19. Juli 2025
Die Presseschau aus deutschen Zeitungen

Kommentiert werden das neue EU-Sanktionspaket gegen Russland und der Abschiebeflug nach Afghanistan. Zentrales Thema auf den Meinungsseiten ist aber die Sommerpressekonferenz, bei der sich Bundeskanzler Merz zur aktuellen Innen- und Außenpolitik geäußert hat.

Berlin: Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) sitzt bei seiner Sommer-Pressekonferenz in der Bundespressekonferenz.
In den Kommentarspalten geht es unter anderem um die Sommer-Pressekonferenz von Bundeskanzler Merz (Michael Kappeler / dpa / Michael Kappeler)
Der MÜNCHNER MERKUR findet, dass die Schwarz-Rote Koalition in ihren ersten zehn Wochen durchaus geliefert hat: "Vor allem in der Migrationspolitik, wo Bundesinnenminister Dobrindt die Asylwende konsequent vorantreibt. Außenpolitisch nimmt Deutschland unter Merz endlich wieder seinen Platz als europäische Führungsnation ein. Und im Bundestag hat die schwarz-rote Regierung so viele Gesetze durchgebracht wie kaum eine vor ihr. Das Wichtigste bleibt noch zu tun, die Wiederbelebung der scheintoten Konjunktur und die Stabilisierung der Sozialsysteme, von der Entschärfung der Zeitbombe Bürgergeld ganz zu schweigen", bemerkt der MÜNCHNER MERKUR.
Der KÖLNER STADT-ANZEIGER findet lobende Worte für die außenpolitische Arbeit des Bundeskanzlers: "Merz hat im Ausland Führung gezeigt. Er hat geschickt einen Draht zum sprunghaften US-Präsidenten Donald Trump gesponnen, um ihn zumindest für den Moment ein Stück weit vom Kriegstreiber Wladimir Putin wegzuholen. Er hat der von Russland überfallenen Ukraine überlebenswichtige Militärhilfe verschafft. Er hat einen neuen Umgang mit Polen, Frankreich, Großbritannien gefunden und nun die EU für zu schwerfällige Verfahren kritisiert. Zugleich stärkt er sie mit der Bereitschaft, EU-Steuern oder -Abgaben zu erwägen", fasst der KÖLNER STADT-ANZEIGER zusammen.
Die RHEINISCHE POST aus Düsseldorf hebt hervor: "Die erste halbe Stunde der traditionellen Sommer-Pressekonferenz dreht sich ausschließlich um die verunglückte Richterwahl im Bundestag, Fragen zur nach nur zwei Monaten bereits angeschlagenen Koalition stehen im Mittelpunkt. Für Merz ist es ein schwieriger Balanceakt. Er hat den Widerstand in der Unionsfraktion unterschätzt und damit eine Krise mit der SPD ausgelöst, die absolut unnötig war. Die Folge für ihn muss sein: sich selbst stärker innenpolitisch kümmern. Und er muss in der Union klarmachen, dass er die Führungsrolle hat. Merz muss lernen, die Bedürfnisse der SPD mitzudenken, so schwer es ihm inhaltlich auch fallen mag. Wenn er wie angekündigt die Stimmung im Land verbessern will, dann muss er Dinge besser planen und vordenken", konstatiert die RHEINISCHE POST.
"Dass die Nicht-Wahl der SPD-Kandidatin für das Verfassungsgericht Brosius-Gersdorf gerade vieles andere überwölbt, ist in mehrfacher Hinsicht nicht gut", befindet die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG: "Der Vorgang weist über sich selbst hinaus, weil er die Stabilität der Regierung infrage stellt. Hinzu kommt, dass das Thema Richterwahl so weit weg von den akuten Problemen ist, wie es kaum ein anderes Thema sein könnte. In den vergangenen Wochen durften sich jene bestätigt fühlen, die ohnehin denken, dass in der Hauptstadt alle um sich selbst kreisen."
Der DONAUKURIER aus Ingolstadt bewertet die Arbeit von Schwarz-Rot in einigen Bereichen kaum besser als die der Vorgängerregierung: "Den Kommunikations-Gau jedenfalls, als es neulich so wirkte, die Strompreissenkung wäre gegen die Mütterrente ausgespielt worden, hätte die Ampel auch nicht besser hinbekommen. Und hätte sich die Ampel einst per Grundgesetzänderung die Möglichkeit verschafft, viele Milliarden geliehener Euros auszugeben, dann hätten manche in der Union vermutlich umgehend begonnen, die Tassen im Hirnkastl der Ampel zu zählen. Was die Entfesselung der Wirtschaft angeht, hat die Union jahrelang einen anderen Eindruck erweckt als was sie bisher zu liefern im Stande war", schreibt der DONAUKURIER.
Die SÜDWEST-PRESSE aus Ulm sieht es so: "Friedrich Merz und die Union sind an der Regierung, weil die Mehrzahl der Wähler in Deutschland wieder eine Politik wollte, die rechts der Mitte angesiedelt ist. Die Union steht jetzt unter dem Druck, eine konservative Politik vorzulegen. Und zwar mit einem Koalitionspartner SPD, der sich selbst in einer Sinnfindungskrise befindet und dessen Funktionäre teilweise davon ausgehen, dass CDU und CSU ohnehin heimlich daran arbeiten, sich mit der AfD zusammenzutun. Es stellt sich die Frage, wie denn nun die von Merz angekündigten, umfassenden Reformen bei der Gesundheit, der Pflege, der Rente und der Bürgerversicherung hinzukriegen sind, wenn sich die Koalitionspartner schon bei einer Routine-Frage wie der Richterwahl so derartig in die Wolle kriegen", notiert die SÜDWEST-PRESSE aus Ulm.
Deutschland hat zum zweiten Mal seit der Machtübernahme der Taliban Menschen nach Afghanistan abgeschoben. Der Flug mit 81 ausreisepflichtigen Straftätern wurde offenbar erneut mit Hilfe von Katar organisiert. Der REUTLINGER GENERAL-ANZEIGER hat Verständnis für die Forderung von Bundesinnenminister Dobrindt, bei Abschiebungen künftig direkt mit den Taliban zu verhandeln: "In der Politik kann man sich seine Gesprächspartner leider nicht immer aussuchen. Um die Interessen des eigenen Landes zu wahren, müssen sich unsere Volksvertreter auch mit Autokraten, Fundamentalisten und Populisten an einen Tisch setzen – auch wenn es manchmal schmerzt. Die Mehrheit der Deutschen hat mittlerweile kein Verständnis mehr dafür, dass Schwerverbrecher sich hier auf Staatskosten ein schönes Leben machen. Deutschland muss wieder die Kontrolle darüber erlangen, wer in seinen Grenzen leben darf. Gelingt dies nicht, müssen wir fürchten, bald selbst von Autokraten und Populisten regiert zu werden", warnt der REUTLINGER GENERAL-ANZEIGER.
Die VOLKSSTIMME aus Magdeburg ergänzt: "Ein dauerhafter Boykott Afghanistans hilft auf die Dauer keiner Seite. Die Taliban sitzen sicher im Sattel. Ohne Pragmatismus ist international nichts zu bestellen."
"Es geht weniger um die Abschiebung an sich als um das Symbol, dass abgeschoben wird. Die praktischen Auswirkungen sind dabei im Grunde egal", meint dagegen die TAGESZEITUNGTAZ: "Erklärtes Ziel der Bundesregierung ist es, einen dauerhaften Abschiebemechanismus zu etablieren. Es ist ein offenes Geheimnis, was die Taliban dafür fordern: konsularische Vertretung in Deutschland. Geht die Bundesregierung diesen Weg weiter, dann hilft sie den Islamisten, ihre Machtbasis in Afghanistan zu festigen und mit einem Konsulat womöglich eine Basis in Deutschland zu schaffen. Zur Erinnerung: Die Taliban sind Islamisten, die man mit Fug und Recht als die Feinde der aufgeklärten Gesellschaft betrachten darf", unterstreicht die TAZ.
Die EU-Staaten haben sich nach Zustimmung der Slowakei auf ein neues Sanktionspaket gegen Russland geeinigt. "Endlich", heißt es dazu in der FRANKFURTER RUNDSCHAU: "Überzeugender wäre es allerdings gewesen, wenn die politisch Verantwortlichen schon früher der Slowakei versichert hätten, nicht durch die beschlossenen Schritte geschädigt zu werden. Das hätte womöglich das wochenlange Gezerre verhindert, das am Ende alles andere überlagert hat. Es entsteht der Eindruck, die EU sei unfähig, bei solch wichtigen Themen schnell zu entscheiden. Abgesehen davon bleibt es allerdings richtig, den Druck auf Moskau zu erhöhen."
Die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG kritisiert die wochenlange Blockade des Sanktionspakets durch den slowakischen Ministerpräsidenten: "Fico kann nachvollziehbare Gründe dafür anführen, warum der angestrebte Abschied der EU von fossilen Brennstoffen aus Russland für die Slowakei jetzt schwieriger ist als für andere Mitgliedstaaten. Doch dass sein Land in dieser Lage ist, liegt auch an ihm: Er hat darauf gesetzt, dass es mit dem russischen Gas so weitergehen wird wie bisher, und daher keine nennenswerten Anstrengungen unternommen, sich aus der Abhängigkeit von russischer Energie zu lösen. Am Ende der Hängepartie um das Sanktionspaket musste Fico zugeben, dass er weniger Zugeständnisse bekommen hat, als er wollte. Andere EU-Staaten haben dem Slowaken deutlich vor Augen geführt, dass er in der EU ein Vielfaches von dem zu verlieren hat, was er von dem Mann im Kreml bekommen kann, den er gerne hofiert", vermutet die F.A.Z., und damit endet die Presseschau.