
"Auf den zweiten Blick relativiert sich diese Zahl allerdings, da sich Wadephul ein Hintertürchen offengelassen hat. Er will zu den fünf Prozent nicht nur reine Militärausgaben rechnen, sondern auch Investitionen in die militärisch nutzbare Infrastruktur in Höhe von 1,5 des BIP. Dazu gehören unter anderem Schienentrassen wie Autobahnbrücken, also Dinge, die ohnehin saniert werden müssen und für die in den kommenden zehn Jahren ein Sondervermögen von 500 Milliarden Euro vorgesehen ist. Diesen Rechentrick hat bereits NATO-Generalsekretär Mark Rutte vorgeschlagen, da er vielen Ländern entgegenkommen würde", so die Vermutung der BADISCHEN NEUESTEN NACHRICHTEN.
Die AUGSBURGER ALLGEMEINE beobachtet: "Voller Angst versucht die Bundesregierung, drei Jahrzehnte Sparkurs durch hektisches Geldausgeben auszugleichen. Was nun passieren kann, lässt sich leicht ausrechnen: Die Rüstungskonzerne erhöhen die Preise, weil sich die Bundesrepublik in ein Eldorado verwandelt. Ohne vorausschauende Bedarfsplanung wird gekauft, was im Lager steht – und womöglich gar nicht gebraucht wird. Doch der Bundeswehr fehlen Soldaten. Wer soll die neuen Waffen bedienen? Jetzt rächt sich, dass die Armee über Jahrzehnte gesellschaftlich schlecht gemacht wurde", konstatiert die AUGSBURGER ALLGEMEINE.
Für das HANDELSBLATT ist klar: "Bisher waren Großbritannien und Frankreich die führenden Militärnationen in Europa. Doch beide Länder sind hochverschuldet und kaum noch in der Lage aufzurüsten. Daher kommt es jetzt auf Deutschland an. Das viele Geld, das in den kommenden Jahren in Rüstungsprojekte und Infrastrukturvorhaben fließen wird, ist nicht verloren. Wenn es klug investiert wird, wird es Wachstum generieren, die Entwicklung neuer Technologien fördern und ambitionierte Start-ups hervorbringen. So kann die deutsche Wirtschaft aus der Stagnation gehoben werden", hofft das HANDELSBLATT.
Die STUTTGARTER ZEITUNG ist überzeugt: "Trumps Vorgabe, fünf Prozent der Wirtschaftsleistung ins Militär zu pumpen, würde auch die ökonomisch potenteste Macht auf dem alten Kontinent überfordern. Es würde den Staatshaushalt in seiner bisherigen Konstruktion sprengen. Entscheidend ist, was unter den fünf Prozent alles verbucht werden kann – und: ob fünf Prozent wirklich das Maß aller Dinge sind. In einer Hinsicht liegt Trump jedenfalls nicht falsch: In einem solidarischen Bündnis darf es nicht Profiteure und Zahlmeister geben", unterstreicht die STUTTGARTER ZEITUNG.
Die Zeitung ND DIE WOCHE aus Berlin kritisiert: "Das hat, egal, ob darin auch Ausgaben für militärische Infrastruktur enthalten sind oder nicht, mit der von Friedrich Merz ausgegebenen Maxime 'Whatever it takes' nichts mehr zu tun. Denn die nun angepeilten Summen kommen eher einem So-viel-wie-möglich gleich. Es wäre nichts anderes als eine Umstellung auf Kriegswirtschaft und damit eine Politik, die so unverhohlen wie nie den Interessen der Rüstungsindustrie dient", urteilt die Zeitung ND DIE WOCHE.
Die TAZ urteilt: "Für die schwarz-rote Koalition sind diese Zahlenspielchen ein neuer Tiefpunkt, so kurz nach dem Beginn der gemeinsamen Regierungsarbeit. Für die SPD wäre ein wie auch immer definiertes 5-Prozent-Ziel nicht tragbar. Nun ist die Frage, ob Merz noch mal zu seiner Besonnenheit findet – und sein Kabinett darauf einschwören kann."
Die FREIE PRESSE aus Chemnitz argumentiert: "Man mag Wadephul unterstellen, dass er mit seiner neuen Unterstützung die USA ködern will. Indem er Trumps Fantasiezahl zustimmt, sorgt er dafür, dass der US-Präsident der NATO gewogen bleibt. Doch ob sich Trump von diesem Zahlenfeuerwerk blenden lässt, ist längst nicht gesagt. Und ohnehin: Die Industrie hat teilweise schon jetzt nicht genug Kapazitäten, um schnell mehr Waffen zu liefern. Auch bei der notorischen Personalknappheit helfen neue Milliarden nicht. Für die Verteidigungsbereitschaft kommt es weniger auf Zahlen als auf Fähigkeiten an", gibt die FREIE PRESSE zu bedenken.
Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG meint: "Früher waren Diplomaten damit ausgelastet, in verschiedenen Ländern unterwegs zu sein. Das genügt nicht mehr. Wer sich 2025 behaupten will, muss in der Lage sein, sich in mindestens zwei Paralleluniversen gleichzeitig zu bewegen – also zugleich in der Wirklichkeit wie auch in der Welt, die sich im Kopf von Donald Trump abspielt. Nur vor diesem Hintergrund sind die jüngsten Äußerungen des neuen Außenministers Wadephul zu astronomisch steigenden Verteidigungsausgaben in der NATO vollständig zu verstehen", so die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG und damit soviel zu diesem Thema.
Die RHEIN-NECKAR-ZEITUNG blickt auf das gescheiterte Spitzentreffen der Präsidenten Selenskyj und Putin: "Damit hat sich Putin ein Eigentor geschossen: Erst einen Friedensgipfel ankündigen, dann die dritte Garde schicken und selbst fern bleiben – so wird das nichts mit einem Ende des Krieges in der Ukraine."
Die Magdeburger VOLKSSTIMME fragt: "Wie soll die Welt mit Russland umgehen? Dessen Führer Wladimir Putin ist jetzt fast so lange an der Macht wie Stalin. Es ist eine Herrschaft der Marke Iwan der Schreckliche. Gehofft hatte der Westen insgeheim auf einen Wladimir den Wendigen, der sich mit der Krim und dem Wiederaufstieg zur Großmacht zufriedengibt. Ein Irrtum. Dennoch muss gelten, was Friedrich Merz bekräftigt hat: Deutschland darf nicht in diesen Krieg hineingezogen werden. Russland kann nur geknackt werden, wenn es politisch isoliert und wirtschaftlich ausgetrocknet wird", ist die VOLKSSTIME aus Magdeburg überzeugt.
Die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG betrachtet generell die Kriegsparteien und deren Unterstützer: "Trump hat oft klargemacht, dass er diesen Krieg für einen Fehler hält, der hätte verhindert werden müssen. Klar ist: Putin hat diesen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gestartet. Aber die Frage darf nicht ignoriert werden: Wie viel Mitverantwortung zur Eskalation trug Joe Biden, und wie viel die Westeuropäer? Oder wie würde Washington reagieren, wenn China in Mexiko Militärstützpunkte bauen und dort Soldaten, Raketen und Geschütze stationieren würde? Realismus muss sich auf allen Seiten durchsetzen. Kiew sollte zusichern, keine Nato-Mitgliedschaft anzustreben. Im Gegenzug muss Putin garantieren, dass Kiew seinen Weg Richtung EU weitergehen kann, als unabhängiger, demokratischer und verteidigungsfähiger Staat", fordert die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG.
Die LAUSITZER RUNDSCHAU aus Cottbus blickt auf die stark gesunkene Steuerschätzung und den neuen Bundesfinanzminister: "Klingbeil, der noch nicht knietief in Finanz- und Haushaltsthemen steckt, muss Tempo machen. Es fehlt ihm die Zeit, sich wochenlang in die Materie einarbeiten. Er erklärte in dieser Woche im Bundestag schon, dass er viel auf die Mitarbeitenden im Finanzministerium setzen wird. Ob die Finanzbeamten sich trauen werden, den Rotstift an Lieblingsprojekte wie reduzierte Gastro-Steuer, die Rückkehr der Agrardiesel-Subvention, Mütterrente oder festgeschriebenes Rentenniveau zu setzen, wird sich zeigen", notiert die LAUSITZER RUNDSCHAU.
Und die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG meint: "Bisher spricht aus Lars Klingbeil eher der gravitätische sozialdemokratische Vizekanzler als der neue Bundesfinanzminister. Die Kabinettsbeschlüsse am 25. Juni werden zeigen, wie gut er im Amt angekommen ist. Die Steuerschätzung macht klar: Die Verteilungsspielräume sind enger als bisher prognostiziert. Dies sollte alle Minister warnen, die darauf schielen, Reformaufgaben einfach durch Bundeszuschüsse zu ersetzen, was Lobbyverbände nicht nur in der Pflege- und Gesundheitspolitik lautstark fordern. Gibt Klingbeil nach, wird er seinem Anspruch nicht gerecht werden, als 'Investitionsminister' das deutsche Wachstumspotential zu stärken", ist die F.A.Z. überzeugt.