12. Juni 2025
Die Presseschau aus deutschen Zeitungen

Diesmal zur Abschaffung der Familienreservierung bei der Deutschen Bahn und mit einem Blick nach Polen. Die allermeisten Zeitungen befassen sich aber mit dem sogenannten "Manifest" mehrerer SPD-Politiker.

Das Willy-Brandt-Haus ist die Bundesgeschäftsstelle der SPD in Berlin.
Mit einem "Manifest" melden sich mehrere SPD-Politiker zu Wort - und fordern so nach Ansicht des "Tagesspiegel" die Parteispitze heraus (picture alliance/Daniel Kalker)
Darin fordern unter anderem der ehemalige Fraktionschef Mützenich und der Außenpolitiker Stegner eine Kehrtwende in der Sicherheits- und Verteidigungspolitik - und Gespräche mit Russland. Die FREIE PRESSE aus Chemnitz schreibt: "Es muss eine ganz wunderbare Welt sein, in der die beiden SPD-Politiker leben. Das Problem ist nur: Es gibt diese Welt nicht. Der Aggressor, der russische Präsident Wladimir Putin, lässt die Waffen nicht schweigen. Er hat gezeigt, dass er nur die Sprache der Stärke versteht. Nur durch Abschreckung und Rüstung besteht überhaupt eine Chance, dass Putin seine Grenzen erkennt und umkehrt", ist die FREIE PRESSE überzeugt.
Die WESTDEUTSCHE ZEITUNG aus Wuppertal hält den Zeitpunkt des Vorstoßes in jeder Hinsicht für - Zitat "grundfalsch und amateurhaft schlecht gewählt": "Denn nie seit dem Ende des Kalten Krieges war Deutschland weiter davon entfernt, mit Russland einen unbelasteten Umgang pflegen oder auch nur herbeiführen zu können. Giftmord, permanente Anschläge auf die digitale Infrastruktur, Falschnachrichten, die zur Destabilisierung der Gesellschaft beitragen sollen – Deutschland ist seit geraumer Zeit Ziel aggressiver Attacken aus dem von Putin gesteuerten Kreml. Warnungen und Sanktionen scheinen Putin und seine Machtclique nicht im Geringsten zu beeindrucken. Interessant wäre deshalb die Frage, mit wem im Kreml Stegner, Mützenich und Co. denn über ein anständiges Miteinander reden wollten?", überlegt die WESTDEUTSCHE ZEITUNG.
Die WIRTSCHAFTSWOCHE kritisiert in ihrem täglichen Newsletter: "Die Manifestler haben keinen Plan, wie ihre erträumte 'Entspannung' mit Putin gelingen soll. Keinen Plan, wie sie seine Aggression stoppen wollen. Keinen Plan, wie sie die freien Demokratien des Westens ohne Abschreckung schützen würden. Würden Mützenich, Stegner und Co. für solche existenziellen Fragen nachvollziehbare Vorschläge machen – es wäre eine echte Nachricht. Und diskussionswürdig. So aber bleibt ihr Manifest: billig, gefährlich, populistisch. Und Frieden? Gibt es damit natürlich nicht. Ganz im Gegenteil", warnt die WIRTSCHAFTSWOCHE.
DIE RHEINPFALZ aus Ludwigshafen hingegen sieht das "Manifest" als legitimen Versuch, die festgefahrene Situation zwischen Deutschland, Europa und Russland zu überwinden. "Die Unterzeichner blenden allerdings zwei Dinge aus: Die wiederholte Ablehnung ernsthafter diplomatischer Initiativen durch Russland und die tatsächliche Bedrohungslage für Europa. Der Kreml bemüht sich inzwischen nicht mal mehr, seine imperialen Eroberungsfantasien zu verheimlichen, die weit über das Gebiet der Ukraine hinausgehen."
"Moldau und das Baltikum gelten schon jetzt als mögliche Ziele", ruft der WESER-KURIER aus Bremen in Erinnerung. "Daher können die Bundesregierung und die sie tragenden Parteien nicht anders als mit dem Dreiklang weiterzumachen – aus Aufrüstung und Abschreckung, aus der Unterstützung der Ukraine mit Waffenlieferungen und Sanktionen gegen Russland und als Drittes aus diplomatischen Initiativen. Solange, bis Putin wirtschaftlich oder militärisch die Luft auszugehen droht und er bereit ist, tatsächlich Kompromisse einzugehen."
Die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG findet dagegen: "Bundeskanzler Merz sollte seinen Ukraine-Kurs korrigieren. Es darf einerseits keinen Diktatfrieden von Putins Gnaden geben. Andererseits muss Deutschland erkennen, dass Russland nicht kollabieren wird. Im Gegenteil: Über kurz oder lang dürfte Putin seine Ziele in der Ostukraine militärisch weitgehend erreichen. Merz sollte den ukrainischen Präsidenten Selenskyj daher zu echten Verhandlungen drängen. Einen anderen Ausweg aus diesem verheerenden Abnutzungskrieg gibt es nicht", glaubt die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG.
Der RHEIN-NECKAR-ZEITUNG aus Heidelberg zufolge geht es bei dem Papier der SPD-Politiker gar nicht darum, ob man die Meinung teilt: "Es geht darum, dass überhaupt einmal kontrovers diskutiert wird. Stationierung von Mittelstreckenraketen, Aufrüstung, Vervielfachung der Militärausgaben – über keines dieser Themen gab es eine ausführliche Debatte im Bundestag. Es ist eine Wohltat, dass mit Mützenich, Stegner und Co. endlich auch andere Stimmen zu hören sind."
Für die MEDIENGRUPPE BAYERN senden die SPD-Politiker vor allem eine Botschaft an die neue Parteispitze um Vizekanzler Klingbeil, die lautet: "Ihr solltet uns nicht abschreiben. Für Klingbeil und Verteidigungsminister Pistorius, die für eine Erneuerung der Partei stehen, ist das Papier ein Affront. Man könnte auch von einer Kampfansage sprechen. Zum Showdown wird es beim Parteitag Ende Juni kommen. Dann wird sich zeigen, ob die SPD dazu bereit ist, die Geister der Vergangenheit endgültig hinter sich zu lassen", formuliert die MEDIENGRUPPE BAYERN, zu der unter anderem die PASSAUER NEUE PRESSE gehört.
DIE ZEIT beschäftigt sich in einer Online-Analyse mit Polen. Dort stellte Ministerpräsident Tusk die Vertrauensfrage - und überstand sie: "Doch die Regierung steckt weiter in einer Krise. Im besten Fall wird es dem Ministerpräsidenten gelingen, seine Koalition bis zur nächsten Parlamentswahl 2027 zusammenzuhalten, punktuell mit der Opposition zu verhandeln, die Rechten vom Regieren abzuhalten und zumindest Teile seiner Reformen umzusetzen. Im schlimmsten Fall aber wäre Tusks Handeln weiter stark eingeschränkt. Immer mehr Polen – links wie konservativ – stünden unter dem Eindruck, das politische System Polens sei defekt. Sie könnten sich von demokratischen Parteien abwenden, extremistische Kräfte unterstützen. Dann wäre der nächste Rechtsruck nur eine Frage der Zeit", heißt es auf ZEIT ONLINE.
"So muss es allerdings nicht kommen", konstatiert T-ONLINE. "Das liberale Polen ist weiter intakt – nur hat es sich vermutlich an Tusk sattgesehen. Der Chef der Bürgerplattform PO ist seit Jahrzehnten das Gesicht des progressiven, EU-freundlichen Polens. Eine neue Führungsfigur, eine andere Ansprache und Herangehensweise könnten womöglich für Aufbruchstimmung sorgen und das liberale Lager in Polen aufrütteln."
Ebenfalls in die Zukunft blickt der Berliner TAGESSPIEGEL - und beleuchtet die Auswirkungen der politischen Spaltung seit der Präsidentschaftswahl auf die Partner Polens: "Tusk wird damit zu einem sperrigeren Partner für Deutschland und Europa. Nach dem Votum der Wähler muss er noch stärker als bisher berücksichtigen, wo die Polinnen und Polen die nationalen Interessen verorten. Und die liegen in vielen Feldern nicht auf einer Linie mit den Politikansätzen der Bundesregierung und der EU-Kommission, vom Green Deal über die Klima- und Energiepolitik, Migration und Asyl bis zur Verteidigung und dem Umgang mit der Ukraine. So werden die neuen Machtverhältnisse in Warschau nicht nur zu einer Vertrauensfrage und einem Belastungstest für Polen. Sondern ebenso für die deutsch-polnische Kooperation und für die EU", analysiert der TAGESSPIEGEL.
Zum Abschluss noch eine Stimme zur Abschaffung der Familienreservierung bei der Deutschen Bahn. Die FRANKFURTER RUNDSCHAU rechnet vor: "Eine vierköpfige Familie zahlt für Hin- und Rückfahrt 44 Euro nur an Reservierungsentgelt. Dafür bekommt man mindestens eine halbe Tankfüllung, und gratis einen Grund, doch wieder aufs Auto umzusteigen. Denn auch, wenn für mitreisende Kinder bis 14 Jahre die Fahrt selbst nach wie vor kostenfrei ist: Einzelreservierungen sind vor allem für Familien mit mehreren Kindern und knappem Budget ein zusätzlicher Brocken. Anstatt einfache Reservierungsmöglichkeiten abzuschaffen, sollte die Bahn die Attraktivität für Familien ausbauen. Und zwar deutlich. Dazu reicht es nicht aus, nur Mini-ICEs im Zug an den Nachwuchs zu verteilen. Mehr Platz und mehr (verfügbare!) Kinderabteile müssen her", verlangt die FRANKFURTER RUNDSCHAU, mit der die Presseschau endet.