11. Juni 2025
Die Presseschau aus deutschen Zeitungen

Heute mit Kommentaren zum aktuellen Verfassungsschutzbericht, Trumps militärischer Intervention in Los Angeles und dem Amoklauf in Graz.

Berlin: Alexander Dobrindt (CSU), Bundesinnenminister, stellt den Verfassungsschutzbericht 2024 vor. Er hält ein Diagramm in der Hand.
Bundesinnenminister Dobrindt stellt den Verfassungsschutzbericht 2024 vor. (Kay Nietfeld / dpa / Kay Nietfeld)
Zum Verfassungsschutzbericht und der steigenden Zahl von Extremisten schreibt die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG: "Die Kurve kennt nur eine Richtung: nach oben, immer nur nach oben. Und das schon seit geraumer Zeit. Was sagt es aber über eine Gesellschaft, wenn extremistische Ansichten offenbar nicht länger nur Randerscheinungen sind, sondern – wie im Fall der AfD im bürgerlichen Gewand – immer stärker in die Mitte des Gemeinwesens vordringen? Nichts Gutes, soviel ist klar. Deshalb ist der Verfassungsschutzbericht für das Jahr 2024, den Bundesinnenminister Alexander Dobrindt nun vorgelegt hat, wirklich erschütternd. So ist die Zahl aktenkundiger Rechtsextremisten binnen eines Jahres um fast ein Viertel auf mehr als 50.000 angestiegen. Und auch bei linken und islamistischen Extremisten bleibt das Niveau hoch, viel zu hoch. Offenbar verabschieden sich mehr und mehr Bürger – junge zumal – vom gesellschaftlichen Konsens einer liberal-rechtsstaatlichen Ordnung", stellt die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG besorgt fest.
Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG fragt: "Aber was folgt nun aus dieser Horrordiagnose? Da blieb Dobrindt am Dienstag erstaunlich zurückhaltend. Mehr Geld, mehr Personal für den Verfassungsschutz? Alles schwierig bei der Haushaltslage, nächstes Jahr vielleicht, sagt der Innenminister. Davon, dem Inlandsgeheimdienst, der übrigens seit mehr als einem halben Jahr keinen Präsidenten mehr hat und interimsmäßig von den beiden Vizes geleitet wird, wenigstens zusätzliche rechtliche und praktische Möglichkeiten zur Extremistenjagd zu geben, spricht er gar nicht erst konkret", moniert die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG.
Für die FRANKFURTER RUNDSCHAU ist die "entscheidende Frage": "Wie finden wir als Gesellschaft und als Staat aus dieser Spirale, damit der nächste Verfassungsschutzbericht nicht noch schlimmer wird als der gegenwärtige? Die neue Regierung sagt, sie wolle besser regieren, um die Probleme in den Griff zu bekommen – womit seitens der Union neben der Wirtschaftspolitik vor allem die Flüchtlingspolitik gemeint ist. Das ist sicher eine Antwort. Allerdings ist es auch keine vollkommen unproblematische. Denn wer Wählerinnen und Wähler extremistischer Parteien wie der AfD zurückgewinnen will, der begibt sich in die Gefahr, ihre Inhalte zu übernehmen. Ohnehin kann nicht allein die Abwehr von Migration im Vordergrund stehen. Es muss nicht minder um Integration gehen. Überdies muss, wer die Extremist:innen 'wegregieren' will, die sozialen Ängste der heimischen Bevölkerung ebenfalls ins Visier nehmen. Sie sind der Humus, auf dem Extremismus gedeiht", gibt die FRANKFURTER RUNDSCHAU zu bedenken.
Die MÄRKISCHE ODERZEITUNG analysiert: "Migration, Überalterung, Bürokratie, geopolitischer Wettbewerb und auch der Klimawandel stellen fast alle westlichen Gesellschaften vor immense Herausforderungen. Populisten verstehen es meisterhaft, die daraus resultierenden Ängste aufzugreifen, ohne selbst tragfähige Lösungen anzubieten. Der jüngste Verfassungsschutzbericht zeigt, dass Radikalisierung aus allen Richtungen entschieden begegnet werden muss. Doch Entwicklungen wie Populismus sind nicht Ursache, sondern Symptom einer Krise. Politische Systeme geraten unter Druck, wenn sie es nicht mehr schaffen, ihre Aufgaben zu erfüllen. Dass dies immer öfter der Fall ist, liegt auch an der Verfasstheit europäischer Demokratien. Gerade die Migrationspolitik offenbart ein überkomplexes System EU-rechtlicher Verflechtungen, das demokratische Spielräume einengt", erklärt die MÄRKISCHE ODERZEITUNG.
ND DER TAG hat eine ganz andere Sicht auf den vorgelegten Bericht. Die Zeitung wirft dem Verfassungsschutz vor, verschiedene politische Akteure als Extremisten gleichzusetzen und beide gleichermaßen als Gefahr für die Demokratie darzustellen: "Völkische Ideologie, die Rassisten und andere immer häufiger zu Gewalt gegen Menschen ohne Lobby ermuntert, wird weiter gleichgesetzt mit dem Bestreben Linker, den Kapitalismus zu überwinden und damit eine Ordnung, der Profitgier und Ausbeutung, Vereinzelung der Betroffenen, Aufrüstung, Krieg und Umweltzerstörung, also strukturelle Gewalt, immanent sind. All das zeigt, dass die Behörde nach wie vor eine politische Agenda hat", meint ND DER TAG.
Themenwechsel. Zu Trumps Militäreinsätzen wegen der Proteste in Los Angeles führt die TAGESZEITUNG aus Berlin aus: "Ein paar brennende Autos und Mülltonnen hin oder her: Der eigentlicheGewaltakt beginnt damit, ganze Bevölkerungsgruppen zu diffamieren und zu kriminalisieren, wie es Trump immer und immer wieder tut. Sein Mastermind des rassistischen Hasses, der stellvertretende Stabschef Stephen Miller, setzt das in Anweisungen an die Einwanderungsbehörde ICE um: Mindestens 3.000 papierlose Menschen müssten jeden Tag verhaftet und schnellstmöglich abgeschoben werden, gab Miller Ende Mai als Devise aus. Und das vollkommen unabhängig von Vorstrafen, familiärer Situation oder Einkommen. Das ist menschlich verkommen, ökonomisch wahnsinnig und letztlich Rassismus pur – also ungefähr das, was sich in Deutschland die AfD unter 'Remigration' vorstellt." Das war die Meinung der TAZ.
Die AUGSBURGER ALLGEMEINE konstatiert: "Dabei geht es Trump natürlich nicht um die Sicherheit von Los Angeles, sondern ausschließlich um sich und seine Agenda, um die Ausweitung seiner Befugnisse auf Kosten der Bundesstaaten. Für dieses Ziel nimmt er den Knall, das Chaos, den Showdown in Kauf. Die in sich gespaltenen Demokraten tappen immer wieder in diese Falle. Der Widerstand gegen den großen Zerstörer Trump muss sich neu erfinden", schlussfolgert die AUGSBURGER ALLGEMEINE.
Für die NÜRNBERGER NACHRICHTEN handelt es sich bei dem Vorgehen Trumps um ... "... Umgangsmethoden eines Autokraten, der nun – so die Sorge etlicher Kritiker – versuchen könnte, mittels Kriegsrecht seine Macht zu zementieren. Und auch Wahlen auszusetzen, die er verlieren könnte. Denn Trump lenkt in Los Angeles auch ab von seinem bisherigen Versagen: Ukraine, Zölle, Inflation – nirgends sind Erfolge zu sehen. Schon oft musste Militär dazu herhalten, schlechte Herrscher im Amt zu halten. Ist die US-Demokratie stark genug, um Trumps Attacken standzuhalten?", fragen die NÜRNBERGER NACHRICHTEN.
Nach dem Amoklauf eines 21-Jährigen in Graz mit vielen Toten vermerkt das STRAUBINGER TAGBLATT: "Wie kann es sein, dass ein junger Mann jede Menschlichkeit ablegt und an seiner früheren Schule ein Blutbad anrichtet, bevor er seinem eigenen Leben ein Ende setzt? Von Mobbing in seiner Schulzeit ist die Rede. Auch das erinnert an Winnenden: Der Täter soll sich ausgegrenzt gefühlt haben. Es zeigt sich, wie tief und lang anhaltend solche Verletzungen wirken, und unterstreicht abermals die Notwendigkeit, entschieden gegen Mobbing in Schulen vorzugehen, betroffene Schüler zu erkennen und ihnen Hilfe anzubieten. Absolute Sicherheit wird es natürlich nicht geben können. Sonst würden wir unsere offene Gesellschaft preisgeben. Wir könnten allerdings mehr aufeinander achtgeben", mahnt das STRAUBINGER TAGBLATT.
Für die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG liegen "zwei Dinge auf der Hand": "Es macht unser tägliches Leben nicht sicherer, wenn Schusswaffen leichter verfügbar werden. In Österreich hat die Zahl der zugelassenen Waffenbesitzer in den vergangenen Jahren erheblich zugenommen, von 200.000 auf 270.000 binnen zehn Jahren. Die österreichischen Vorschriften sind recht lax – ein psychologisches Gutachten und eine Einführung in die Waffe genügen. Das andere ist ein widerlicher Voyeurismus, der schon kurz nach der schlimmen Tat an der Grazer Schule im Netz feilgeboten wurde. Die österreichische Polizei rief dazu auf, solche Bilder den Ermittlern zur Verfügung zu stellen. Medien, die sie sich verschaffen und mit Schlagzeilen über 'Horror-Szenen' anpreisen, gehören geächtet. Auch deshalb, weil dergleichen Nachahmer reizen könnte."