
"Die gesellschaftliche Legitimität der Kandidatin ist beschädigt", konstatiert das HANDELSBLATT aus Düsseldorf: "Bischöfe, Juristen und politische Akteure von CDU und CSU äußern massive Vorbehalte – nicht nur politischer Natur. Das Bundesverfassungsgericht braucht Persönlichkeiten mit breiter Akzeptanz, nicht bloß juristische Exzellenz. Ein Rückzug von Brosius-Gersdorf wäre deshalb kein Scheitern, sondern ein Akt politischer Verantwortung. Es ist auch keine gute Idee von ihr, per Pressemitteilung gegen die Union Stimmung zu machen und sich abends zu 'Markus Lanz' zu setzen. Was soll das bezwecken? Frau Brosius-Gersdorf sollte den Weg frei machen. Für sie wäre es zwar ein Schritt zurück – aber für das Land zwei nach vorn", findet das HANDELSBLATT.
Die LAUSITZER RUNDSCHAU aus Cottbus glaubt dagegen, dass ein Rückzug Brosius-Gersdorfs für das Land nicht gut wäre: "Es würde bedeuten, dass man mit Kampagnen honorige Persönlichkeiten zur Strecke bringen kann. Eine andere Möglichkeit wäre der Rückzug von Unions-Fraktionschef Spahn. Der hat das Dilemma weitgehend zu verantworten. Aber auch Merz hat die Lage völlig falsch eingeschätzt. Wir haben eine Koalitionskrise."
"Es geht bei der Richterwahl um Grundsätzlicheres, nämlich darum, ob Versprechen eingehalten werden", unterstreicht der KÖLNER STADT-ANZEIGER: "Wenn dies nicht geschieht oder eine Abweichung nicht nachvollziehbar begründet wird, schmilzt das Vertrauen, in der Koalition wie in der Bevölkerung. Ohne Verlässlichkeit gibt es keine Stabilität. Für die Regierung bedeutet das: Sie muss ihre Fähigkeit zur Konfliktlösung verbessern. Diese Koalition hat noch andere schwierige Entscheidungen vor sich. Wenn sie wirklich Schwung und Zuversicht verbreiten will, muss sie bei sich selbst anfangen", fordert der KÖLNER STADT-ANZEIGER.
Der MÜNCHNER MERKUR geht auf eine Aussage des SPD-Fraktionsvorsitzenden Miersch ein, die die Zeitung als neuen Tiefpunkt bezeichnet: "Katholischen Bischöfen, die öffentlich an der Eignung der Juristin zweifeln, wirft Miersch 'Hetze' und 'unchristliches Verhalten' vor. Das würde der SPD so passen, nach dem Koalitionspartner nun auch noch der Kirche das Wort zu verbieten. Das missglückte Zeitungsinterview von Miersch zeigt, wie sehr sich die Partei – und mit ihr die vereinigte deutsche Linke – verrannt hat. Wie gereizt die Stimmung im Ergebnis nun auch in den Reihen von CDU und CSU ist, hat CSU-Chef Söder mit seiner Forderung verdeutlicht, die Linken dürften nicht bestimmen, was die Union macht. Das war eine klare Warnung an den Kanzler. Sein Kreditlimit bei den eigenen Leuten ist ausgeschöpft", stellt der MÜNCHNER MERKUR fest.
"Merz weiß sehr wohl, dass es in seiner Union gerade so gar nicht rund läuft", analysiert der REUTLINGER GENERAL-ANZEIGER: "Für ihn stellen sich jetzt drei Fragen. Die erste: Wenn es schon bei einer Formalie hakt, wie soll er künftig strittige, aber richtungsweisende Gesetze voranbringen? Die zweite Angelegenheit, die den Kanzler in der Sommerpause beschäftigen wird, ist die Personalie Spahn. Merz hat sich zum zweiten Mal schützend vor ihn gestellt - ein drittes Mal ist unwahrscheinlich. Denn mittlerweile stellen sich viele Christdemokraten die Frage: Kann Spahn nicht, oder will Spahn nicht? Das Ergebnis vom Freitag zeigt zumindest ein deutliches Vertrauensproblem innerhalb der Union", notiert der REUTLINGER GENERAL-ANZEIGER.
Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG resümiert: "Die vergangene Woche hat gezeigt, dass Kulturkampf im Bundestag nicht nur das ist, was die AfD betreibt – sondern dass die Polarisierung der Gesellschaft, die Ideologisierung der großen Themen auch die Parteien der Mitte zu zerreißen droht. Dass die unversöhnliche Stimmung im Netz auch jeden einzelnen Abgeordneten erreicht und manche sehr konkret beeinflusst. Dass es vielleicht nicht genügt in diesen Zeiten, als Kanzler eine harmonische Regierungszeit anzuordnen. Wer ideologische Gräben verkleinern will, muss sie erkennen, muss moderieren, muss überzeugen. Die Wahl von Brosius-Gersdorf nachzuholen, wäre dafür ein guter Anfang", empfiehlt die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG.
Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass Deutschland nicht gegen US-Drohnenangriffe im Jemen vorgehen muss, für die der Stützpunkt Ramstein in Rheinland-Pfalz genutzt wird. Die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG unterstreicht: "Gerade angesichts der aktuellen Spannungen in Europa ist die Bundesrepublik auf die militärische Unterstützung der USA so angewiesen wie lange nicht mehr. Das alles müsste das Verfassungsgericht nicht interessieren, dennoch hebt es in seinem Urteil auch die 'Bündnisfähigkeit' Deutschlands als Verfassungsgut hervor. Übersetzt: Deutschland ist nicht allein auf der Welt. Bitter bleibt, dass Deutschlands Abhängigkeit von den USA derart groß ist, dass nicht einmal das eigene Völkerrechtsverständnis noch was zählt", mahnt die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG.
Die STUTTGARTER ZEITUNG befürwortet das Urteil: "Es ist gut, dass sich das Verfassungsgericht nicht mit einer weitreichenden Entscheidung in die Außenpolitik eingemischt hat. Allerdings machten die Richter deutlich, dass Deutschland in bestimmten Fällen auch zum Schutz von Menschenrechten und Völkerrecht von Ausländern im Ausland verpflichtet sein kann. Die Bundesregierung muss gegebenenfalls darauf hinwirken, dass Drittstaaten sich an völkerrechtliche Regeln halten, wenn es einen Bezug zu Deutschland gibt. Eigentlich eine Selbstverständlichkeit", meint die STUTTGARTER ZEITUNG.
US-Präsident Trump hat Russland ein Ultimatum gestellt und dessen Handelspartnern mit Strafzöllen gedroht. Die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG beobachtet: "Auch Moskau fällt es offenkundig nicht leicht, zu bewerten, ob Trumps jüngste Wende in seiner Ukraine- und Russlandpolitik wieder nur von kurzer Dauer ist oder Ergebnis einer grundsätzlich veränderten Position im Verhältnis zu Putin. Hielte Trump daran fest, die Ukraine wenigstens indirekt mit Waffen zu unterstützen und dem Kreml durch die 'Sekundärsanktionen' die Finanzierung des Krieges zu erschweren, dann müsste Putin sich ernsthaft überlegen, ob er nicht doch einen 'Deal' mit Trump macht. Der Aggressor, das steht zu befürchten, wird in keinem Fall mit leeren Händen vom Schlachtfeld gehen", prognostiziert die F.A.Z.
Die NÜRNBERGER ZEITUNG moniert: "Bedenklich scheint, dass der US-Präsident für sich eine Win-Win-Situation geschaffen hat, und das ist aus deutscher Sicht durchaus kritikwürdig. Bewegt er Putin tatsächlich zum Einlenken, hat er sein versprochenes Ziel, den Konflikt zu entschärfen, erreicht. So weit, so gut. Schafft er das aber nicht, und der Krieg geht weiter, verdient nun auch die amerikanische Rüstungsindustrie direkt daran, und statt des US-Steuerzahlers wird Europa, vor allem Deutschland, zur Kasse gebeten."
"Trump ist in die Verkäuferrolle gegangen für amerikanische Rüstungsfirmen und er ermahnt Putins Helfer; mehr nicht", heißt es in den STUTTGARTER NACHRICHTEN: "Darin eine Wende zu erkennen, setzt enorm viel Wunschdenken voraus. Was die so prompte wie sarkastische Reaktion aus Moskau unterstreicht. Richtig daher, dass die Bundesregierung zwei Patriot-Luftabwehrsysteme für die Ukraine in den USA kaufen will. Doch auch mit Blick auf Deutschland verbietet sich das Wort von der Trendwende. Unions-Kanzler Merz bleibt in der Ukraine-Politik eng im Fahrwasser seines stets um die Beschwichtigung Putins bemühten SPD-Vorgängers Scholz. Mehr vom Gleichen – wie die Patriots – für die Ukraine, ja. Klare Kante gegen Putin, lieber nein." Mit dem Kommentar in den STUTTGARTER NACHRICHTEN endet diese Presseschau.