28. Juni 2025
Die Presseschau aus deutschen Zeitungen

Heute mit Stimmen zum gesetzlichen Mindestlohn, der nach der Empfehlung der zuständigen Kommission in zwei Schritten auf 14,60 Euro pro Stunde steigen soll. Weiteres Thema ist der Beschluss des Bundestags zur befristeten Aussetzung des Familiennachzugs für Flüchtlinge mit eingeschränktem Schutzstatus. Im Mittelpunkt jedoch der Bundesparteitag der SPD.

Der SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil und die Bundesministerin für Arbeit und Soziales, Bärbel Bas, umarmen sich beim SPD-Bundesparteitag.
Die Zeitungen beschäftigen sich unter anderem mit der Wahl der Vorsitzenden auf dem SPD-Bundesparteitag in Berlin. (Kay Nietfeld / dpa / Kay Nietfeld)
Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG bemerkt zum wiedergewählten Ko-Vorsitzenden Lars Klingbeil: "Ohne Gegenkandidat nur eine Zustimmung von 64,9 Prozent - das gab es noch nie bei SPD-Bundesparteitagen. Klingbeil hat nun plötzlich auch noch die Bürde des schlechtesten Parteitagsergebnisses, nur Oskar Lafontaine bekam vor 30 Jahren mal weniger, aber das war eine Kampfkandidatur gegen Rudolf Scharping. Klingbeil hat es mit seiner Rede nicht geschafft, das Debakel etwas milder zu gestalten. Er konnte nicht mitreißen, hatte keine große Aufbruchsidee. Vielleicht war das angesichts der Lage, in der es erst einmal um Stabilisierung geht, auch zu viel erwartet. Aber nicht mal das Minimalziel Stabilisierung ist ihm gelungen. Gut zu regieren und die SPD wieder interessanter zu machen, das wird nun noch schwieriger", vermutet die SZ.
Der Bremer WESER-KURIER schreibt: "Das miserable Ergebnis, das SPD-Chef Lars Klingbeil bei seiner Wiederwahl auf dem Berliner Bundesparteitag erzielte, mag vielleicht nicht gerecht sein – es ist aber ehrlich. Denn die SPD lässt sich nicht mit links im Handstreich übernehmen, sondern ist traditionell eine diskussions- und meinungsfreudige Partei mit vielen Befindlichkeiten und einer Reihe von politischen Quertreibern, auch jenseits der ewig aufmüpfigen Jusos. Dem wurde im Prozess der schwarz-roten Regierungsbildung nicht ausreichend Rechnung getragen. Deshalb hat Klingbeil trotz der vielen sozialdemokratischen Positionen, die er in den Koalitionsverhandlungen durchsetzen konnte, die Quittung für seinen entschlossenen Griff nach der Macht nach der Bundestagswahl bekommen", glaubt der WESER-KURIER.
Die OSTSEE-ZEITUNG aus Rostock analysiert: "Viel kam da für Klingbeil zusammen: Ärger über Kompromisse in der Koalition mit der Union in der Migrationspolitik und bei Strompreisen, Frust über das miserable Wahlergebnis, Ärger über die Chuzpe, mit der Klingbeil gleich nach der Wahl mit dem Ruf nach Erneuerung sich selbst noch mehr Macht in der Partei sicherte und dabei andere zur Seite schob. Der Abstieg der SPD liegt sicher nicht allein an Klingbeil. Und seine schnellen Personalentscheidungen nach der Wahl mögen der SPD geholfen haben, in Sondierungen und Koalitionsverhandlungen mit der Union entschlossen aufzutreten – aber Verletzungen und Irritationen sind geblieben", bilanziert die OSTSEE-ZEITUNG.
Die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG bemerkt zur neuen SPD-Ko-Vorsitzenden Bärbel Bas, die 95 Prozent der Delegiertenstimmen erhielt: "Wenn es jemanden gibt, der der SPD wieder zu Glaubwürdigkeit in der arbeitenden Mittelschicht verhelfen kann, ohne die zu verprellen, die den Sozialstaat brauchen, dann ist es wohl Bas in ihrer Doppelrolle als Arbeitsministerin und Ko-Parteichefin. Ob Rente oder Bürgergeld: Bas verschließt die Augen nicht vor der Notwendigkeit zu Reformen. Sie kann schaffen, was Saskia Esken und Hubertus Heil nicht gelang: Den Markenkern der Solidarität bewahren, aber den Eindruck, sich vor allem um Rentner und Leistungsempfänger zu kümmern, zu überwinden. Denn eines ist klar: Als reine Partei der Besitzstandswahrer wird die SPD keine große Zukunft haben.", meint die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG.
Die TAGESZEITUNG - TAZ - blickt zurück: "2019 hatte die Partei begriffen, dass es SPD-ChefInnen, die in die Kabinettsdisziplin eingebunden sind, an Beinfreiheit fehlt und man das Regieren und die Partei besser trennt – um nicht an Pragmatismus und Ideenarmut zu ersticken. Diese Lektion ist schnell in Vergessenheit geraten. Farblose MinisterInnen, eine Partei im Klammergriff der Sachzwangslogik – das kann toxisch werden." So weit die TAZ.
Thema im FLENSBURGER TAGEBLATT ist die Mindestlohnkommission, die nun eine Empfehlung zur geseztlichen Lohnuntergrenze abgegeben hat: "Sie kommt zu dem Schluss, dass eine Erhöhung des Mindestlohns in 2026 auf 13,90 Euro und in 2027 auf 14,60 Euro angebracht und von den Unternehmen zu stemmen sei. Damit hat sie sich dem vor allem von Sozialdemokraten und Linken vorgetragen politischen Druck, der Mindestlohn müsse schon vom kommenden Jahr an bei 15 Euro liegen, nicht gebeugt. Gut so. Die Sozialpartner haben sich als handlungsfähig erwiesen – und das trotz permanenter politischer Zwischenrufer, die die Stimmung zu vergiften drohten. Der Gesetzgeber hat die Mindestlohnkommission als unabhängiges sozialpartnerschaftliches Gremium angelegt. Die schwarz-rote Bundesregierung wäre deshalb gut beraten, die Empfehlung nun per entsprechender Rechtsverordnung umzusetzen", mahnt das FLENSBURGER TAGEBLATT.
Die Zeitungen der MEDIENGRUPPE BAYERN kommentieren: "Schon vor der Entscheidung war klar, dass die Kommission es wohl niemandem so ganz recht machen kann. Allerdings muss man ihr zugute halten: Sie hat es geschafft, den Eindruck von Unabhängigkeit und fairem Ausgleich zu vermitteln – und so letztlich auch ein Thema mit Sprengkraft für die Koalition zu entschärfen. Auch das ist ein echter Wert in Zeiten, in denen es mehr denn je politische Stabilität braucht", hebt die MEDIENGRUPPE BAYERN hervor.
Der Mindestlohn an sich sei falsch und schädlich, findet die NORDWEST-ZEITUNG aus Oldenburg: "Mitten in einer Wirtschaftskrise genehmigt die Mindestlohnkommission unter enormem politischen Druck einen satten Schluck aus der Pulle. Der Faktor Arbeit wird in Deutschland noch teurer, die Wettbewerbsfähigkeit weiter beschädigt. Auf der einen Seite sind Löhne und Gehälter in diesem Land durch Steuern und Abgaben so hoch belastet wie kaum irgendwo anders. Doch die Regierung weigert sich, mehr Netto vom Brutto durch eine echte Steuerreform zu ermöglichen. Auf der anderen Seite sollen die Unternehmen für das politische Ziel höherer Einkommen bluten", argumentiert die NORDWEST-ZEITUNG.
Abschließend geht es um die befristete Aussetzung des Familiennachzugs für Flüchtlinge mit eingeschränktem Schutzstatus, die der Bundestag beschlossen hat. Die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG erläutert: "Wenn vor allem hochqualifierte Ärzte, Handwerker und Pflegepersonal die deutschen Grenzen überschritten, wie manch einer in der großen Politik noch angesichts der großen Flüchtlingswelle 2015 suggerierte, dann gäbe es keine Migrationsdebatte. So ist es aber nicht gekommen. Der nun begrenzte Familiennachzug, sogleich von interessierter Seite als unmenschlich verdammt, ist im Grunde der Versuch einer Missbrauchsabwehr. Wenn jeder Hilfesuchende, der es nach Deutschland schafft, gleichsam automatisch seine große Familie nachziehen lassen kann, so ist das keine humanitäre Großtat, sondern die Wurzel eines großen Integrationsproblems. Familien sollten nicht auseinandergerissen werden, das stimmt. Sie müssen und können aber nicht alle in Deutschland zusammenleben. Die 'Begrenzung', die jetzt nun wieder als Ziel im Gesetz steht, ist notwendig, um eine Migration zu regeln, in der es längst nicht mehr nur um Schutz geht. Dass natürlich weiterhin auch beim Familiennachzug wie stets Ausnahmen für Härtefälle vorgesehen sind, geht bei den Kritikern gern unter", moniert die FAZ.
Die BADISCHE ZEITUNG aus Freiburg verweist auf die Begründung der Bundesregierung: "Mit der Aussetzung des Familiennachzugs werde das 'Geschäftsmodell der kriminellen Banden' zerschlagen, sagte Bundesinnenminister Alexander Dobrindt im Bundestag. Das Gegenteil ist der Fall: Es werden sichere und legale Wege gekappt, auf denen Frauen und Kinder einreisen konnten, ohne sich der lebensgefährlichen Hilfe von Schleppern zu bedienen. Bei aller Notwendigkeit, Migration besser zu steuern und die Kommunen nicht zu überlasten: Für die Integrationspolitik in Deutschland ist das neue Gesetz ein Irrweg, für die Betroffenen ist es eine Tragödie", urteilt die BADISCHE ZEITUNG, mit der diese Presseschau endet.