23. Juni 2025
Die Presseschau aus deutschen Zeitungen

Heute mit Stimmen zur Freilassung des belarussischen Oppositionellen Tichanowski. Zudem geht es um die künftigen Verteidigungsausgaben der NATO-Staaten. Zentrales Thema sind jedoch die Angriffe der US-Armee auf iranische Atomanlagen.

Nach den US-Angriffen auf iranische Atomanlagen startete der Iran am Morgen neue Angriffe auf Israel. Das Foto zeigt einen Ort in Tel Aviv, an dem eine Rakete eingeschlagen ist.
Die US-Angriffe auf iranische Atomanlagen stehen im Mittelpunkt der Zeitungskommentare. (IMAGO / Anadolu Agency / IMAGO / Mostafaf Alkharouf)
Die MÄRKISCHE ODERZEITUNG aus Frankfurt (Oder) stellt fest: "Mit dem Eingreifen der USA in den Israel-Iran-Krieg beginnt eine gefährliche Phase. Es kann nun geschehen, dass die Auseinandersetzung sich über die beiden Staaten hinaus ausweitet. Zwei Umstände begrenzen allerdings die Optionen des Iran. Die Abschussrampen für seine Raketen sind durch Israels Angriffe stark dezimiert. Und: Der Iran hat kaum Freunde in der Region. Im Gegenteil: Viele sind insgeheim froh, dass sein Atomwaffenprogramm nun offenbar zum großen Teil vernichtet ist. Dies ist bei aller Kritik am Vorgehen von USA und Israel eine Erleichterung für die Region und die Welt", findet die MÄRKISCHE ODERZEITUNG.
Die KÖLNISCHE RUNDSCHAU gibt zu bedenken: "Auch wenn die Atomanlagen Fordo, Natans und Isfahan irreparabel zerstört sein sollten, ist doch anzunehmen, dass die 400 Kilogramm an nahezu atomwaffenfähigem Uran, die der Iran angehäuft hat, anderswo versteckt sind. Hinzu kommt die Gefahr durch iranische Mittelstreckenraketen - auch für Europa. Wenn sich die aktuelle iranische Führung halten kann, dann ist zu fürchten, dass sie Kernwaffenentwicklung und Raketenbau mit noch größerer Entschlossenheit vorantreibt als bisher. Und dass dies eine Kette immer neuer israelischer und möglicherweise wieder US-amerikanischer Interventionen auslöst. Umso mehr setzen die USA und Israel auf einen Sturz der Mullah-Diktatur. Gewiss gäbe es keinen Anlass, diesem Mörderregime nachzutrauern. Nur: Was würde nach dessen Zusammenbruch passieren?", fragt die KÖLNISCHE RUNDSCHAU.
"Die USA rücken nun gefährlich nahe an eine Situation, die Präsident Trump eigentlich vermeiden wollte", schreibt das HANDELSBLATT: "Dass die Amerikaner in den Nahostkrieg tief hineingezogen werden und die USA ein direkter Aggressor in einem Konflikt werden, der immer nur neue Eskalationen und niemals diplomatische Durchbrüche zu kennen scheint. Trump hat nicht nur entschieden, sich an den israelischen Attacken gegen den Iran zu beteiligen. Er hat entschieden, dass zum ersten Mal amerikanische B-2-Bunkerbrecher operativ in einer Kampfhandlung eingesetzt wurden. Er nimmt in Kauf, dass der Iran Vergeltungsschläge auf US-Stützpunkte in Syrien oder im Irak verübt. Er geht das Risiko ein, dass der Iran die Straße von Hormus blockiert und einen Öl-Preisschock auf dem Weltmarkt auslöst", urteilt das HANDELSBLATT.
Die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG schätzt: "Die Konsequenzen der US-Attacken auf die drei Anlagen im Iran sind bis auf Weiteres überhaupt nicht abzusehen. Was stimmt: Der Iran hat wieder und wieder über sein Atomprogramm gelogen, sich den internationalen Kontrollen entzogen und es unmöglich gemacht, Entwarnung zu geben und die rein zivilen Absichten zu beweisen. Und ja, die islamistischen Hardliner in Teheran wollen Israel vernichten. Und ja, nach Trumps Bombardierungen dürfte die Gefahr, dass das Mullah-Regime irgendwann wieder zu einer atomaren Bedrohung werden könnte, substanziell gesunken sein. Das allein wäre nach Jahrzehnten des Bangens eine gute Entwicklung." Wir zitierten die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG.
Jetzt sei die Zeit für eine Exitstrategie, meint die TAGESZEITUNG - TAZ: "Trumps Angriff muss als Startrampe dienen, um einen größeren Krieg zu vermeiden. Iran hat nun zwei Optionen: mit seinen noch verfügbaren militärischen Mitteln US-Stützpunkte anzugreifen und die Zukunft des Regimes aufs Spiel zu setzen; oder sein Atomprogramm völlig aufgeben. Man kann nur hoffen, dass Ayatollah Chamenei nicht so unbedacht ist, wie es seine Rhetorik befürchten lässt", vermerkt die TAZ.
Nach Ansicht der FRANKFURTER RUNDSCHAU spielen Deutschland und die anderen europäischen Staaten geopolitisch kaum noch eine Rolle, obwohl sie ... "...von den Folgen des Konflikts betroffen sind. Die USA haben die europäischen Verbündeten maximal von ihren Attacken auf den Iran informiert, Israel hört sich deren Kritik freundlich an. Auch das erschwert die Suche nach einem Ausweg aus dem Nahost-Konflikt, der sowohl das Existenzrecht Israels wie auch eine Perspektive für die Palästinenserinnen und Palästinenser sowie der Menschen im Iran berücksichtigt. Auch der Versuch der Europäer mit den anderen arabischen Staaten wie Saudi-Arabien oder Katar den Konflikt zu deeskalieren, war bislang nicht fruchtbar", bilanziert die FRANKFURTER RUNDSCHAU.
Themenwechsel. Die NATO-Staaten haben sich vor dem anstehenden Gipfel offenbar darauf verständigt, mindestens fünf Prozent ihres Bruttoinlandsproduktes für Verteidigungsausgaben bereitstellen zu wollen. Dazu bemerkt die LAUSITZER RUNDSCHAU aus Cottbus: "Der Zahlenfetisch birgt etliche Gefahren: Wenn es am Ende nur darum geht, was unterm Strich steht, wird das vor allem dazu führen, dass das ohnehin schon teure Militärgerät noch teurer wird. Natürlich ist es auch der Griffigkeit einer konkreten Zahl zu verdanken, dass das Thema so prominent diskutiert wurde. Viel wichtiger werden aber in den kommenden Jahren die Fähigkeitsziele der NATO sein. Obwohl sie weitgehend geheim sind, ist schon klar geworden, wie viel Anstrengungen auch sie bedeuten werden. Verteidigungsminister Pistorius musste dazu nur einen Satz sagen: Bis zu 60.000 Soldaten sind zusätzlich für die Bundeswehr nötig", notiert die LAUSITZER RUNDSCHAU.
Die STUTTGARTER ZEITUNG verweist auf einen anderen Punkt: "Deutschland kann notwendige Verteidigungsausgaben nicht dauerhaft auf Pump finanzieren. Die Bundesregierung muss also an anderen Stellen sparen. Und sie muss die Weichen auf eine wettbewerbsfähige Wirtschaft und ökonomisches Wachstum stellen, was für die Menschen auch Zumutungen bedeuten kann. Ein Beispiel dafür, dass in der Bundesregierung noch kein wirklicher Reformgeist eingezogen ist, zeigt sich in der Rentenpolitik. Schwarz-Rot will einerseits durch Steuererleichterungen Rentner dazu anreizen, länger zu arbeiten. Und setzt zugleich eine teure Politik fort, auf deren Grundlage Menschen in den vorzeitigen Ruhestand gehen oder geschickt werden. Das ist widersprüchlich. Das ist Irrsinn", kritisiert die STUTTGARTER ZEITUNG.
Nun geht es um den auf US-Initiative aus der Haft entlassenen belarussischen Oppositionellen Tichanowski. Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG ist sich sicher: "Dies geschah nicht deshalb, weil das politische System von Machthaber Alexander Lukaschenko beendet ist. Auch Lukaschenko macht Deals. Trumps USA sind nicht mehr die USA früherer Zeiten, das hat Lukaschenko längst auf die Idee gebracht, in Washington zu antichambrieren und sich als Vermittler im Ukraine-Krieg anzubieten. 14 von mehr als 1.100 politischen Gefangenen freizulassen, wäre da für ihn ein relativ kleiner Preis. Klar ist allerdings, dass Lukaschenko kaum in der Lage sein dürfte, nennenswert auf Putin und den russischen Kriegsverlauf einzuwirken. Und ein Zeichen für innenpolitische Veränderungen in Belarus ist die Freilassung von Tichanowski leider auch nicht. Schon mehrmals hat das Regime politische Gefangene aus der Haft gelassen. Das erregt Aufsehen. Andere wurden dafür wieder eingesperrt", hält die SZ fest.
Die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG beobachtet: "Der Besuch des amerikanischen Sondergesandten Keith Kellogg hat den belarussischen Machthaber zumindest ein Stück weit aus der Isolation geholt. Der Verhandler des mächtigsten Mannes der Welt wertete den Minsker Paria in dessen Palast auf - und stahl damit sogar kurz Putin die Show. Im Gegenzug für die Rückkehr auf die Weltbühne war Lukaschenko bereit, seinen seit fünf Jahren weggesperrten früheren Herausforderer freizulassen. Lukaschenko hofft nicht nur auf ein Ende seiner Ächtung, sondern auch auf die Rücknahme von Sanktionen. Er sucht nach Gelegenheiten, seinen Moskauer Schutzherren und den Westen zum eigenen Vorteil gegeneinander auszuspielen", analysiert die FAZ zum Ende der Presseschau.