
DIE RHEINPFALZ aus Ludwigshafen erläutert: "Die Linke mit den Pragmatikern Gregor Gysi, Bodo Ramelow oder Dietmar Bartsch hat Persönlichkeiten in ihren Reihen, die mit einer ehemaligen Staatspartei nichts mehr gemein haben. Und Ko-Parteichef Jan van Aken hat wie kaum ein anderer den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine verurteilt und wirksamere Sanktionen gegen den Aggressor gefordert. Natürlich ist nicht alles plötzlich wunderbar bei der Linken. Es wäre gut, wenn auf ihrem Parteitag in Chemnitz ein Zeichen der Solidarität mit dem Staat Israel gesetzt würde. Es gibt Strömungen in der Partei, die antisemitische Positionen vertreten oder zumindest als problematisch im Kontext des Nahostkonflikts wahrgenommen werden. Das führte aus Protest bereits zu Parteiaustritten unter anderem des prominenten Berliner Linken Klaus Lederer. Es gibt aber auch deutliche Gegenbewegungen. Dieses Thema bleibt also bis auf Weiteres eine schwierige Baustelle der Linkspartei", glaubt DIE RHEINPFALZ.
Die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG analysiert: "Das Versprechen, starke Schultern müssten mehr tragen als schwache, nehmen viele Bürger der 16-Prozent-Partei SPD nicht länger ab. Dieses Vakuum will die Linke nun füllen. Viele junge Menschen sehen in ihr zudem eine Kraft, die dem wachsenden Konservativismus bis hin zum Rechtsruck in der Gesellschaft etwas entgegensetzt. Dass die Linksfraktion im Bundestag ausgerechnet CDU-Chef Friedrich Merz rasch zum zweiten Wahlgang und so ins Kanzleramt verhalf, war clever. Offenbar ist bei der Linken trotz aller 'Kapitalismus abschaffen'-Parolen angekommen, dass man Verantwortung für die Demokratie in Deutschland trägt. Für die Union böte sich damit die Gelegenheit, den Unvereinbarkeitsbeschluss, der jede Kooperation mit der Linken ausschließt, zu überdenken. Man muss nicht unbedingt mit den teils doch recht radikalen Positionen der Linken übereinstimmen - Stichwort Reichensteuer oder Enteignung von Wohnungsunternehmen –, um sie als Bereicherung im Parlament zu betrachten", meint die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG.
Die TAGESZEITUNG empfiehlt: "Grüne und Linke sollten sich nicht erpressen lassen – so, wie es sich in der Rhetorik des neuen Unionsfraktionschefs Jens Spahn andeutet, Motto: Macht ihr nicht mit, müssen wir halt mit der AfD arbeiten. Denn die Geschichte funktioniert natürlich nur andersherum: Wenn diese Koalition den Aufstieg des nächsten Faschismus bekämpfen will, braucht sie dafür alle Demokraten – linke, grüne, andere. Und die können dafür auch Forderungen stellen, vernünftige Forderungen: für Klimaschutz, für sozialen Schutz, für demokratischen Zusammenhalt – zum Beispiel." So weit die TAZ.
Thema im KÖLNER STADT-ANZEIGER sind die ersten Auslandsreisen des neuen Bundeskanzlers. Die Zeitung bilanziert: "Wenn nicht alles täuscht, hat Merz binnen drei Tagen das vernachlässigte alte Format von Deutschland, Frankreich und Polen reaktiviert und ein neues geschaffen: Das Weimarer Dreieck plus London. Die brennende Frage ist, wie er als Kanzler mit dieser Position vor der Bundestagswahl umgehen wird: Er hatte der Ukraine Hoffnungen auf die von ihr so dringend erbetene Lieferung von 'Taurus'-Marschflugkörpern gemacht. Man darf keine Angst vor Putin haben, zeigt sich Merz überzeugt. Aber viele Menschen haben Angst vor einer Eskalation des Krieges. Eine Schlappe hat Merz als Europäer allerdings schon erlitten. Die Verschärfung der Migrationspolitik und die zusätzlichen Kontrollen der Binnengrenzen widersprechen dem Geist der Freiheit in der Europäischen Union. Gerade Polen ist extrem verärgert. Auch EU-Kommissionpräsidentin und Parteikollegin Ursula von der Leyen geht da auf Distanz zu Merz", beobachtet der KÖLNER STADT-ANZEIGER.
Mit Blick auf die Grenzkontrollen in Deutschland vermutet die VOLKSSTIMME aus Magdeburg: "Forsches deutsches Vorangehen – das soll der Stil der neuen Bundesregierung in Europa sein. Das könnte vor allem bei kleineren Ländern ankommen, die sich gern mitziehen lassen. Die Nachbarländer hingegen wie Polen, Österreich und die Schweiz sind vergrätzt. Dem entgegenzuwirken, könnten die deutschen Kontrollen zeitlich begrenzt und dann auf ihre Wirksamkeit hin abgeklopft werden. Beim Signal-Charakter wird es wohl bleiben", erwartet die VOLKSSTIMME.
Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG stellt fest: "Dem neuen Kanzler ist Pflege der internationalen Beziehungen erkennbar wichtiger als seinem Vorgänger. Seit seiner Zeit als Europaabgeordneter vor drei Jahrzehnten ist Merz ein überzeugter Europäer, eigentlich ist er auch ein überzeugter Transatlantiker; nur weiß man gerade nicht so genau, wie stabil die Achse zwischen der Alten und Neuen Welt noch ist. Dass Merz der Bundesrepublik wieder zu mehr internationalem Einfluss verhelfen will, ist essenziell in einer Zeit, in der es um so viel geht: um die Zukunft der Ukraine, eine gemeinsame Verteidigungspolitik gegenüber Putins Russland und Trumps irrwitzige Zollpolitik. Einem Kanzler, der im Ausland gehört und respektiert wird, fällt es natürlich auch leichter, die eigenen Leute daheim zu disziplinieren", schätzt die SÜDDEUTSCHE.
Die RHEIN-ZEITUNG aus Koblenz vermutet, Merz werde... "...auch für sich persönlich einen neuen Umgangston finden müssen, der ihm bei Konkurrenten und Gegnern Deutschlands Respekt verschafft und Partner nicht vor den Kopf stößt. Der Ton macht bekanntlich die Musik. Was abgedroschen klingt, ist im politischen Betrieb von enormer Bedeutung. Gerade in der EU wird Merz darauf achten müssen. Ein Vorteil für ihn: Dass das eher unterkühlte Verhältnis zwischen der EU-Kommission und Ex-Kanzler Olaf Scholz viele Möglichkeiten zum Glänzen lässt", notiert die RHEIN-ZEITUNG.
Die STUTTGARTER NACHRICHTEN geben zu bedenken: "Frieden und Freiheit des Kontinents sind von Russland bedroht. Die USA fallen als verlässlicher Partner aus, die EU muss sich neu positionieren. Merz hat betont, dass Deutschland kraftvoll dazu beitragen wird. Europa erwartet, dass er sein Versprechen hält."
Nun noch Stimmen zum SPD-Außenpolitiker Stegner, der wegen eines Treffens mit führenden politischen Vertretern Russlands in Aserbaidschan unter Druck geraten ist. Das Portal T-ONLINE führt aus: "Bisher war man von ehemaligen Mandats- und Funktionsträgern der SPD einiges in puncto Russland gewohnt. Schattendiplomatie eines Abgeordneten der neuen Regierungskoalition – das ist eine neue Qualität und allein das sollte ihn für seinen Posten im Auswärtigen Ausschuss disqualifizieren, den er bisher bekleidete. Die Fraktion sollte aber vielmehr über seinen Ausschluss beraten. Denn besonders brisant macht Stegners Reise einer seiner Posten im Parlament: Als ordentliches Mitglied im Parlamentarischen Kontrollgremium ist er zuständig für die Kontrolle der deutschen Geheimdienste, hat also Zugang zu geheimsten Informationen. Welche Sicherheitsvorkehrungen hat er für sein Unterfangen getroffen? Man weiß es nicht, denn schließlich war seine Reise 'privat', wie er den Reportern der ARD mehrfach sagte. Es ist aber völlig undenkbar, Stegners Reise unabhängig von seiner politischen Position zu betrachten. Ohne sie wäre sie erst gar nicht zustande gekommen", betont T-ONLINE.
Die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG verweist darauf, dass an der Reise auch Politiker von CDU beteiligt waren und empfiehlt: "Die beiden Regierungsparteien sollten aufpassen, dass aus solchen angeblich privaten Kontakten keine neuen kremlfreundlichen Netze erwachsen. Vor allem das Beispiel der SPD zeigt, wie solche Lobbyarbeit im Hintergrund vor dem Angriff auf die Ukraine 2022 dazu beigetragen hat, die deutsche Politik unempfindlich für die Gefahr aus Russland zu machen. Daher muss sich nun vor allem Ralf Stegner, der als einziger aktiver Politiker in Baku war, harte Fragen gefallen lassen." Das war zum Ende der Presseschau die F.A.Z.