28. Mai 2025
Die Presseschau aus deutschen Zeitungen

Im Mittelpunkt der Kommentare stehen Aussagen von Bundeskanzler Merz zum russischen Angriffskrieg in der Ukraine und seine Kritik an Israels Vorgehen im Gazastreifen. Weiteres Thema ist der Deutsche Ärztetag in Leipzig.

Friedrich Merz im Portrait
Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) hat Israels Vorgehen im Gazakrieg kritisiert - das ist ein Thema in den Kommentaren. (AP / Ebrahim Noroozi)
Zur Ukraine-Strategie des Kanzlers bemerkt die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG: "Inzwischen kann man den Eindruck bekommen, dass Friedrich Merz sich selbst in seiner Uneindeutigkeit verliert. Das war schon vor knapp drei Wochen in Kiew so, als er Russland ultimativ zu einem Waffenstillstand aufgefordert hat, was Moskau seither mit Raketengewittern auf die Ukraine beantwortet. Die von Merz angedrohten 'massiven' neuen Sanktionen sind jedoch bis heute ausgeblieben. Ähnlich verwirrend war nun die Aussage des Kanzlers dazu, dass die westlichen Verbündeten der ukrainischen Armee keine Vorgaben dazu mehr machen, wie weit nach Russland hinein sie mit den gelieferten Waffen schießen darf. Was meint der Bundeskanzler damit? Dass das ein Hinweis auf die Lieferung der weitreichenden deutschen Taurus-Marschflugkörper sei, weist die Bundesregierung von sich. Aber warum sinniert der Kanzler über Reichweiten und deren angebliche Beschränkung, wenn das für die deutschen Waffensysteme in der Ukraine in der Praxis gar keine Relevanz hat?", fragt die SZ.
Die LÜBECKER NACHRICHTEN sehen in der Erklärung von Merz zur Aufhebung der Reichweitenbegrenzung eine Kehrtwende der deutschen Politik: "Dazu passt, dass er zuvor angekündigt hat, über Waffensysteme, die der Ukraine geliefert werden, öffentlich nicht mehr zu sprechen. Demnach kann Taurus jetzt kommen, ohne dass Moskau seine Kriegsstrategie vorab darauf aufbauen kann. Debatten über die Transparenz im eigenen Land wird die neue Koalition von Union und SPD aushalten müssen. Das von Merz jetzt intonierte Vorgehen ist nötig für den Umgang mit einem mutmaßlichen Kriegsverbrecher, der feige aus dem Schutz des Kreml heraus Soldaten wie Zivilisten, Männer, Frauen, Kinder, alte und junge Menschen in den Tod schickt", urteilen die LÜBECKER NACHRICHTEN.
Die TAGESZEITUNG - TAZ - geht der Frage nach, wo man ansetzen könne: "Um Putins Verhandlungswillen zu fördern, werden regelmäßig noch härtere westliche Sanktionen als Alternative zu Waffenlieferungen ins Spiel gebracht. Dass diese bisher nicht den gewünschten Effekt erzielen, liegt auf der Hand. Wobei die Gründe dafür mannigfaltig und größtenteils hausgemacht sind. Doch auch, wenn es da noch reichlich Luft nach oben gibt – ein Kanzler Friedrich Merz allein wird es nicht richten", schätzt die TAZ.
Die FREIE PRESSE aus Chemnitz argumentiert: "Nicht nur konkrete Handlungen, sondern auch strategisch geschickt gewählte Worte verändern bereits die außenpolitische Situation. Putin weiß jetzt, dass er sich weniger in Sicherheit wiegen kann. Dass viele Optionen offenstehen, wenn es darum geht, ihn stärker zurückzudrängen. Das hat Merz geschafft. Merz hat zu seinem Start die Europäer gut zusammengeführt, er ist sehr wirkungsvoll auf kleinere und größere Länder zugegangen. Die große Herausforderung wird sein, eine gemeinsame Ukraine-Politik der Europäer auch dann durchzuhalten, falls die USA unter Präsident Trump womöglich aussteigen sollten. Dann werden deutliche Worte nicht reichen. Dann braucht es erheblich größere Anstrengungen", meint die FREIE PRESSE.
Themenwechsel. Die RHEINISCHE POST aus Düsseldorf geht ein auf Merz' Kritik an Israels Vorgehen im Gazastreifen: "Dass ein deutscher Kanzler Israel die Verletzung des Völkerrechts vorwirft, ist neu. Die Unverbrüchlichkeit der Beziehungen steht nicht in Frage, das macht die Regierung klar. Und nicht in Frage steht auch, dass Israel nach dem barbarischen Überfall am 7. Oktober 2023 jedes Recht hat, sich zu verteidigen und gegen den Hamas-Terror vorzugehen. Aber die Frage nach der Verhältnismäßigkeit muss sich Israel gefallen lassen - auch von einem deutschen Kanzler", hebt die RHEINISCHE POST hervor.
Die AUGSBURGER ALLGEMEINE schreibt: "Dass ein deutscher Kanzler der israelischen Regierung offen vorwirft, das humanitäre Völkerrecht zu verletzen, ist nicht anders zu werten denn als außenpolitischer Kurswechsel. Es ist ein überfälliger Schritt, denn längst lief Deutschland Gefahr, seine politische Glaubwürdigkeit zu verspielen. Das Offensichtliche mit hohlen Phrasen umzudeuten, wirkt umso fahrlässiger in einer Welt, in der die schützende Hand des Rechts von so vielen Akteuren infrage gestellt wird." Das war die AUGSBURGER ALLGEMEINE.
Das HAMBURGER ABENDBLATT argumentiert: "Natürlich hat Israel Recht, dass der Schlüssel zur Beendigung des Kriegs in den Händen der Hamas liegt. Geben die Terroristen die Geiseln heraus, ist der Krieg zu Ende. Aber diese Entscheidung liegt nicht in den Händen der Menschen in Gaza, die von der Hamas ebenfalls zu Geiseln gemacht wurden. Daher müssen sie besser geschützt und mit Nahrung und Medikamenten versorgt werden. Das ist selbstverständlich und es darf niemals einen Grund geben, von diesem Grundsatz des Völkerrechts eine Ausnahme zu machen. Der kluge Botschafter Israels sagt, dass man bei dieser Kritik 'sehr genau zuhört', weil der Kanzler ein Freund sei. Damit hat Ron Prosor Recht. Die Regierung Netanjahu sollte auf den Freund Deutschland hören und Schlüsse daraus ziehen", empfiehlt das HAMBURGER ABENDBLATT.
Nun geht es um den Deutschen Ärztetag in Leipzig. Die WIRTSCHAFTSWOCHE erläutert: "Kranken- und Pflegeversicherung schweben in großer Not. Sie müssten umgebaut werden, wenn nun viel mehr Menschen älter werden und Leistungen beanspruchen, künftig aber weniger Erwerbstätige Beiträge zahlen. Schon jetzt klettern die Beiträge von Rekord zu Rekord. Bundesgesundheitsministerin Warken hat bei den lautesten Kritikern einer kostenbewussten Gesundheitspolitik, den Ärzten, trotzdem zunächst einmal gut Wetter gemacht. An sich ist das richtig, Sozialreformen brauchen breite Unterstützung und alle Einsichtigen, wenn gekürzt werden muss. Doch Warken wagte kein Wort zu Auswegen. Keine Kritik an doppelten Untersuchungen wie medizinisch fragwürdigen Ergebnissen bei teuren Operationen. Kein Hinweis, dass die Ärzte durch Standesdenken die Digitalisierung oft ausbremsen und eine überholte Trennung zwischen ambulanter und stationärer Versorgung hochhalten. Der Koalitionsvertrag ist ungenau genug, da wäre eine klare Position der Ministerin schon hilfreich", betont die WIRTSCHAFTSWOCHE.
Die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG vermutet: "Noch hoffen beide Seiten, die wachsende Finanznot im Gesundheitssystem im Konsens anzugehen. Die in Leipzig versammelte Ärzteschaft respektierte, dass sich Gesundheitsministerin Nina Warken erst einfinden muss. Sie mied im Gegenzug klare Sparbotschaften. Doch als Arbeitsauftrag formulierte Ärztepräsident Klaus Reinhardt bereits die Erwartung, Warken möge 'pauschale Sparmaßnahmen' verhindern und mehr Geld auftreiben. Je schneller die CDU-Politikerin dieser Hoffnung den Boden entzieht, desto besser", hält die F.A.Z. fest.
Die SÜDWEST PRESSE aus Ulm hebt hervor, anders als ihr Vorgänger Lauterbach sehe Ministerin Warken die Akteure im Gesundheitssystem als ... "... Partner und nicht als Lobbyisten, die man bei Gesetzesvorhaben links liegen lassen kann. Kommunizieren statt nur informieren, heißt das bei ihr. Also reden und um bestmögliche Lösungen ringen. So will sie sich bei der Einführung des Primärarztsystems, bei dem man immer erst zum Hausarzt muss, der entscheidet, ob ein Facharzt konsultiert wird, ausdrücklich auf das beziehen, was vor einem Jahr vom Ärztetag verabschiedet wurde. Mit dieser Art dürfte sie die Bereitschaft der Mediziner, bei den Reformen mitzuziehen, deutlich erhöhen. Zumal auch denen, so Ärztepräsident Klaus Reinhardt, längst klar ist, dass man nicht immer nur nach mehr Geld rufen, sonst aber alles beim Alten lassen kann. Man muss an die Strukturen, wenn man nicht, so Reinhardt, in absehbarer Zeit den Kollaps des Systems riskieren wolle. Freundlicher Dialog auf Augenhöhe ist schön und gut. Aber er muss jetzt auch rasch zu Ergebnissen kommen", mahnt die SÜDWEST PRESSE.