20. Mai 2025
Die Presseschau aus deutschen Zeitungen

Kommentiert werden die anhaltende Debatte über Grenzkontrollen sowie die Präsidentenwahlen in Rumänien und Polen. Die Zeitungen beschäftigen sich zudem mit dem Gipfeltreffen der EU und Großbritanniens, bei dem beide Seiten eine Reihe von Abkommen für eine engere Zusammenarbeit geschlossen haben.

EU-Großbitannien-Gipfel in London
EU-Großbitannien-Gipfel in London (Kin Cheung/PA Wire/dpa)
Das STRAUBINGER TAGBLATT stellt dazu fest: "Der Pragmatismus hat das Prinzip Konfrontation weitgehend abgelöst. Es ist eine in diesen unsicheren Zeiten dringend notwendige und lobenswerte Entwicklung. Sicher, die Ergebnisse sind nur ein erster Schritt – und die roten Linien der Labour-Regierung bleiben: kein Wiedereintritt in den EU-Binnenmarkt und kein Beitritt zur Zollunion. Aber der Stil hat sich verändert. Weg vom symbolischen Dauerstreit, hin zu sachlicherer Abstimmung zumindest dort, wo es gemeinsame Interessen gibt", lobt das STRAUBINGER TAGBLATT.
"Mit dem neuen, pragmatischen Premier Keir Starmer scheint nun endlich eine Normalisierung der Beziehungen möglich", schreibt die NEUE PRESSE aus Coburg. "Doch auch er bewegt sich auf dünnem Eis. Die jüngsten Erfolge des rechtsnationalen Populisten Nigel Farage sind eine deutliche Warnung an ihn, dass die Spaltung der britischen Gesellschaft weiter sehr tief ist. Den wichtigsten Schritt haben beide Seiten bei einem Thema gemacht, das anfangs hinten auf der Verhandlungsliste stand. London und Brüssel arbeiten an einem neuen Sicherheitspakt."
DIE TAGESZEITUNG ist von dem Treffen in der britischen Hauptstadt kaum beeindruckt: "Je größer die Worte, desto kleiner die Wirklichkeit. Das macht der Gipfel zwischen Großbritannien und der Europäischen Union in London besonders deutlich. 'Ladies and Gentlemen, Großbritannien ist zurück auf der Weltbühne', tönt Premierminister Keir Starmer wie ein schlechter Showmaster. Aus seinem 'reset' - Neustart - mit der EU wird jetzt eine 'neue Ära'. Die Gipfelergebnisse aber sind fast nur Absichtserklärungen", kritisiert die TAZ.
"Wie stark Symbolpolitik greift, lässt sich an der Annäherung von EU und Großbritannien beobachten", bemerkt auch die WESTDEUTSCHE ZEITUNG aus Düsseldorf. "Glamourös inszenierten Premierminister Keir Starmer und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen im Londoner Lancaster House neue Lust aufeinander. Und schon ist sie da: die Debatte, ob denn der Brexit nicht zurückgedreht werden könnte. So leicht ist das aber nicht."
Das glaubt auch DIE GLOCKE aus Oelde: "Auf der Insel ist Umfrageergebnissen zufolge vielen Menschen mittlerweile bewusst geworden, dass der 2016 in einer Volksabstimmung beschlossene Brexit vielleicht doch keine so gute Idee war. Den Umkehrschluss zu ziehen, dass sich Premier Keir Starmer und seine Labour-Regierung nun bald um eine Wiederaufnahme in die EU bemühen könnten, verbietet sich jedoch. Zu stark und zu einflussreich ist das Anti-Europa-Lager noch immer."
Themenwechsel. Nach dem Sieg des proeuropäischen Kandidaten Dan bei der Präsidentenwahl in Rumänien konstatiert die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG: "Es ist kein Naturgesetz, dass populistische oder nationalistische Kandidaten in der EU unaufhaltsam vorrücken. Der bisherige Bukarester Bürgermeister Nicușor Dan ist alles andere als ein Volkstribun. Er kann und will seine Herkunft als tüftelnder Mathematiker nicht verleugnen. Dass er bald Präsident sein wird, bedeutet zugleich eine Stärkung des liberalen, proeuropäischen Lagers in Rumänien insgesamt", analysiert die F.A.Z.
"Dass sich im Rennen um die rumänische Präsidentschaft der liberale Nicușor Dan gegen den ultrarechten George Simion durchsetzen konnte, ist ein Sieg für Europa", bekräftigt DER TAGESSPIEGEL aus Berlin. "Unverhohlen hatte sich Simion im Wahlkampf als Bewunderer von US-Präsident Trump geoutet und dafür eingesetzt, die Unterstützung für die Ukraine zurückzufahren und die Menschenrechte einzuschränken. Anlass für euphorischen Jubel ist der Sieg seines pro-europäischen Kontrahenten Nicușor Dan jedoch nicht. Denn immerhin haben 46 Prozent der Rumäninnen und Rumänen für Simion gestimmt", gibt DER TAGESSPIEGEL zu bedenken.
Zur Wählerschaft des rechten Kandidaten heißt es in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG: "Es sind jene Rumänen, die oft zu miesen Bedingungen auf den Feldern, auf dem Bau oder in privaten Haushalten schuften. Die dafür nicht nur im eigenen Land verachtet werden (was sie anfällig für Simions Versprechen machte, ihnen die Würde zurückzugeben), sondern auch von der EU selbst. Bis Anfang 2025 durfte Rumänien, obwohl seit 2007 EU-Mitglied, nicht voll am Schengenraum teilnehmen, was vor allem den Auslandsrumänen das Leben schwer machte. Rumänien, das die Entscheidungen der EU hingebungsvoll mittrug, blieb für die EU ein Mitglied zweiter Klasse", erinnert die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG.
In Polen kommt es zu einer Stichwahl um das Amt des Präsidenten. In der ersten Runde lag der Bewerber der regierenden liberalen Bürgerplattform, Trzaskowski, knapp vor dem Kandidaten der nationalkonservativen PiS-Opposition, Nawrocki. Die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG befürchtet: "Ein Präsident der nationalistischen PiS könnte das Land wieder auf einen anti-europäischen Kurs bringen. Daran, dass die Skepsis gegenüber der EU in den vergangenen Jahren europaweit gewachsen ist, trägt die Gemeinschaft Mitschuld. Zu oft schürt sie Erwartungen, die nicht oder nur zum Teil erfüllt werden. Infolgedessen fragen sich viele Bürger, ob die EU-Mitgliedschaft für ihr Land von Vorteil ist", vermutet die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG.
DIE RHEINPFALZ aus Ludwigshafen hofft bei der Stichwahl am 1. Juni auf einen Sieg des Liberalen Trzaskowski, der der Partei von Regierungschef Tusk angehört. Die Zeitung analysiert: "Nach dem Regierungswechsel 2023 hatte Tusk versprochen, nach acht verheerenden Jahren PiS-Regierung die Rechtsstaatlichkeit wiederherzustellen und Polen wieder stärker an die EU anzubinden. Ausgebremst wurde er vom PiS-treuen Präsidenten Andrzej Duda, der sein Vetorecht nutzte, um Tusks Pläne zu blockieren. Nach zwei Amtszeiten durfte Duda nicht erneut antreten. Tusk und Trzaskowski stehen jetzt zwei schweißtreibende Wochen bevor: Sie werden kreuz und quer durchs Land reisen müssen, um bislang unentschlossene Wähler für ihren liberalen Kurs zu gewinnen. Und das zu einem Zeitpunkt, wo der Zauber des Anfangs der Tusk-Regierung verflogen ist und die Popularität des einstigen Hoffnungsträgers stetig sinkt", ist in der RHEINPFALZ zu lesen.
Eine Stellungnahme der Gewerkschaft der Polizei, wonach die verschärften Kontrollen und Zurückweisungen von Asylsuchenden an deutschen Grenzen nicht lange durchzuhalten sind, geben der Diskussion über das Thema neue Nahrung. Der REUTLINGER GENERAL-ANZEIGER notiert: "Neben Kritik aus dem linken Lager, welches vor allem Europarechtsverstöße anprangert, gehen dem rechten Lager die Maßnahmen nicht weit genug. Größte Kritikerin ist aber die Gewerkschaft der Polizei, deren Experten klarstellen: Die Kontrollen können nur noch wenige Wochen aufrechterhalten werden. 1.000 zusätzliche Beamte an der Grenze sorgen für zahllose Überstunden, ausgesetzte Fortbildungen und massiv veränderte Dienstpläne - nicht zu vergessen, immense Kosten. Generell steht auch die Frage im Raum, ob Mehrkontrollen überhaupt nötig sind, da die Grenzschutzbehörde Frontex schon seit Beginn des Jahres einen deutlichen Rückgang der illegalen Migration verzeichnet", merkt der REUTLINGER GENERAL-ANZEIGER an.
Der NORDBAYERISCHE KURIER meint: "Um die Reisefreiheit in vollem Umfang anbieten zu können, muss erst das Sicherheitsgefühl innerhalb aller Länder wiederhergestellt sein. Momentan eint die Europäer vor allem Unsicherheit und Überforderung im Umgang mit Migranten. Grenzkontrollen bringen das Gefühl der Sicherheit zurück und damit mittelfristig auch das Bewusstsein dafür, wie außergewöhnlich die letzten Jahrzehnte waren. Die Offenheit war ein schönes Experiment, vielleicht ist Europa in ein paar Jahren wirklich bereit dafür." Das war der NORDBAYERISCHE KURIER aus Bayreuth, und damit endet die Presseschau.