30. Juni 2025
Die Presseschau aus deutschen Zeitungen

Neben der Pride-Parade in Budapest ist der SPD-Parteitag das dominierende Thema auf den Kommentarseiten der Zeitungen.

Lars Klingbeil und Bärbel Bas sitzen nebeneinander auf dem SPD-Parteitag 2025, beide mit ernsten Gesichtern und in formeller Kleidung.
Historischer Tiefpunkt für Klingbeil, starker Start für Bas: Die SPD bestätigt ihre neue Doppelspitze auf dem Parteitag in Berlin – mit sehr unterschiedlicher Rückendeckung. (picture alliance / dpa / Kay Nietfeld)
Die PASSAUER NEUE PRESSE geht zunächst auf das Wahlergebnis von Parteichef Lars Klingbeil ein: "Ganze 64,9 Prozent Zustimmung für den Mann, der eigentlich für die Zukunft der Partei steht: Das kommt einer Bankrotterklärung nahe. Und auch die zweite Botschaft, die vom Parteitag ausging, macht wenig Hoffnung: Die angekündigte selbstkritische Aufarbeitung der Ampel-Jahre fand nicht statt. Vergangenheitsbewältigung mag anstrengend und schmerzhaft sein, aber sie wäre nach dem krachenden Ende der Kanzlerschaft Scholz und dem Wahldebakel unumgänglich gewesen. Nicht aber bei den Genossen. Diese feierten sich, feierten Scholz, und sie feierten auch die von Klingbeil zurecht aussortierte frühere Parteichefin Saskia Esken. Alles bestens also bei der SPD, jener einstigen Volkspartei, mit der es in richtig guter Stimmung abwärts geht", urteilt die PASSAUER NEUE PRESSE.
"Im Wesentlichen dürfte es der linke Flügel gewesen sein, der sich rächte - für das Abservieren prominenter Vertreter wie Rolf Mützenich, Ralf Stegner und Saskia Esken", vermutet die NÜRNBERGER ZEITUNG: "Klingbeil kann nur hoffen, dass sich der Widerstand in dieser einen Abstrafung erschöpft hat und nicht zum Dauerproblem wird. Das könnte sich die Koalition mit ihrer knappen Mehrheit nicht leisten."
Der KÖLNER STADT-ANZEIGER meint: "Einen Gefallen hat sich die SPD mit diesem Wahlergebnis nicht getan. Als gäbe es nicht ohnehin schon genug zu tun, um die SPD vor dem Abgleiten in die Bedeutungslosigkeit zu bewahren."
Die SCHWÄBISCHE ZEITUNG aus Ravensburg kritisiert: "Für die SPD-Delegierten mag es ein gelungener Parteitag gewesen sein. Sie haben sich gegenseitig versichert, der richtigen Partei anzugehören und für die gute Sache zu kämpfen. Aber ein Parteitag sollte keine Therapiesitzung sein, vor allem dann nicht, wenn einem das Wasser bis zum Halse steht. Die neue Parteivorsitzende Bärbel Bas streichelte rückwärtsgewandt die sozialdemokratische Seele – und wurde mit einem hervorragenden Ergebnis belohnt. Klingbeil, der seinen Blick auch nach vorne richtete, wurde dagegen abgestraft. Ideenlos wirkten beide gleichermaßen."
Die FREIE PRESSE aus Chemnitz stimmt zu: "Bas hat es ebenso an einer inspirierenden Rede vermissen lassen wie Klingbeil. Der sprach davon, die SPD müsse der spannendste Ort für Debatten im Land sein – und stieß keine an. Bas sagte, die SPD müsse wieder eine Kümmerer-Partei werden. Aber wenn die SPD keine neuen Ideen liefert, wird sie weiter vergreisen."
"Gut möglich, dass Friedrich Merz an diesem Wochenende etwas nervös geworden ist", notiert die FRANKFURTER RUNDSCHAU: "Nicht nur der CDU-Kanzler wird sich fragen, ob die Reihen seines Vizekanzlers so geschlossen sind wie dieser behauptet. Und wie belastbar sein Finanzminister im Regierungsbündnis künftig agieren kann. Im Koalitionsausschuss jedenfalls ist Klingbeils Position vorerst geschwächt. Die Sozialdemokratie hat ihren Chef, jüngst oft zum 'starken Mann' der Partei stilisiert, erst mal ein gutes Stück kleiner gemacht."
Auch die RHEIN-ZEITUNG aus Koblenz blickt auf den SPD-Parteitag, jedoch auf den Beschluss der Sozialdemokraten zur Wehrpflicht: "Wenige andere Themen bewegen so sehr wie Fragen von Krieg und Frieden. Fragen von Eltern, ob ihre Kinder eines Tages Dienst an der Waffe leisten müssen. Fragen von Jugendlichen und jungen Erwachsenen, welche Möglichkeiten sich ihnen bei einer Militärlaufbahn bieten – und welche Risiken damit einhergehen. Die Debatte sollte daher immer vor diesem Hintergrund geführt werden – und nicht allein mit Blick auf die nackten Zahlen der Bundeswehr-Personallücken."
"So geschlossen, wie die SPD vorgibt zu sein, ist sie dann doch nicht", beobachtet die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG: "Ob es um die Wiedereinführung der Wehrpflicht geht, den Umgang mit Russland oder die Verschärfung des Bürgergeldbezuges – nur bei einem Thema haken sich die Genossen wirklich unter: dem Verbot der AfD."
Die AUGSBURGER ALLGEMEINE richtet den Fokus ebenfalls auf den Beschluss der SPD, ein AfD-Verbotsverfahren vorzubereiten: "Womöglich erlebten die Delegierten einen historischen Moment. Debatten und Anläufe für ein Verbot der Rechtspartei hat es viele gegeben. Doch nun entschließt sich die Sozialdemokratische Partei Deutschlands 162 Jahre nach ihrer Gründung zu einem solchen Schritt. Es könnte der Anfang vom Ende der AfD sein."
Im CICERO aus Berlin ist zu lesen: "Der Applaus der Delegierten wurde ganz besonders groß, als Klingbeil es als 'historische Aufgabe' der SPD bezeichnete, die AfD wieder aus den Parlamenten zu verdrängen. Falls möglich, soll die Rechtspartei zu diesem Zweck verboten werden. So wurde es mit breiter Mehrheit und gutem Gewissen beschlossen. Besser konnten die Sozialdemokraten kaum zeigen, dass sie nicht mehr recht wissen, wofür sie kämpfen sollen. Die letzte, alles verbindende Klammer ist der mit Inbrunst beschworene 'Kampf gegen rechts'."
Der WESER-KURIER aus Bremen merkt an: "Das Motto 'Veränderung beginnt mit uns' hatte die SPD ihrem Parteitag vorangestellt, um ein Zeichen des Aufbruchs zu setzen und voller Euphorie die Arbeit am neuen Grundsatzprogramm aufzunehmen. Dieser Plan ist gründlich schiefgegangen."
Die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG thematisiert die Pride-Veranstaltung in Ungarn: "An der Größe der Pride-Parade in Budapest lässt sich ablesen, dass es am Wochenende um sehr viel mehr ging als um die Rechte von LGBTQ-Menschen. Die unter dem fadenscheinigen Vorwand des Kinderschutzes betriebene Kampagne der ungarischen Regierung gegen sexuelle Minderheiten soll einen Keil zwischen konservative und liberale Kräfte in der Opposition treiben und zugleich verschleiern, was Ministerpräsident Orbán und die Seinen tatsächlich tun: Sie greifen die fundamentalen Freiheitsrechte aller Bürger ihres Landes an. Orbán folgt mit seinem Vorgehen nicht nur dem Vorbild des russischen Gewaltherrschers Putin; er ist selbst zu einem Vorbild all jener autoritären Populisten geworden, die die westlichen Demokratien von innen zersetzen und die Rechte aller einschränken wollen", betont die FAZ.
Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG konstatiert: "Die Bilder der Budapester Pride gingen um die Welt. Sie stehen nicht nur dafür, wie viele Menschen bereit sind, für LGBTQ-Rechte zu demonstrieren, nämlich offenbar Hunderttausende. Sondern vor allem dafür, wie groß der Unmut über den ungarischen Ministerpräsidenten inzwischen ist."
Die NÜRNBERGER NACHRICHTEN ergänzen: "Niemand will der großen Mehrheit heterosexueller Paare und Familien irgendetwas nehmen, niemand zwingt anderen eine Lebensform auf – auch wenn das Rechtspopulisten gerne behaupten. Aber die Minderheit der anders Liebenden hätte gern das, was das Grundgesetz ihnen zusagt: unangetastete Menschenwürde – und gleiche Rechte. Da wurde viel erreicht, das von Demokraten zu verteidigen ist."
Die Internationale Atomenergiebehörde schätzt, dass der Iran bereits in wenigen Monaten mit der Anreicherung von Uran fortfahren könne. Außerdem wies die IAEA darauf hin, dass der Verbleib von mehr als 400 Kilogramm angereicherten Urans im Iran unklar sei. Dazu schreibt die MÄRKISCHE ODERZEITUNG aus Frankfurt/Oder: "US-Präsident Trump schäumte vor Wut, als US-Medien aus einer ersten Analyse der Geheimdienste zitierten, die nur von wenigen Monaten ausging, die Teheran verloren hat. Jetzt bestätigt die IAEA die Einschätzung der Geheimdienste. Ihr Wort hat besonders großes Gewicht, weil die IAEA derzeit wahrscheinlich der einzige neutrale Akteur mit der nötigen Expertise ist. Die von Trump richtigerweise als 'sehr schwach' eingestufte Reaktion des Irans auf den US-Angriff erscheint damit in einem neuen Licht. Die entscheidende Frage ist: Setzen die Mullahs, trotz oder gerade wegen der militärischen Übermacht von Israel und den USA, jetzt alles auf die Karte Atombombe?" Mit dieser Stimme aus der MÄRKISCHEN ODERZEITUNG endet die Presseschau.