
"War das schon der Ruck, der durch Deutschland gehen muss?", fragt etwa das HANDELSBLATT. "Die Wende zu mehr Wachstum? Man sollte vorsichtig sein mit allzu optimistischen Prognosen, aber zumindest war es ein Aufbruchsignal", findet das HANDELSBLATT.
"Das ist mal eine Ansage", schreibt die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG. "631 Milliarden Euro wollen Unternehmen wie Siemens oder die Deutsche Bank, die sich in der Initiative 'Made for Germany' zusammengeschlossen haben, in den kommenden drei Jahren investieren. Als lautes Bekenntnis zum Standort Deutschland, als Fanfare für den nötigen Stimmungsumschwung im Land. Die Summe ist wahrlich kein Pappenstiel, im Schnitt entfallen auf jedes der beteiligten Unternehmen gut zehn Milliarden Euro. Dass es sich teils um Investitionen handelt, die ohnehin längst geplant waren, schmälert das Standort-Bekenntnis zwar nicht; den gewünschten Effekt für die Aufbruchstimmung aber vielleicht schon ein wenig", bemerkt die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG.
Die STUTTGARTER ZEITUNG räumt ein: "Man kann kritisch anmerken, dass es sich bei diesen angekündigten Investitionen um Projekte handelt, die ohnehin bereits geplant waren. Oder auch, dass Vertreter des Mittelstands beim Investitionsgipfel fehlten. Doch so ein Gipfel hat natürlich auch eine symbolische Wirkung. Insofern kann man das Treffen durchaus als Erfolg sehen. Doch es wirkt ein wenig so, als wenn ein Betrieb ein besonders ausschweifendes Sommerfest ausrichtet, um die Stimmung in der Belegschaft zu verbessern. Das ist nicht unwichtig – doch es reicht eben nicht", unterstreicht die STUTTGARTER ZEITUNG.
DIE TAGESZEITUNG argumentiert: "Die Wirtschaftsverbände, in denen überwiegend Unions-Leute an der Spitze stehen, versuchen bislang vergebens, mit Lob und Aufmunterung für die Regierung die Stimmung zu drehen – es fehlt ihnen schlicht an Glaubwürdigkeit, nachdem sie in den Ampel-Jahren alle Initiativen in Grund und Boden gestampft haben. Auch eine Show-Veranstaltung wie das Treffen mit Managern beim 'Investitionsgipfel' ist viel zu durchsichtig, um einen durchschlagenden Erfolg zu haben", ist sich die TAZ sicher.
Die FRANKFURTER RUNDSCHAU sieht es ähnlich: "Schöne Bilder und blumige Worte im Kanzleramt erzeugen noch kein Wachstum und schon gar keine Wirtschaftswende. Was Deutschland stattdessen braucht, ist ein neuer Geist des Möglichmachens. Investitionen sind ein Anfang, aber sie verpuffen, wenn sie nicht mit entschlossenen Reformen flankiert werden. Hohe Sozialabgaben, überbordende Regulierung, schlechte Bildung, schwerfällige Behörden - die Liste der Aufgaben für die Regierung ist lang", stellt die FRANKFURTER RUNDSCHAU fest.
Aus Sicht des STRAUBINGER TAGBLATTS ist hier bisher zu wenig passiert: "An vorderster Stelle dürfte die Unternehmer interessiert haben, was die Koalition unternehmen wird, um die Sozialausgaben in den Griff zu bekommen, die sich bei ihnen als Lohnnebenkosten niederschlagen. Hier nun hat die Koalition bisher nicht einmal den Ansatz von Reformüberlegungen erkennen lassen. Ebenso wenig Konkretes liegt bei den Dauerthemen Bürokratieabbau und Sanierung der Infrastruktur vor", resümiert das STRAUBINGER TAGBLATT.
Themenwechsel. Das ARD-Sommerinterview mit AfD-Chefin Weidel wurde durch einen lautstarken Protest der Künstler- und Aktivistengruppe "Zentrum für Politische Schönheit" massiv gestört. Der REUTLINGER GENERAL-ANZEIGER urteilt: "Die 'Demonstranten' haben der freiheitlich-demokratischen Grundordnung in Deutschland gleich auf mehreren Ebenen einen Bärendienst erwiesen. Als Erstes beschädigen sie das Recht auf Versammlungsfreiheit, weil sie sich nicht an die zugehörigen Regeln halten. Dann nehmen sie gleich noch die Pressefreiheit aufs Korn und hindern Journalisten an der Ausübung ihrer Arbeit. Ihr Erfolg dabei: Den zweifelhaften öffentlichen Effekt der Störaktion über den demokratischen Dialog zu stellen. Was für eine Leistung! Gleichzeitig sorgt ihre dummdreiste 'Demonstration' für deutlich mehr Beachtung von Alice Weidels Person und ihrer Partei, als es politische Inhalte oder die Äußerungen im Interview wohl je geschafft hätten", vermutet der REUTLINGER GENERAL-ANZEIGER.
"Der Effekt der Störaktion ist genau das Gegenteil dessen, was wahrscheinlich beabsichtigt war", sind die NÜRNBERGER NACHRICHTEN überzeugt. "Der Versuch, einen politischen Gegner mundtot zu machen, brachte diesen in aller Munde. So sehr energischer Einsatz zum Schutz der Demokratie notwendig ist, so wenig darf dieser ausschließlich mit Emotionen und Krawall erfolgen. Gefragt ist vielmehr strategisches Denken. Bauchgefühl können die Populisten ohnehin besser einsetzen als andere politische Kräfte. Das Appellieren an niedere Instinkte ist Teil des AfD-Geschäftsmodells, das von der Suche nach Sündenböcken lebt. Die politische Mitte hingegen muss, auch wenn das anstrengender ist, durch Besonnenheit punkten", notieren die NÜRNBERGER NACHRICHTEN.
Der WESER-KURIER aus Bremen formuliert es so: "Wer versucht, den politischen Gegner mundtot zu machen, beweist nur, dass er in Wirklichkeit kein Interesse an einer Debatte hat. Deshalb besteht der richtige Umgang mit der AfD nicht im Hupen oder in lauter Musik, sondern darin, beharrlich ihre grotesken Falschbehauptungen, ihre fortwährende Schlechtrederei dieses Landes, ihre unerträgliche Nähe zu Diktatoren wie Putin und ihre ewige Suche nach fremden Sündenböcken zu entlarven. Und darin, die Probleme, die es zweifelsohne auch gibt, zu lösen", glaubt der WESER-KURIER.
Der KÖLNER STADT-ANZEIGER kritisiert, der Sender habe nicht angemessen auf die Situation reagiert: "Die ARD muss sich vorwerfen lassen, die Parteichefin dieser Kulisse ausgesetzt zu haben. Von Profis darf Improvisationstalent erwartet werden. Man hätte kurz abbrechen, im Gebäude neu aufbauen können. Nur hätte die ARD dafür das eherne Gesetz brechen müssen, dass Sommerinterviews im Freien stattfinden müssen. Hätte sie es bloß getan", meint der KÖLNER STADT-ANZEIGER.
Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG ist ebenfalls der Meinung: "Im ARD-Hauptstadtstudio hätten sie eigentlich das Interview abbrechen und von der Spree-Terrasse ins Innere verlegen müssen. Stattdessen fragte der Interviewer während eines Einspielfilms sein Gegenüber Weidel, ob sie den Ort wechseln wolle. Die beiden konnten einander wechselseitig kaum verstehen. Weidel aber erkannte offenbar schnell den Wert der Situation. Sie war für Weitermachen", heißt es in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG.
"War es Rundfunkversagen?", überlegt die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG und betont: "ARD und ZDF unterliegen anderen Bindungen als die freie Presse. Eine Pflicht zur Ausgewogenheit ergibt sich aus der besonderen Stellung des öffentlich-rechtlichen Systems. Nimmt man aber das Bemühen um eine Abbildung des gesamten Spektrums und Diskurses ernst, dann geht es nicht nur um Präsenzen und Sendeminuten. Man will schon hören, was die Politiker zu sagen haben. Dafür ist der Sender verantwortlich – egal, ob Frau Weidel das Interview so fortführen wollte. Daraus müssen Lehren gezogen werden", verlangt die F.A.Z.
Die RHEINISCHE POST aus Düsseldorf kommt zu dem Schluss: "Dass die ARD für künftige Interviews Vorkehrungen treffen will, ist die richtige und notwendige Konsequenz. Denn wie leicht zwei Dutzend Menschen mit einer massiven Lautsprecheranlage ein Sommerinterview mit mehr als einer Million Zuschauer stören können, spricht sich sicher herum. Nachahmer werden nicht lange auf sich warten lassen." Das war ein Zitat aus der RHEINISCHEN POST, und damit endet diese Ausgabe der Presseschau.