
Die FRANKFURTER RUNDSCHAU sieht die deutsche Außenpolitik vor schwierigen Aufgaben: "Zwar ist Mitleid mit Spitzenpolitikern in der Regel nicht angebracht: Sie haben ihre Ämter selbst angestrebt, und das teilweise über Jahrzehnte. Für Kanzler Friedrich Merz, der am Mittwoch in die USA reist, um Donald Trump zu treffen, gilt aber ebenso sehr wie für Außenminister Johann Wadephul, der gerade von dort zurückgekehrt ist: Zu beneiden sind sie tatsächlich nicht. Der deutschen Außenpolitik bleibt bis auf weiteres nichts anderes übrig, als einer Illusion zu folgen. Sie muss so tun, als wäre dieses Trump-Amerika noch ein Verbündeter – wohl wissend, dass es, zumindest was gemeinsame demokratische Überzeugungen angeht, keiner mehr ist", unterstreicht die FRANKFURTER RUNDSCHAU.
Das HANDELSBLATT macht sich Gedanken darüber, wie Kanzler Merz in Washington wohl empfangen werden wird: "Eigentlich wäre es besser gewesen, Trump und Merz hätten sich direkt auf dem Golfplatz verabredet, legen Washington-Insider nahe. Schließlich ist das Oval Office zur Gefahrenzone geworden. Man weiß nie, welchen Trump man bekommt: Häufig ist er Mr. Charming, der stolz sein neues 'Bling-Bling'-Büro präsentiert. Dazu muss man wissen, dass Trump das Oval Office mit goldenen Ornamenten hat vollpflastern lassen. Adlerstatuen wurden aus Mar-a-Lago eingeflogen, der Kaminsims und sogar Fernbedienungen wurden golden angesprüht. Das Büro ähnelt jetzt dem Schloss Versailles. Zumindest einem Versailles, das auf Temu feilgeboten werden würde. Wenn Merz Pech hat, erwischt er Trump an einem schlechten Tag, an dem der Präsident einen hochrangigen Auslandsbesucher angehen will. Am besten im Livestream, damit es auch jeder mitkriegt", befürchtet das HANDELSBLATT.
Die WESTDEUTSCHE ZEITUNG aus Wuppertal geht davon aus, dass der Besuch von Merz zum Balanceakt werden wird. Denn Deutschland könne sich eine Abkehr von den USA vorerst nicht erlauben: "Jenen, die Merz jetzt 'klare Kante' empfehlen, sei auch gesagt, dass Europa trotz aller ersten Bemühungen um mehr eigene Stärke noch lange auf die USA wird zählen müssen. Selbstbewusstsein zur einzigen Maxime zu erheben und aus dem Besuch im Weißen Haus eine Showveranstaltung in eigener Sache zu machen, kann nicht Merz‘ Anliegen sein. Angst aber auch nicht. Trump muss Verbündeter bleiben. Und Europa muss zugleich dieses Bündnis in eigenem Interesse über die kommenden Jahre immer weniger wichtig machen", gibt die WESTDEUTSCHE ZEITUNG zu bedenken.
Die MÄRKISCHE ODERZEITUNG aus Frankfurt (Oder) ist davon überzeugt, dass Kanzler Merz auch in Europa erhebliche Zugeständnisse machen muss: "Der Friedenskontinent Europa muss Abschreckung und Verteidigung lernen, und das ohne den Rückhalt der Schutzmacht Amerika, die ökonomisch sogar auf Attacke schaltet. Wie so oft in der europäischen Geschichte könnte nun aus der Krise der nächste große Integrationsschritt erwachsen. Das aber würde bedeuten, dass Macht und Geld aus Berlin in Richtung Brüssel abfließen. Mal sehen, was der Europäer Merz davon hält", fragt sich die MÄRKISCHE ODERZEITUNG.
Auch die AUGSBURGER ALLGEMEINE sieht die Bundesregierung vor erheblichen wirtschaftlichen Herausforderungen. Die Zeitung beschäftigt sich mit dem Sondervermögen für die Sanierung der Infrastruktur und befürchtet, dass es politisch vereinnahmt wird: "Im Wahlkampf hatte der CDU-Chef noch versichert, die Schuldenbremse einzuhalten. Dieses Versprechen fiel dann in den Koalitions-Vorgesprächen mit der SPD. Merz sollte sich davor hüten, die Gläubiger seiner Politik – also die Wähler – nur wenige Monate nach der ersten Täuschung ein zweites Mal hinter die Fichte zu führen. Die Milliarden aus dem Sondervermögen dürfen nicht zum Geldtopf werden, in den Konservative und Sozialdemokraten greifen, um alles Mögliche zu finanzieren. Auch die Wirtschaftsweisen haben jüngst darauf hingewiesen, dass das gewaltige Investitionsprogramm die Wachstumskräfte nur stärken kann, wenn das Geld vollständig investiert und nicht für Wahlgeschenke verkonsumiert wird", mahnt die AUGSBURGER ALLGEMEINE.
Themenwechsel. Das STRAUBINGER TAGBLATT kommentiert die Lage im Gazastreifen. Dass die Bundesregierung gegenüber Israel andere Töne anschlägt, sei gerechtfertigt: "Es ist offensichtlich, dass an einer Fortsetzung des Krieges den Anführern auf beiden Seiten gelegen ist. Ein Ausweg wird erst zu finden sein, wenn die israelische Regierung und die Hamas-Führung ihn wirklich gehen wollen. Das jedoch zeichnet sich nicht ab. Es ist deshalb richtig, dass die Bundesregierung ihre Israel-Politik überdenkt", hebt das STRAUBINGER TAGBLATT hervor.
Anders sieht es die NORDWEST ZEITUNG aus Oldenburg. Die Zeitung ist der Meinung, die Bundesregierung leiste damit dem Antisemitismus in Deutschland Vorschub: "Opportunismus ist der politische Grundcharakter des Friedrich Merz. Glasklar ist dagegen, was sie bewirkt: Antisemitismus unter dem Deckmantel der 'Israelkritik' darf für sich nun den Segen des Kanzlers in Anspruch nehmen. Genozid-Träumer, die 'From the river to the sea'-Typen, die auch gern deutsche Polizisten verdreschen, werden sich bestärkt fühlen. In islamistischen Kreisen wird Merz als nützlicher Idiot gelten, der sich schützend vor eine Organisation stellt, die Teil der großen antiwestlichen islamischen Koalition ist", moniert die NORDWEST ZEITUNG.
DIE TAGESZEITUNG kritisiert die mangelnde Hilfe für die Zivilbevölkerung im Gaza-Streifen. Israel durchbreche dort Prinzipien, die es aus gutem Grund seit langem gebe: "Hungerhilfe muss Bedürftige direkt erreichen, ihre Verteilung muss neutral bleiben und darf keiner Willkür unterliegen, sie muss unabhängig von den Kriegsparteien und ohne Militarisierung geleistet werden. Was Israel im Gazastreifen veranstaltet, spricht all diesen Prinzipien Hohn. Eine private Stiftung sollte in den Worten von Israels Ministerpräsident Netanjahu 'minimale' Hilfe leisten, also gerade mal so viel, dass die Leute nicht alle verhungern. Es funktioniert nicht, und wahrscheinlich soll es auch nicht funktionieren. Israel macht Hungerhilfe zum Gnadenakt für Auserwählte. Die Rechtfertigung, man müsse Diebstahl durch die Hamas verhindern, ist lächerlich, denn was mit diesen Hilfsgütern passiert, ist noch viel unklarer als bei regulären UN-Hilfsaktionen", findet die TAZ.
Die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG beschäftigt sich mit den gestern in Kraft getretenen Änderungen beim Mutterschutz. Ab sofort können Frauen auch nach einer Fehlgeburt Mutterschutz in Anspruch nehmen. Die F.A.Z. findet das neue Gesetz alles in allem "klug": "Dass Frauen nach Fehlgeburten nun ein Recht auf Mutterschutz haben, bricht noch nicht das Tabu, mit dem das Thema bisher belegt ist. Aber das neue Gesetz ist ein wichtiger Schritt gegen die gesellschaftliche Sprachlosigkeit - und eine konkrete Hilfe für die vielen Frauen, die im Laufe ihres Lebens Fehlgeburten haben. Das neue Gesetz begegnet den unterschiedlichen Fällen auf kluge Weise: indem es Schutz bietet, ohne Frauen zu zwingen, ihn in Anspruch zu nehmen. Und indem es Frauen je nach Zeitpunkt des Aborts unterschiedlich lange Pausen ermöglicht. Nicht alle individuellen Schicksale mögen dadurch angemessen berücksichtigt werden, aber für die Mehrzahl der Frauen dürfte die Verbesserung spürbar sein", kommentiert die F.A.Z.
Auch die MEDIENGRUPPE BAYERN lobt die neuen Regeln - sieht aber noch Lücken: "Dass Betroffene sich künftig nicht mehr ab der 24., sondern schon ab der 13. Schwangerschaftswoche auf eine Mutterschutzfrist berufen dürfen, ist ein Fortschritt. Warum jedoch Selbstständigen, die privat versichert sind, diese Rechte nicht zugesprochen werden, ist wenig nachvollziehbar. Hier muss die neue Regierung unbedingt nachbessern. Bei so einem sensiblen Thema darf niemand ausgeschlossen werden." Mit dieser Stimme der MEDIENGRUPPE BAYERN endet die Presseschau.