
Dazu schreibt die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG: "Die Mehrheit im ukrainischen Parlament und Präsident Selenskyj haben ihrem Land einen schlechten Dienst erwiesen, als sie die Unabhängigkeit der zwei wichtigsten Antikorruptionsorgane des Landes beschnitten haben. Ihre Gründung war von Reformern mit Unterstützung aus dem Westen gegen heftige Widerstände durchgesetzt worden. Und ihre Arbeit hat Wirkung gezeigt. Der Verdacht drängt sich auf, dass genau das der Grund dafür war, gegen sie vorzugehen. Alles an diesem Gesetz spricht gegen diejenigen, die es durchgesetzt haben. Künftig kann der politisch ernannte Generalstaatsanwalt den Antikorruptionsermittlern Fälle nach Belieben entziehen. Das ist ein Schlag gegen zwei Pfeiler des Widerstands gegen Russland: den Zusammenhalt der ukrainischen Gesellschaft und die Unterstützung durch die EU", gibt die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG zu bedenken.
CICERO aus Berlin stimmt zu: "Ganz offenkundig haben Selenskyj und seine Berater aus dem Blick verloren, wie wichtig dieses Thema für die Öffentlichkeit in den EU-Staaten ist, auf deren politische und militärische Unterstützung Kiew angewiesen ist. Die Korruption in der ukrainischen Elite ist auch stets Argument der Gegner dieser Unterstützung gewesen, ob sie nun in Budapest, Bratislava, der AfD, der Linken oder dem Bündnis Sahra Wagenknecht sitzen.“
Kritik am ukrainischen Präsidenten übt auch ND.DERTAG aus Berlin: "Mit der Unterwerfung unabhängiger Korruptionsermittler unter seine Fittiche scheint der Bogen für die Ukrainer überspannt. Erstmals seit Kriegsbeginn gibt es Proteste. Dass die Ermittler aus Russland gesteuert werden, wie Selenskyj in einem peinlichen Video behauptet, glaubt keiner. Der gefeierte aufstrebende Jungpräsident und unantastbare 'Verteidiger Europas' verwandelt sich immer mehr in einen Sonnen(blumen)-König, der sich die Ukraine nach seinem Gusto umbaut. Die 'Kriegsdemokratie' Selenskyjs weicht immer mehr der Logik eines autoritären Regimes. Und Selenskyj weiß, dass er damit durchkommt. Die Kritik aus Brüssel und Berlin an der Verfolgung der Korruptionsermittler kann er sich in sein Poesiealbum kleben, mit dem Wissen, dass man ihn nicht allein lässt oder gar Geld und Waffen zurückhält. Denn es droht ja Russland", heißt es in der Zeitung ND.DERTAG.
Die ebenfalls in Berlin erscheinende JUNGE WELT richtet den Fokus auf die Reaktionen in den EU-Hauptstädten auf Kiews Umgang mit seinen Antikorruptionsbehörden: "EU-Größen versuchten offenbar, Selenskyj von dem Vorhaben abzubringen. Entsprechend gereizt reagierten sie am Mittwoch auf die Eilbeseitigung ihrer Vorzeigeämter, die westliche Demokratie darstellen sollten. An der Einstufung des Landes in einschlägigen Korruptionsindizes, ungefähr bei Platz 105 von 180 Staaten, haben sie bislang nichts ändern können."
Die RHEIN-NECKAR-ZEITUNG aus Heidelberg hält Selenskyjs Vorgehen auch im Hinblick auf westliche Hilfe bei einem zukünftigen Wiederaufbau des Landes für inakzeptabel: "Sollen West-Investoren dann nach dem Krieg etwa mafiöse Strukturen bedienen? Die mehr als dezenten Hinweise aus Brüssel und Berlin sollten Selenskyj zum Einlenken bewegen. Man mag sich im Übrigen gar nicht ausmalen, was ihn bewogen haben könnte, so offensichtlich einen Machtkampf vom Zaun zu brechen. Schützt er sich selbst?", fragt die RHEIN-NECKAR-ZEITUNG.
Israels Vorgehen im Gazastreifen löst zunehmend Kritik aus. Zurecht, findet die AUGSBURGER ALLGEMEINE: "Es ist legitim und übrigens auch im Interesse der Palästinenser, dass Israel die Terrorherrschaft der Hamas beenden will – insbesondere nach dem Massaker vom 7. Oktober 2023. Doch nicht legitim ist, wie eine mit radikalen, ja kriminellen Kräften durchsetzte israelische Regierung diesen Weg verfolgt: mit einer völkerrechtswidrigen Kriegsführung. Die Beweise für die Kriegsverbrechen der Besatzer sind so erdrückend, dass international Entsetzen um sich greift – verstärkt auch in Israel selbst."
"28 Staaten appellieren auf Initiative Großbritanniens an Israels Ministerpräsident Netanjahu, seine Politik zu überdenken. Sie fordern ein Ende des Krieges im Gazastreifen", ergänzen die NÜRNBERGER NACHRICHTEN und fragen: "Was hindert CDU und CSU, sich diesen Kritikern anzuschließen?"
"Es spricht nichts dagegen, sich der Erklärung anzuschließen, die die deutsche Regierung inhaltlich ja teilt und die Israels Regierung wie die Hamas in die Pflicht nimmt", findet die LEIPZIGER VOLKSZEITUNG: "Es wäre gut, auch in dieser Angelegenheit auf internationale Gemeinsamkeit zu setzen. In Sachen Völkerrecht ist Eindeutigkeit gefragt."
Auch die RHEIN-ZEITUNG aus Koblenz fordert klare Worte von der Bundesregierung: "Was derzeit vor den Augen der Welt in Gaza passiert, lässt sich mit Selbstverteidigung nicht rechtfertigen. Wenn im Krieg ganze Wohngebiete zerstört sind, humanitäre Lieferungen vielfach blockiert werden, die Menschen hungern und fast täglich welche auf der Suche nach Lebensmitteln an den Verteilstationen erschossen werden, dann ist es die Pflicht aller Staaten, tätig zu werden. Sie haben dafür zu sorgen, dass das Leiden schnellstmöglich endet. Es ist daher richtig, dass die SPD-Fraktion vom Koalitionspartner Union fordert, den Druck auf Israel zu erhöhen", betont die RHEIN-ZEITUNG.
In der MÄRKISCHEN ODERZEITUNG aus Frankfurt/Oder ist zu lesen: "Vielleicht wird Netanjahu einmal in die israelische Geschichte als jener Premier eingehen, der seinem Land das Überleben gesichert hat, weil Israel im Nahen Osten wieder gefürchtet wird. Vielleicht erinnert man sich auch daran, dass ihm das nur durch den Bruch von Völkerrecht und Menschenrechten gelang. Deutschland jedenfalls wird mit dem Zwiespalt leben müssen, dass es die Existenz des Staates Israel über diese Normen gestellt hat – als Preis, den die historische Schuld des Holocaust fordert", merkt die MÄRKISCHE ODERZEITUNG an.
Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG geht auf den Besuch von Frankreichs Präsident Macron bei Bundeskanzler Merz in Berlin ein: "Sie mögen sich. Aber kein Lächeln, kein Schulterklopfen und keine Absichtserklärung kann die Bruchlinien zwischen Paris und Berlin verdecken, die jetzt wieder hervortreten, nachdem die anfängliche Euphorie verflogen ist. Frankreich erhebt Anspruch auf die Führungsrolle beim gemeinsamen Kampfjet-Projekt, die Bundesregierung ist irritiert. Macron möchte im Handelskonflikt mit den USA schon lange Stärke zeigen, Merz hat gebremst in der Hoffnung auf einen Deal. Paris steht dem Handelsabkommen mit den südamerikanischen Mercosur-Staaten im Weg, Berlin hätte diesen Vertrag lieber schon seit gestern. Macron verfolgt eine schärfere Linie im Umgang mit China als die Bundesregierung, deren Haltung traditionell von Industrieinteressen beherrscht wird. Merz und Macron müssen diese Gräben überwinden. Je mehr beide übereinstimmen und gemeinsam agieren, desto effizienter funktioniert die Brüsseler Maschinerie, und umso mächtiger ist die EU als geopolitischer Akteur", erläutert die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG.
"Gefühlt hat Kanzler Merz in den wenigen Wochen seit seinem Regierungsantritt den französischen Präsidenten schon häufiger getroffen als Vorgänger Scholz in seiner gesamten Amtszeit", fügt die RHEINISCHE POST aus Düsseldorf an: "Nach der bleiernen Scholz-Zeit erwacht das deutsch-französische Verhältnis zu neuem Leben. Rumpelt es zwischen beiden Ländern, rumpelt es in ganz Europa. Diese Phase ist zum Glück vorbei. Selbstverständlich gibt es Dissense. Überdies verhandelt Merz mit einem französischen Präsidenten, dessen Halbwertszeit gering ist. 2027 wählen die Franzosen jemand Neues. Doch das eine sollte man vom anderen vorerst trennen. Nur, wenn das deutsch-französische Tandem funktioniert, lässt sich auch europäisch etwas bewirken. Wichtig ist somit, dass aus dem neuen Schwung tatsächlich auch ein Gleichschritt wird." Mit dieser Stimme der RHEINISCHEN POST endet die Presseschau.