20. Juni 2025
Die Presseschau aus deutschen Zeitungen

Mit Kommentaren zur Pressekonferenz von Russlands Staatschef Putin und zur Debatte über eine Altersgrenze für Soziale Medien. Zunächst geht es aber um die umstrittene Äußerung von Bundeskanzler Merz in einem Interview, wonach Israel mit dem Angriff auf Iran - so wörtlich - die "Drecksarbeit" für den Westen mache. Die TAGESZEITUNG – TAZ findet:

Das Bild zeigt eine Straßenszene in Teheran nach einem israelischen Luftangriff. Inmitten von Schutt arbeitet ein Bagger sowie zwei Arbeiter.
Arbeiten nach einem israelischen Luftangriff in Teheran. (AFP / -)
"Mit dem Wort 'Drecksarbeit' schnurrt das Dilemma, in dem sich die deutsche Nahostpolitik befindet, zu einem Wort zusammen. Ja, man will Israel gegen eine mögliche nukleare Bedrohung unterstützen. Ja, das iranische Regime ist eine Terrorherrschaft. Und trotzdem bleiben die Bombardierungen völkerrechtswidrig. Es wäre zu wünschen, dass die Debatte über den Umgang mit Iran nun so klar bliebe. Als Nächstes sollte Merz dann erklären, warum die Sanktionen gegen das Regime nicht durchgesetzt und die Revolutionsgarden nicht als Terrororganisation gelistet werden, aber noch bis Kriegsausbruch in den Iran abgeschoben wurde. Besser wäre, es bliebe nicht bei klaren Worten", unterstreicht die TAZ.
Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG moniert: "Selbst, wenn Merz mit Drecksarbeit nur meinte, dass Israel die iranische Führung daran hindert, in den Besitz von Atomwaffen zu gelangen, und diese nicht weitermachen könne wie bisher, wie er sagte, schließt das immer noch das Leid und den Tod von Zivilisten mit ein. Was ist mit diesen Menschen, wenn sie jetzt sterben? Sind sie Teil der Drecksarbeit? Verdienen Menschen keinen Schutz, wenn sie im falschen Land leben und den falschen Pass haben? Das Wort von der Drecksarbeit ist eines Bundeskanzlers nicht würdig", befindet die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG.
"'Drecksarbeit' gehört nicht in das Vokabular eines Bundeskanzlers", meint auch der KÖLNER STADT-ANZEIGER: "Und doch: Friedrich Merz hat mit seinem Satz mehr außenpolitische Klarheit geschaffen als Olaf Scholz oder Angela Merkel in Jahren der Wortwolken. Inhaltlich liegt er richtig, das ist entscheidend. Israel übernimmt in diesem Konflikt Aufgaben, denen sich Europa nicht stellt. Israel handelt gegen ein Regime, das auch den gesamten Westen angreift: mit Stellvertreterkriegen, Anschlägen oder Drohnen für Russland. Es ist im deutschen Interesse, die Mullahs mit allen Mitteln am Bau von Atomwaffen zu hindern. Dass Merz diese Wortwahl wagt, mag irritieren. Vor allem weil sich die deutsche Außenpolitik über Jahrzehnte an gepflegte Formeln gewöhnt hatte. Doch die heutige Welt ist nicht formelhaft – sondern gefährlich", ist der KÖLNER STADT-ANZEIGER überzeugt.
Der MÜNCHNER MERKUR sieht es so: "Viele Politiker und Teile der Medien entfremden sich von den Menschen, wenn sie sich verzetteln in Stil-Debatten und Floskeln zur Einhaltung politischer Korrektheit. Dass Merz Klartext redet statt gestanzter Formeln, ist vielleicht riskant. Trotzdem: Prägnant und bürgernah zu reden, verstanden zu werden, ersetzt politische Inhalte natürlich nicht, aber es ist ein Schlüssel dafür, dass er erodiertes Vertrauen in die Demokratie zurückholen kann."
Die FRANKFURTER RUNDSCHAU warnt vor einer Eskalation des Kriegs zwischen Israel und dem Iran, sollten die USA intervenieren: "Das Fehlen jeglicher Strategie in Washington wirkt höchst beunruhigend. In den vergangenen Tagen hat Trump mal dieses, mal jenes gesagt. Noch im Frühjahr hat Trump einen einseitigen israelischen Militärschlag gegen den Iran abgelehnt. Nun lobt er ihn als 'exzellent' und will US-Langstreckenflugzeuge mit tonnenschweren Bomben zur Zerstörung der nuklearen Anreicherungsanlage Fordo südlich von Teheran in Marsch setzen. Es drohen ein langwieriger Krieg, gewaltige Fluchtbewegungen Richtung Europa und ein Flächenbrand im Nahen Osten. Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass davon ausgerechnet jene beiden Mächte profitieren, die Trump eigentlich als seine Hauptrivalen sehen müsste: Russland und China", beobachtet die FRANKFURTER RUNDSCHAU.
Die SÜDWEST-PRESSE aus Ulm plädiert dafür, vor allem die Opposition im Iran zu unterstützen: "Die meisten wollen keinen Regimewechsel als kriegerisches Präsent Israels und der USA. Vor allem aber haben die Iraner gesehen, was dabei herauskommt, wenn der Machtwechsel von außen aufgezwungen wird. Mit dem Krieg im Irak haben die USA die gesamte Region nachhaltig destabilisiert. Nicht zu reden von dem gescheiterten Versuch, in Afghanistan die Demokratie einzuführen. Im Fall Iran gilt es, den Mullahs die Atomwaffen aus den Händen zu schlagen, wenn es geht, mit Verhandlungen. Und gleichzeitig: Solidarität mit und Hilfe für die Opposition. Der Regimewechsel muss durch das iranische Volk vollzogen werden. Es gibt genügend nichtmilitärische Möglichkeiten, diesen Prozess zu unterstützen", betont die SÜDWEST-PRESSE.
Russlands Staatschef Putin hat sich bei einer seltenen Pressekonferenz vor Vertretern ausländischer Medien bereit für ein Gespräch mit Bundeskanzler Merz gezeigt. "Das ist alter Wein in neuen Schläuchen", urteilt die DITHMARSCHER LANDESZEITUNG aus Heide: "Putin versäumt es nicht, Gespräche an Bedingungen zu knüpfen. Warnungen wegen einer Kriegsbeteiligung in der Ukraine in Richtung NATO und dieses Mal vor allem in Richtung Deutschland – auch das sind eigentlich keinen neuen Töne. Und doch kann die Pressekonferenz nicht ohne weiteres in der Schublade 'Wie immer' abgelegt werden. Denn eines wurde unmissverständlich klar: Russland wird sich in den kommenden Jahren ein Wettrüsten mit dem Westen liefern. Dennoch, oder besser: gerade deswegen muss die Bundesregierung sämtliche Gesprächsoptionen nutzen, um auf dem Feld der Diplomatie keine Türen zuzuschlagen. Völlige Funkstille zwischen Berlin und Moskau nützt am Ende niemandem", bemerkt die DITHMARSCHER LANDESZEITUNG.
"Im Gegensatz zur Vorgängerregierung betreibt Schwarz-Rot keine durch missionarischen Eifer überfrachtete Außenpolitik", vermerkt die VOLKSSTIMME aus Magdeburg: "Hält die Bundesregierung das durch, könnte Deutschland international eine akzeptierte Rolle spielen. Eine Gelegenheit ist das Putin-Angebot, mit Kanzler Merz ins Gespräch zu kommen. Und zwar nicht nur über den Ukraine-Krieg. Dass dort wieder Frieden einzieht, ist für Europa von schicksalhafter Bedeutung. Die Eskalation im Nahen Osten aber könnte der Brandsatz für einen atomaren Weltkrieg werden. Der russische Machthaber hat sich als Vermittler angeboten. Das nur zurückzuweisen, weil Russland in der Ukraine selbst Krieg führt, wäre moralisch gerechtfertigt, politisch jedoch kurzsichtig", konstatiert die VOLKSSTIMME.
Zur Debatte um eine Beschränkung von Social Media für Minderjährige schreibt die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG: "Soziale Medien bringen Kinder mit Gewaltverherrlichung, sexualisierter Gewalt und Fake News in Kontakt, wenn sie unkontrolliert genutzt werden. Aber ein pauschales Social-Media-Verbot bis zum Alter von 16 Jahren hilft nicht weiter. Zum einen wäre ein solches Verbot kaum flächendeckend durchzusetzen. Und die Social-Media-Konzerne dürften sich trotz staatlichen Drucks auf ein unerlässliches Minimum an Kooperation beschränken. Zum anderen würde dadurch das Kind mit dem Bade ausgeschüttet. Nützliche Kommunikationswege würden entfallen. Ein pauschales Verbot ginge aber auch deshalb am Ziel vorbei, weil es nur gegen ein Symptom gerichtet ist. Kinder und Jugendliche tummeln sich ja nicht allein deshalb in Sozialen Medien, weil diese ungemein attraktiv wären. Oft fehlt es ihnen an Alternativen in der realen Welt, an Sportangeboten, Jugendzentren - und an Ansprechpartnern, die persönlich anwesend sind", vermerkt die F.A.Z.
DIE GLOCKE aus Oelde ergänzt: "Minderjährige müssen einen verantwortungsvollen Umgang mit digitalen Inhalten lernen. Insbesondere Eltern sind in der Pflicht, den Medienkonsum ihrer Kinder zu regulieren und mit ihnen über mögliche Gefahren zu sprechen. Eine gesetzliche Altersbeschränkung entlässt die Erziehungsberechtigten nicht aus dieser Verantwortung. Außerdem wird es selbst bei einem Verbot mit überprüfbarer Alterskontrolle kaum gelingen, Jugendliche gänzlich von sozialen Medien fernzuhalten". Mit diesem Kommentar aus der GLOCKE endet die Presseschau.