie zum jetzigen Zeitpunkt nicht bereit sind, Abstand von ihren Maximalforderungen zu nehmen – konkret: auf die im Herbst 2022 völkerrechtswidrig annektierten ukrainischen Gebiete zu verzichten. Deswegen braucht die bedrängte Ukraine jetzt entschlossene und abgestimmte Unterstützung, um bei Verhandlungen in einer guten Position zu sein", verlangt die BERLINER MORGENPOST.
Mit Blick auf die Initiative für den Friedensplan hebt die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG hervor: "Deutschland, immerhin die größte Volkswirtschaft Europas, war daran nicht beteiligt, schließt sich aber hoffentlich an – und findet möglichst schnell einen Weg, noch vor der neuen Regierungsbildung gemeinsam mit den Partnern in London, Paris und Kiew voranzugehen. Dazu müssen Olaf Scholz und Friedrich Merz jetzt eng kooperieren, der scheidende Bundeskanzler muss den künftigen einbinden und beide müssen – so schwer es fallen mag – einig und mit gemeinsamer Stimme für Deutschland sprechen können. Ein erstes gutes Zeichen ist die Absicht, mit einem milliardenschweren Sondervermögen Bundeswehr und Infrastruktur noch aus dem alten Bundestag zu stärken." So weit die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG.
Abschließend Stimmen zum Nahost-Konflikt. Israel blockiert Hilfslieferungen in den Gazastreifen. Dazu bemerkt die TAGESZEITUNG: "Statt die zweite Phase der Waffenruhe umzusetzen, die mit derHamas vereinbart war und perspektivisch ein Ende des Kriegs vorsah, willIsraels Premier Benjamin Netanjahu die erste Phase in die Länge ziehen. Sein Ziel ist klar: Die Hamas soll die letzten Geiseln freilassen, damit er den Krieg wieder aufnehmen kann. Die USA liefern ihm dafür neue, milliardenschwere Waffen. Die Hamas hat wenig Grund, sich dem zu beugen. Um sie in die Knie zu zwingen, droht Netanjahu einmal mehr, die Menschen in Gaza kollektiv zu bestrafen. Das ist ein Kriegsverbrechen", urteilt die TAZ.
Die Zeitungen der MEDIENGRUPPE BAYERN argumentieren: "Das Ziel von Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu, die Mörderbande der Hamas dauerhaft zu zerschlagen, ist vollkommen berechtigt – auch wenn das schwierig werden dürfte. Richtig ist es auch, sich von den Terroristen nicht die Bedingungen für eine Fortsetzung der Gaza-Waffenruhe vorschreiben zu lassen. Erst recht nicht, nachdem sie in den vergangenen Wochen Geisel-Rückgaben als unfassbar zynische Propaganda-Spektakel inszeniert haben. Mehr als fragwürdig ist jedoch Netanjahus nun gewählte Strategie, um die Hamas unter Druck zu setzen, auch die verbliebenen Geiseln freizulassen. Er sperrt alle Grenzübergänge in den Gazastreifen und stoppt so die Hilfslieferungen in ein Gebiet, wo die Menschen ihr Dasein ohnehin schon unter Bedingungen fristen, die mit Humanität nichts mehr zu tun haben. Nicht alle Palästinenser sind per se mit Terror-Anhängern gleichzusetzen. Menschenverachtung mag die Maxime der Hamas sein, es sollte aber kein politisches Instrument Israels werden", mahnt die MEDIENGRUPPE BAYERN zum Ende der Presseschau.