04. Juni 2025
Die Presseschau aus deutschen Zeitungen

Themen sind der Bruch der Regierungskoalition in den Niederlanden und die Präsidentschaftswahl in Südkorea. Doch zunächst weitere Stimmen zur Entscheidung des Berliner Verwaltungsgerichts, das die Zurückweisung von Asylsuchenden bei Grenzkontrollen für rechtswidrig erklärt hat.

Innenminister Alexander Dobrindt (CSU) steht vor mehreren Mikrofonenn und gibt ein Pressestatement.
Ein Thema in den Kommentaren ist das Gerichtsurteil zu den von Bundesinnenminister Dobrindt (CSU) angeordneten Zurückweisungen von Asylsuchenden an den deutschen Grenzen (Archivbild). (picture alliance / dpa / Fabian Sommer)
Für die RHEINISCHE POST aus Düsseldorf ergibt sich aus dem Urteil folgende Konsequenz: "Deutschland ist also verpflichtet, auf dem eigenen Staatsgebiet das sogenannte Dublin-Verfahren zu starten, um festzustellen, welcher EU-Mitgliedsstaat für die Schutzsuchenden zuständig ist. Bei dem konkreten Fall ging es um zwei Männer und eine Frau aus Somalia, die aus Frankfurt (Oder) nach Polen ausgewiesen worden sind. Der Bundesinnenminister strebt nun ein Verfahren in der Hauptsache an. Und hier hat Dobrindt die Prioritäten falsch gesetzt: Als Innenminister hat er geltende Gesetze zu respektieren – und nicht per Anordnung umzudeuten. Denn der Schutz von Flüchtlingen ist ein äußerst starkes Recht", mahnt die RHEINISCHE POST.
Die THÜRINGER ALLGEMEINE aus Erfurt findet: "Der Vorgang ist aus zwei Gründen bemerkenswert: Zum einen ist erstaunlich, wie schnell ein zentrales Wahlkampfversprechen den Innenminister und damit auch Kanzler Friedrich Merz in Verlegenheit bringt. Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Zurückweisungen gab es seit Monaten zuhauf. Zum anderen fällt auf, mit welcher Selbstverständlichkeit Dobrindt ins volle politische Risiko geht. Im Grunde bräuchte er jetzt schnell eine anderslautende Entscheidung eines anderen Verwaltungsgerichts in einem anderen Fall, um wieder in die Vorhand zu kommen", hält die TÜHRINGER ALLGEMEINE fest.
"Dobrindt und Merz können jetzt nicht die Segel streichen", schreibt das FLENSBURGER TAGEBLATT und argumentiert: "Auf der einen Seite sitzt ihnen eine 20-Prozent-AfD im Bundestag im Nacken, die der neuen Bundesregierung jeden Tag abspricht, es mit einer Reduzierung der Flüchtlingszahlen ernst zu meinen. Auf der anderen Seite ist ein großer Teil der Bevölkerung nach wie vor hilfsbereit, möchte aber nicht mehr, dass die Integrationsfähigkeit der Gesellschaft überstrapaziert wird. Um Vertrauen zurückzugewinnen, ist es für die neue Bundesregierung geradezu zwingend, zu beweisen, dass Steuerung und Begrenzung von Migration noch möglich sind. Dobrindt bewegt sich nun bis zu einer abschließenden gerichtlichen Klärung mindestens in einer rechtlichen Grauzone. Offenbar spielt er auf Zeit", vermutet das FLENSBURGER TAGEBLATT.
ZEIT ONLINE betont, es seien bereits erste spezielle Zentren zur Prüfung der Zuständigkeit bei den Asylverfahren von der Ampelregierung eröffnet worden: "Hätte Dobrindt effektiv dazu beitragen wollen, die Asylbewerberzahlen weiter zu senken, die Kommunen zu entlasten und die Bürger zu beruhigen, so hätte er die Pläne seiner Vorgängerin Nancy Faeser von der SPD nur schnell umsetzen müssen. Stattdessen wollte er – und will er anscheinend trotz der Niederlage vor Gericht immer noch – einen populistischen Punkt setzen. Friedrich Merz, der Meister der plötzlichen Kehrtwenden, sollte seinen Möchtegern-Hardliner zurückpfeifen, bevor er die Regierung weiter blamiert", empfiehlt ZEIT ONLINE.
Themenwechsel. Der KÖLNER STADT-ANZEIGER geht ein auf das Ende der Regierungskoalition in den Niederlanden, infolge dessen Ministerpräsident Schoof Neuwahlen angekündigt hat: "Gerade mal elf Monate hat das Vier-Parteien-Bündnis, das erste mit Wilders rechtspopulistischer PVV, gehalten. Für den Bruch gibt es einen einzigen Grund: Geert Wilders. Der 61-Jährige wiederholt, was er schon 2012 vorführte, als er ein Kabinett mittrug, damals noch als Unterstützer: Er stiehlt sich davon. Seine Lesart, die anderen Parteien hätten seine strenge Linie in der Migrationspolitik nicht mittragen wollen, ist bloße Theatralik. In Sachen Migration gab es kaum Differenzen, die drei Partner waren Wilders auf seinem Weg weit gefolgt. Gestört haben sie sich an der neuen Unterwerfungsgeste, die Wilders mit Unterschriften unter seinen Zehn-Punkte-Plan zur Einwanderung forderte", schätzt der KÖLNER STADT-ANZEIGER.
T-ONLINE beleuchtet Wilders' Pläne: "Der Rechtspopulist wollte eine Schließung aller Grenzen für Asylbewerber und forderte im Notfall sogar den Einsatz der Armee. Eine derartige Politik würde die Niederlande in der Europäischen Union politisch isolieren. Es war also ein kalkulierter Bruch, der nun einmal mehr die Regierungsgeschäfte in den Niederlanden zum Erliegen bringt. Rechtspopulisten wie Wilders geht es vor allem um Wählerstimmenmaximierung – und eben nicht um den politischen Erfolg einer Regierung. Sie profitieren von Chaos und Ängsten in der Bevölkerung, deshalb sind sie stets in Versuchung, ebendiese Unsicherheiten weiter zu befeuern", analysiert T-ONLINE.
Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG gibt zu bedenken: "Wilders ist kein normaler Politiker, kein verlässlicher Partner, der im Interesse der Allgemeinheit auch mal zurückstecken würde, im Wissen, dass es in einer parlamentarischen Demokratie nicht anders gehen kann. Er ist Instinktpopulist, unberechenbar, sprunghaft und rücksichtslos wie Donald Trump. Einer, der das Chaos lieber mag als den Kompromiss. Und der, wenn er keine Lust mehr hat – oder einen Vorteil darin wittert –, blitzschnell alles in die Luft wirft", meint die SZ.
Der REUTLINGER GENERAL-ANZEIGER schätzt: "Einerseits zeigt die Regierungskrise der Niederländer, dass eine Regierungsbeteiligung von Rechtspopulisten nicht zu belastbaren Lösungen und zu Stabilität führt. Andererseits ist die Diskussion um Zuwanderung das Einzige, was diese dorthin bringt – nur deshalb ist Wilders im Asylstreit jetzt bis zum Äußersten gegangen."
Das HANDELSBLATT beobachtet: "Auch anderswo im westlichen Europa geraten Konservative zunehmend in Versuchung, es mit den Rechtspopulisten und -extremen doch einfach mal zu probieren. Vielerorts auf kommunaler Ebene, in Österreich und Spanien etwa auch in den Bundesländern und Regionen. Tatsächlich funktionieren diese Bündnisse nicht selten scheinbar geräuscharm. Doch das Beispiel Niederlande zeigt: Spätestens auf nationaler Ebene, wenn es um die großen Themen geht, wird es schwierig. Dann ist Schluss mit der Bereitschaft zum Kompromiss, die sich manchmal auf regionaler Ebene zeigt." So weit das HANDELSBLATT.
Nun noch Stimmen zur Präsidentschaftswahl in Südkorea. Die Zeitung ND DER TAG erläutert: "Mit Lee Jae Myung regiert in Zukunft ein Mann in Südkorea, der vor einem halben Jahr das Parlament stürmte, um gegen die Kriegsrechtserklärung seines Amtsvorgängers Yoon zu stimmen, und damit eine Diktatur abzuwenden. Ist mit seinem Wahlsieg also wieder alles in trockenen Tüchern, die antidemokratischen Kräfte besiegt? Noch lange nicht. Wie in vielen Ländern hat auch in Südkorea die politische Polarisierung über die vergangenen Jahre zugenommen. Daran schuld sind nicht nur Influencer und ihre Konsumenten, sondern auch Politiker, die den kantigen Stil, der online viel geklickt wird, aber keine Grautöne kennt, kopieren", vermutet ND DER TAG.
Die OSTSEE-ZEITUNG aus Rostock stellt fest: "Knapp 80 Prozent aller stimmberechtigten Südkoreaner nahmen an der Präsidentschaftswahl teil. Das ist die wohl erfreulichste Nachricht aus dem ostasiatischen Tigerstaat: Dass die Bevölkerung, so zerstritten sie auch sein mag, von ihrem Recht auf freie Wahlen ausgiebig Gebrauch macht. Und der Grund dafür liegt auf der Hand: In Südkorea wird die noch junge Demokratie eben nicht als Selbstverständlichkeit betrachtet, sondern als eine hart erkämpfte Errungenschaft, die jederzeit wieder verloren gehen kann. Wahlsieger Lee Jae Myung steht vor einer nahezu unmöglichen Aufgabe. Neben all den realen Problemen des Landes, angefangen von der lahmenden Wirtschaft und den außenpolitischen Herausforderungen, muss der 60-Jährige überhaupt einmal dafür sorgen, eine funktionale Regierung auf den Weg zu bringen. Die Gefahr, erneut in eine Patt-Situation mit einer sich querstellenden Opposition festzustecken, ist hoch", kommentiert die OSTSEE-ZEITUNG, mit der die Presseschau endet.