04. Juli 2025
Die Presseschau aus deutschen Zeitungen

Heute unter anderem mit Stimmen zu Bundesinnenminister Dobrindt, der mit den islamistischen Taliban ein Abkommen über die Aufnahme abgeschobener Afghanen erzielen will. Im Mittelpunkt der Kommentare stehen jedoch die Ergebnisse des Koalitionsausschusses von CDU, CSU und SPD.

Finanzminister Lars Klingbeil steigt aus einem Auto vor dem Kanzleramt aus.
Zentrales Thema in den Zeitungskommentaren: Der Koalitionsausschuss von Union und SPD im Kanzleramt. (picture alliance / dpa / Christoph Soeder)
Die RHEINISCHE POST aus Düsseldorf bemerkt: "Die nicht umgesetzte Senkung der Stromsteuer für alle ist mit einem erheblichen Vertrauensverlust für Schwarz-Rot verbunden. Auch für den Kanzler übrigens, der ziemlich leichtfertig mit seinen Wahlversprechen umzugehen scheint. Seine Kehrtwende bei der Schuldenbremse und den zusätzlichen Schulden hängt Merz noch nach. Bei der Ampel gab es das vermaledeite Heizungsgesetz, das sowohl das Koalitionsklima, als auch das Vertrauen der Bürger in das damalige Bündnis nachhaltig zerstört hat. Die neue Koalition muss nun aufpassen, dass sie mit ihrer Entscheidung nicht den ersten Dominostein in diese Richtung ins Wanken gebracht hat", schreibt die RHEINISCHE POST.
Die Zeitungen der MEDIENGRUPPE BAYERN dagegen argumentieren: "Die Senkung der Stromsteuer hätte pro Monat einem Haushalt zwischen fünf und acht Euro gebracht. Das ist eine Schale Erdbeeren, ein Döner, das sind mit Glück zwei Leberkässemmeln. Deshalb muss keiner hungern. Eine Entlastung um solche Summen macht eher Frust als Freude. In Summe wäre die Senkung, die nun nach dem Koalitionsbeschluss ausfällt, aber für den Staat kostspielig. 5,4 Milliarden Euro ist eine Menge Geld. Es kann besser investiert werden", findet die MEDIENGRUPPE BAYERN.
Die DITHMARSCHER LANDESZEITUNG aus Heide stellt fest: "Es ist bemerkenswert, dass Füllhörner wie die Mütterrente, das Wunschkind der CSU, schon zu Beginn einer Legislaturperiode ausgeschüttet werden. Üblicherweise heben sich Regierende die Wohltaten für das Wahlvolk für die Zeit unmittelbar vor dem Urnengang auf und bringen die unangenehmen Beschlüsse so früh wie möglich auf den Weg. Dass diese Bundesregierung bereits zu Beginn ihrer Regierungsarbeit das Volk bei Laune zu halten gedenkt, mag als vertrauensbildende Maßnahme gewertet werden - was Merz nach seinen Wortbrüchen etwa bei der Schuldenbremse durchaus nötig hat", unterstreicht die DITHMARSCHER LANDESZEITUNG.
Die Kommunikation innerhalb der Koalition sei mangelhaft, urteilt die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG: "Kanzler Merz und sein Vize Lars Klingbeil wirken durchaus ehrlich bemüht, Rücksicht aufeinander zu nehmen – dass sie die Stromsteuer nicht so senken wie geplant, haben sie denn auch gemeinsam beschlossen. Allerdings kam diese Nachricht nicht so deutlich in der Unions-Fraktion, der CDU-Zentrale und bei den eigensinnigen Ministerpräsidenten der Union an – weswegen diese Klingbeil für etwas rügten, das ihr Kanzlerparteifreund Merz zu verantworten hatte. Auch in der Ampel wirkte der innerste Koalitionskreis zunächst wie eine verschworene Gemeinschaft, der es aber immer schwerer fiel, Regierung, Fraktionen und Parteien auf eine Linie einzuschwören", argumentiert die SZ.
Die Zeitung DIE WELT mahnt: "Noch traut das Gros der Unternehmer und Manager der Merz-Koalition zu, Deutschland wieder auf den Wachstumspfad zurückzuführen. Doch mit jeder Enttäuschung droht die Stimmung, die so wichtig für einen Aufschwung ist, wieder zu kippen." So weit DIE WELT und soviel zu diesem Thema.
Die FRANKFURTER RUNDSCHAU beschäftigt sich mit der Migrationspolitik der Bundesregierung: "Es liegt voll auf der flüchtlingspolitischen Linie dieser Koalition, dass Bundesinnenminister Alexander Dobrindt jetzt sogar direkt mit den radikalislamistischen Taliban verhandeln will, um Rückführungen in deren autoritäres Zwangssystem möglich zu machen. Möglichst viele abschieben, statt Menschen aufzunehmen – das ist ein Kernziel dieser Regierung. Es wird immer deutlicher, dass sie bei dessen Umsetzung auf Gesetze, Völkerrecht und Humanität kaum noch Rücksicht nimmt", kritisiert die FRANKFURTER RUNDSCHAU.
Das FLENSBURGER TAGEBLATT verweist auf folgenden Punkt: "Straftaten müssen Konsequenzen haben. Nicht zuletzt bemessen sich die Handlungsfähigkeit eines Staates und das Vertrauen in ihn auch an seiner Fähigkeit, für die Sicherheit der Bürger zu sorgen. Deshalb muss, wer in Deutschland Schutz sucht, aber das Gastrecht missbraucht, die Härte des Gesetzes spüren. Doch zeigt sich die Stärke eines Rechtsstaates nicht auch darin, wie standhaft er seine moralischen Prinzipien verteidigt – auch dann, wenn es unbequem ist? Die Rückführung von Menschen ist mehr als nur eine rechtliche Frage. Droht nicht der moralische Kompass verloren zu gehen, wenn Menschen in ein Land abgeschoben werden, in dem Folter, willkürliche Verhaftungen und die systematische Unterdrückung von Frauen Alltag sind? Deutschland ist an internationale Abkommen wie die Europäische Menschenrechtskonvention gebunden; sie verbieten die Abschiebung in Länder, in denen den Betroffenen Folter oder Tod drohen", gibt das FLENSBURGER TAGEBLATT zu bedenken.
Die MÄRKISCHE ODERZEITUNG aus Frankfurt (Oder) ist sich sicher: "Um die Öffnung vorsichtiger diplomatischer Kanäle wird man auf längere Sicht nicht umhinkommen. Deutschland betreibt schließlich auch in anderen schlimmen Diktaturen Botschaften. Mit dem Signal, die Taliban zu brauchen, um afghanische Straftäter loszuwerden, gibt Dobrindt ihnen jedoch gleich einen Hebel in die Hand, um Gegenleistungen fordern zu können. Diplomatische Anerkennung zum Beispiel. Oder Geld. Deutschland würde das Renommee und die Kassen der Taliban aufpumpen. Die Frage, ob die Bundesregierung dazu bereit ist, muss Dobrindt noch beantworten", verlangt die MÄRKISCHE ODERZEITUNG.
Abschließend Stimmen zum Prozess gegen den US-Musiker Sean "Diddy" Combs, der wegen Sexualstraftaten von den Geschworenen in zwei von fünf Anklagepunkten schuldig gesprochen wurde. Von den schwersten Vorwürfen wurde er indes freigesprochen. Die TAGESZEITUNG - TAZ - aus Berlin spricht von einer... "...Niederlage für alle Opfer von sexueller Gewalt. Denn die Milde, mit der das Urteil ausfiel, deutet nach den ebenso recht erfolglosen Prozessen gegen Weinstein, Rammstein, Depardieu oder Boateng darauf hin, dass ein Ende der 'MeToo'-Ära jetzt endgültig eingeläutet ist. In den drei härtesten Anklagepunkten, dem Menschenhandel in zwei Fällen und der Verschwörung zur organisierten Kriminalität, wurde Combs nicht verurteilt. Er hat damit das bestmögliche Urteil erhalten. Nein, es geht nicht darum, mit maximaler Härte zu bestrafen. Dennoch ist das Ergebnis des P.-Diddy-Prozesses enttäuschend. Weil es etwas offenbart, das weit über diesen Einzelfall hinausgeht: Frauen wird noch zu selten geglaubt, und es bleibt erschreckend schwer, Täter für ihr Handeln zur Rechenschaft zu ziehen", moniert die TAZ.
Die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG meint: "Dass die Jury der Erzählung von Combs’ Anwälten folgte, passt zu einer Fehlannahme, die sich immer noch durch westliche Gesellschaften zieht: Wenn Frauen angegriffen, vergewaltigt oder getötet werden, dann meistens von Fremden, heißt es. Nachts im Park, am Bahnhof, im Schwimmbad. Dabei gab es in Deutschland zum Beispiel 2023 bei versuchten oder vollendeten Tötungsdelikten an Frauen in mehr als 80 Prozent der Fälle einen Zusammenhang mit partnerschaftlichen Beziehungen. Und häusliche Gewalt findet per Definition zu Hause, also durch die Hand von Partnern statt. In den meisten dieser Fälle könnte man wahrscheinlich das machen, was Combs’ Anwälte vor Gericht genüsslich taten: Textnachrichten präsentieren, in denen die Frau dem Mann liebevolle Nachrichten schreibt, auch nach Gewalterfahrungen. So schlimm kann es also doch nicht gewesen sein! Dabei haben Psychologen viele Erklärungen dafür, warum es Opfer teilweise jahrelang in missbräuchlichen Beziehungen aushalten und dabei versuchen, ihren gewalttätigen Partner zu besänftigen." Und mit diesem Auszug aus der FAZ endet diese Presseschau.