
Die VOLKSSTIMME aus Magdeburg schreibt dazu: "Die Furcht vor einem Übergreifen des Ukraine-Konflikts auf die EU ist groß und wird in Brüssel eifrig gefüttert. Um für alle Krisenlagen gewappnet zu sein, will die EU-Kommission den Haushalt flexibler gestalten. Nicht jeder Euro soll also schon verplant werden. Dafür sollen zwei heilige Kühe geschlachtet werden - die Haushaltstitel für Landwirtschaft und Regionales. Förderprojekte in den Mitgliedsstaaten will Brüssel erst dann bezahlen, wenn sie tatsächlich in Arbeit sind. Was nebenbei auch ein Mittel gegen Korruption ist. Im Europaparlament sind die Alarmsirenen aufgeheult. Die Abgeordneten fühlen sich zu recht übergangen. Ob Europa sukzessive zur Kriegswirtschaft übergeht, dürfen nicht nur die EU-Kommission und die Regierungen festlegen", meint die VOLKSSTIMME.
"Die Pläne von der Leyens sind einleuchtend", findet die STUTTGARTER ZEITUNG: "Zum einen will sie den Dschungel der kaum mehr überschaubaren Strukturen lichten. Zum anderen soll der billionenschwere Haushalt flexibler werden, um schneller auf unvorhergesehene Ereignisse wie eine Pandemie reagieren zu können. Bisher ist der Finanzrahmen geradezu das Sinnbild einer unbeweglichen Brüsseler Bürokratie. Fast alle Ausgabenposten sind starr auf sieben Jahre festgelegt. Die grundsätzliche Richtung der Reform stimmt also, doch haben die nun präsentierten Vorschläge ein zentrales Problem: Von der Leyen konzentriert damit noch mehr Macht in ihrer Behörde. Das weckt – wohl zurecht – den Argwohn in der gesamten Union", notiert die STUTTGARTER ZEITUNG.
"Einig sind sich die Verantwortlichen nur in einem Punkt", unterstreicht die FRANKFURTER RUNDSCHAU: "So wie bisher kann es nicht weiter gehen. Über die Auswege wird aber weiter gestritten. Die Haushaltsdebatte wird also nicht nur zeigen, ob die EU-Staaten in der Lage sind, etwas zu verändern. Es muss gelingen, nicht nur bald die Kredite für die Coronahilfen abzubezahlen, sondern auch den soziökonomischen Umbau der europäischen Gesellschaften voranzubringen. Löst die EU diese Aufgabe, ist dies ein Fingerzeig für die EU-Mitglieder, die alle vor ähnlichen Herausforderungen stehen. Schlägt der Versuch fehl, hilft das nicht, die vielen Aufgaben zu lösen. Das wird die euroskeptischen Töne lauter werden lassen", befürchtet die FRANKFURTER RUNDSCHAU.
Die Debatte über die vorerst gescheiterte Wahl der Staatsrechtlerin Brosius-Gersdorf zur Verfassungsrichterin geht weiter. Die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG analysiert: "Es geht weniger um fachliche oder rhetorische Exzellenz, sondern um Persönlichkeiten oder besser: den Eindruck davon. Sind die Verfassung und deren höchster Wert hier in guten Händen, mag eine Frage lauten. Oder konkreter: Wer den bestehenden Abtreibungskompromiss auf jeden Fall beibehalten will, der wird hier keine Kompromisse machen. Das ist legitim. Die Wahl durch das Plenum des Bundestages, verbunden mit dem Wunsch nach Transparenz, hat einen Preis. Der ist gewollt, wobei damit nie Bedrohung und Verleumdung verbunden sein dürfen. Wohl aber Verknappung und Zuspitzung, Meinungskampf. Diese Konstellation mag so noch nicht vorgekommen sein, nicht nur für die schwarz-rote Koalition: Jeder muss sich sein Bild machen. Jeder kann sich ein Bild machen. Es ist klug, wenn alle Beteiligten dem Schutz der Institutionen Vorrang geben", empfiehlt die F.A.Z.
"Mit ihrem Entschluss, sich öffentlich und ausführlich zu erklären, konnte Brosius-Gersdorf sich persönlich rehabilitieren", glaubt der KÖLNER STADT-ANZEIGER: "Mit dem Auftritt im Fernsehen hat Brosius-Gersdorf den Ball ins Feld der Politik zurückgespielt. Die Union behauptet nun, sie habe sich in ihrer Ablehnung nicht von der rechtspopulistischen Schlammschlacht beeinflussen lassen. Wenn das stimmt, wird ein Rückzug der Juristin nur mit dem Rollen von Köpfen in der Union einhergehen können", mutmaßt der KÖLNER STADT-ANZEIGER.
"Hier sollte eine Kandidatin unmöglich gemacht werden", konstatiert die RHEIN-NECKAR-ZEITUNG aus Heidelberg: "Dann die aus der Luft gegriffenen Plagiatsvorwürfe. Alles durchsichtige Manöver eines Machtkampfes, den im Übrigen in erster Linie Unionsfraktionschef Spahn verloren hat. Ausbaden muss die Niederlage aber Brosius-Gersdorf, die zum Rückzug noch nicht bereit ist. Doch die Besetzungen von Richterstellen in Karlsruhe folgen komplexen politischen Prozessen. Üblicherweise werden die Personalien hinter verschlossenen Türen verhandelt. Schon die öffentliche Debatte macht es für Schwarz-Rot unmöglich, eine gesichtswahrende Lösung für alle Beteiligten zu finden", moniert die RHEIN-NECKAR-ZEITUNG.
Die AUGSBURGER ALLGEMEINE stellt fest: "Für viele Bürger ist Brosius-Gersdorf nun also diese Frau, die Schwangerschaftsabbrüche bis kurz vor der Geburt möglich machen will und ungeborenen Kindern die Menschenwürde abspricht. Dass das gar nicht stimmt, geht im allgemeinen Geraune unter. Was noch bleibt: Das ungute Gefühl, der demokratischen Mitte entgleite das Land, und die bittere Erkenntnis, dass Deutschland nicht gefeit davor ist, in eine Debatten-Unkultur made by Trump abzudriften."
Die MÄRKISCHE ODERZEITUNG aus Frankfurt an der Oder prognostiziert: "Wenn sich an dieser Situation nichts ändert, wächst sich die Unstimmigkeit über die Sommerpause zu einer handfesten Krise aus, die auch die Regierung bedroht. Ein Rückzug Brosius-Gersdorfs würde das Problem zwar lösen, doch wäre es dann zu spät und das Bündnis massiv beschädigt. Um sich nicht von den Überlegungen der Kandidatin abhängig zu machen, müssen Merz und SPD-Parteichef Klingbeil schnell einen Ausweg aus der Lage finden und einen Weg nach vorne weisen", fordert die MÄRKISCHE ODERZEITUNG.
Wohlhabene Rentner der Babyboomer-Generation könnten nach einem Vorschlag des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung für ärmere Rentner zur Kasse gebeten werden. Das HANDELSBLATT aus Düsseldorf kritisiert, der Vorstoß verkenne das Prinzip der Rentenversicherung: "Die umlagefinanzierte Rente basiert auf Vertrauen und dem Generationenvertrag – nicht auf nachträglicher Bestrafung jener, die jahrzehntelang viel eingezahlt haben. Die Boomer-Generation, von der es viele beim Berufseinstieg nicht leicht hatten, haben das System mitgetragen und Leistungsausweitungen ermöglicht. Ihnen nun den Schwarzen Peter zuzuschieben, mag populär sein, ist aber weder ein nachhaltiges noch ein überzeugendes Finanzierungskonzept", bemängelt das HANDELSBLATT.
Im MÜNCHNER MERKUR heißt es: "Schon 35- und 40-Jährige überlegen sich, wie viel sie fürs Alter sparen und vorsorgen: in berufsständischen Modellen, in Lebensversicherungen, in Immobilien, in ETF-Sparplänen. Statt hier zusätzlich abzugreifen, sollte der Staat solche Modelle fördern, so wie er es einst bei der misslungenen Riester-Rente mal geplant hatte. Es muss gerecht bleiben: Wer lange in die Rentenkasse einzahlt, muss mehr bekommen. Und wer gerade angesichts der wachsenden Rentenlücke privat vorsorgt, darf nicht der Dumme sein."
Die Zeitungen der MEDIENGRUPPE BAYERN argumentieren hingegen: "Irgendwann muss man endlich anfangen, unsere Sozialsysteme, die in Zeiten entwickelt wurden, als es noch Schwarzweiß-Fernseher gab, an die gegenwärtigen Verhältnisse anzupassen. Und weil die Zeiten sich radikal geändert haben und sich die Politik viel zu lange im Weiter-so gesonnt hat, braucht es radikale Reformen. Die werden mit Zumutungen verbunden sein – was aber immer noch besser ist, als weiter nichts zu tun und alle Lasten den folgenden Generationen aufzubürden." Mit diesem Kommentar aus den Zeitungen der MEDIENGRUPPE BAYERN endet die Presseschau.