
Das STRAUBINGER TAGBLATT schreibt: "Vieles belastet bereits jetzt den Start von Friedrich Merz als Bundeskanzler, in einer Beziehung aber beginnt er gut: der deutsch-französischen. Er und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron wirken entschlossen, diese als enge Partnerschaft nicht nur darzustellen – das wäre nichts Neues –, sondern auch aktiv zu gestalten. Es ist viel mehr als eine Binsenweisheit, dass Europa eine solide Achse Paris – Berlin braucht, um zu bestehen und voranzukommen. Unabdingbar wird sie zu einem Zeitpunkt, an dem Russland unverändert aggressiv gegen die Ukraine und die EU agiert, sich die USA unter Präsident Donald Trump abwenden, ein Handelskrieg die wirtschaftlichen Perspektiven eintrübt", stellt das STRAUBINGER TAGBLATT fest.
Die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG zieht einen historischen Vergleich: "Früher war es so, dass sich deutsche Kanzler erst dann mit Außenpolitik beschäftigten, wenn es innenpolitisch dabei etwas zu gewinnen gab – oder ihnen nach einer langen Amtszeit der heimische Herd zu klein geworden war. Doch Merz regiert in anderen Zeiten. Sein CDU-Außenminister Johann Wadephul kann hilfreich sein, vieles aber wird Merz selbst übernehmen müssen: einen Draht zu Donald Trump finden und zu Xi Jinping in China, die Europäer zusammenhalten", bemerkt die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG.
Die FRANKFURTER RUNDSCHAU meint, das "alte Erfolgsmodell" des "deutsch-französischen Motors" sei nicht mehr zeitgemäß: "Stammt es doch aus einer Zeit, in der das europäische Staatenbündnis homogener war, die Herausforderungen weniger und nicht so komplex sowie die Bereitschaft größer, Paris und Berlin zu folgen. Außerdem sind Macron durch seine fehlende Mehrheit und Merz durch seinen holprigen Start ins Amt geschwächt. Abzuwarten bleibt, bei welchen Themen Merz und seine große Koalition die EU voranbringen wollen. Zu fürchten ist, dass sie sich sehr auf wirtschaftliche und verteidigungspolitische Themen konzentrieren und die notwendige Klimapolitik vernachlässigen werden. Ähnliches droht beim Lieferkettengesetz, das vor allem den Konservativen ein Dorn im Auge ist. Das birgt Zündstoff mit der SPD, aber auch mit so manch anderem EU-Partner", warnt die FRANKFURTER RUNDSCHAU.
Die STUTTGARTER NACHRICHTEN finden: "Merz’ Besuch in Frankreich war ein starker Auftakt. Deutschland wird sich außen- und sicherheitspolitisch nie mehr so auf die USA verlassen können wie früher. Gerade deshalb braucht es in der Verteidigungspolitik generell eine stärkere Zusammenarbeit der Europäer. Dem neuen Kanzler ist sehr bewusst, dass Deutschland mehr Verantwortung übernehmen muss. Hierfür war die Reform der Schuldenbremse wichtig. Richtig ist aber auch: Eine Rückkehr zur Europapolitik Helmut Kohls, in der alle Probleme im Zweifelsfall immer gelöst wurden, indem Deutschland das Scheckbuch zückte, kann die Bundesrepublik sich nicht mehr leisten", mahnen die STUTTGARTER NACHRICHTEN.
Die WESTDEUTSCHE ZEITUNG aus Wuppertal notiert: "Im Gepäck für die Weiterreise nach Warschau lag die verheißungsvolle Absicht, mit Polen einen neuen Freundschaftsvertrag zu schließen – und damit diplomatische Vorarbeit zu leisten für eine gemeinsame europäische Politik im politisch-wirtschaftlichen Spannungsfeld zwischen USA und China und dem russischen Angriffskrieg in der Ukraine. Längst fällig gewesen ist dieses Zeichen, weil Politik gar nicht genug von Symbolen und persönlichen Beziehungen als Ausgang für Bündnisse leben kann. So muss es weitergehen. Die neue Bundesregierung muss schnell Schlagzeilen ihrer Tatkraft schreiben, erkennbar werden und ein Sofortprogramm anschieben, für dessen Erstellung man Zeit genug hatte." Das war die Meinung der WESTDEUTSCHEN ZEITUNG.
Themenwechsel: Mit dem Gedenken an das Kriegsende in Europa vor 80 Jahren befasst sich die FREIE PRESSE aus Chemnitz: "Nie wieder Krieg. 80 Jahre nach der Kapitulation Hitler-Deutschlands ist diese Forderung aktuell wie selten. Sie ist essenziell, will die Menschheit eine Zukunft haben. Diese friedliche Zukunft ist aber weiter entfernt als 1945. Niemand weiß, wie sich die aus den Fugen geratene Weltlage halbwegs kitten ließe. Deutschland hat schlimme Kriege angezettelt. Dass es heute ohnmächtig sein soll, sie zu verhindern, lässt sich schwer akzeptieren. Eine neue Friedensbewegung macht aber nur Sinn, wenn sie global agiert", lesen wir in der FREIEN PRESSE.
Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG nimmt den historischen Tag zum Anlass, nach vorne zu schauen: "Darin liegt eine mögliche Zukunft des Erinnerns an den Sieg über Nazi-Deutschland: Einerseits dem Kriegsende und der Opfer gedenken. Andererseits das neue, friedliche Europa feiern, das aus den Kriegstrümmern entstanden ist. In diesem Jahr umso mehr, denn der Vorschlag des französischen Außenministers Robert Schuman für eine wirtschaftliche Zusammenarbeit der Europäer, die den Grundstein für die EU legte, wird nun 75."
Die LAUSITZER RUNDSCHAU aus Cottbus erinnert an die deutschen Verbrechen: "Die SS, die Wehrmacht und die deutsche Mörderbürokratie haben in Polen, in der Sowjetunion, in Griechenland, Italien und in vielen anderen Ländern aufs Entsetzlichste gewütet. Und sie haben sechs Millionen Juden umgebracht. Am Ende industriemäßig. Auch wir Nachfahren sollten heute noch dankbar sein, dass uns die anderen Völker verziehen haben. Daran haben wir uns viel zu schnell gewöhnt. Nur so konnte es passieren, dass wir nicht mehr so genau hingesehen haben, als Russland neben den USA, Großbritannien und Frankreich den Sieg gegen die Deutschen für sich beansprucht hat, den Anteil der Verbündeten innerhalb der Sowjetunion verschwieg. Deutschland hat es lange nicht gestört, wie Moskau den Großen Vaterländischen Krieg usurpierte", kritisiert die LAUSITZER RUNDSCHAU.
Und damit zum Konflikt zwischen Indien und Pakistan. Der KÖLNER STADT-ANZEIGER führt dazu aus: "Zwischen Indien und Pakistan sprechen die Waffen. Als wäre das allein nicht schlimm genug, handelt es sich auch noch um Atommächte. Der Blick in die Vergangenheit zeigt, dass sich die immer wieder aufflammenden Kämpfe zwischen den ungleichen Brüdern wenn auch nicht befrieden, so doch aber stets erfolgreich herunterkühlen ließen. Vor allem, weil die Supermächte erfolgreich vermittelten. Doch die Dinge haben sich geändert: Im Konflikt fehlt es den Großmächten an Distanz. Zu offensichtlich unterstützt Peking Pakistan, während sich Indien für Dollar-Milliarden im Westen mit Waffen eindeckte und gleichzeitig seine traditionelle Bindung an Moskau herunterfuhr. Zugleich regiert mit Premier Narendra Modi ein Hindu-Nationalist in Neu-Delhi, der seinen Anhängern Kompromisslosigkeit versprochen hat. In dieser Haltung wurde er ausgerechnet von der Trump-Administration bestärkt – der man jetzt wünscht, sie möge ihren großmäuligen Ankündigungen, 'größter Dealmaker' aller Zeiten zu sein, zumindest in diesem Fall einmal Taten folgen lassen", bemerkt der KÖLNER STADT-ANZEIGER.
Die MÄRKISCHE ODERZEITUNG aus Frankfurt/Oder gibt zu bedenken: "Pakistan ist nicht nur ein Rückzugsort für Terroristen. Sondern auch ein strategisch wichtiges Land, über das Deutschland zum Beispiel afghanische Ortskräfte ausgeflogen hat. Sich im Konfliktfall auf eine Seite zu schlagen, fällt dann schwer. Wer aber für den Preis der Realpolitik über die bösen Buben hinwegsieht, muss immer damit rechnen, dass Situationen außer Kontrolle geraten. Mit diesem Dilemma leben zu lernen, ist für Deutschland und unseren hypermoralischen Kontinent nicht einfach. Aufrufe zur Deeskalation, wie man sie jetzt überall hört, sind dann eigentlich nur ein anderer Ausdruck für das Prinzip Hoffnung. Aber die stirbt ja bekanntlich zuletzt."