30. Juli 2025
Die Presseschau aus deutschen Zeitungen

Themen der Kommentare sind die geplante Luftbrücke für Gaza und die Defizite im Bundeshaushalt. Zunächst aber geht es um den Rückzug der Grünen-Politikerin Nietzard vom Vorsitz ihrer Jugendorganisation.

Jette Nietzard, Sprecherin der Grünen Jugend, spricht bei der Bundesdelegiertenkonferenz der Grünen in Wiesbaden.
Jette Nietzard, Sprecherin der Grünen Jugend, hört auf. (Michael Kappeler/dpa)
Die DITHMARSCHER LANDESZEITUNG bemerkt dazu: "Und wieder schmilzt ein Schneeflöckchen. Jette Nietzard zieht die Konsequenz aus Anfeindungen nicht zuletzt aus den eigenen Reihen. Was der Grünen-Jugend-Chefin dabei völlig abgeht, ist die Einsicht in die eigene Fehlbarkeit. Selbstgerecht, ganz groß im Austeilen und äußerst dünnhäutig beim Einstecken von Kritik: Wer dieses Bild von einem bestimmten Spektrum oder gar einer ganzen Generation hat, darf sich durch Nietzard bestätigt fühlen", findet die DITHMARSCHER LANDESZEITUNG aus Heide.
Die Zeitungen der MEDIENGRUPPE BAYERN halten fest: "Statt Selbstkritik teilt sie noch mal aus gegen die Grünen-Spitze. Nietzard beweist erneut, dass sie ihre Aufgabe missverstanden hat: Die Jugendorganisationen der Parteien sollen laut sein, dürfen auch gröber argumentieren. Aber sie sind Korrektiv für ihre Mutterparteien, nicht Frontalopposition. In dieser Rolle sind sie obsolet. Nietzards Rückzug gibt der Grünen Jugend jetzt die Möglichkeit für einen dringend nötigen Neustart", unterstreichen die Zeitungen der MEDIENGRUPPE BAYERN.
Die OSNABRÜCKER ZEITUNG stellt fest: "Ein nicht geringer Teil ihrer Arbeit bestand darin, die eigenen Provokationen wieder einzufangen. Und angesichts einer polarisierten Debatte, in der sie jetzt 'Mehr Liebe' fordert, hat sie ohne Not Öl ins Feuer gegossen. Auch ihren eigenen Anliegen – Flüchtlingshilfe, Frauen, Klima, Anti-Rassismus – hat das nicht gutgetan. Zur Marke gemacht hat es sie trotzdem. So funktioniert sie eben, die gegenwärtige Aufmerksamkeitsökonomie", bilanziert die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG.
"Dass Jette Nietzard nun die Reißleine zieht, ist ein Segen für die Partei und für das Land", kommentiert T-ONLINE und fährt fort: "Die Nachwuchspolitikerin hat nicht nur der eigenen Partei geschadet, sondern auch der Debattenkultur generell. Sie hätte die Grüne Jugend wieder näher an die Mutterpartei heranführen und gleichzeitig für linke Positionen innerhalb der Partei einstehen können. Nietzard hat diese Chance nicht genutzt, stattdessen provozierte sie lieber. Sie hat Partei und Jugendorganisation weiter voneinander entfremdet. Schlimmer noch: Nietzard hat mit ihren Provokationen in polarisierten Zeiten zu einer weiteren Spaltung der Gesellschaft beigetragen", so das Fazit von T-ONLINE.
DIE RHEINPFALZ aus Ludwigshafen gibt zu bedenken: "Der oft ungelenke Umgang grüner Spitzenpolitiker mit Nietzard wirft ein Schlaglicht auf den Zustand der Partei. Nach dem desolaten Ergebnis bei der jüngsten Bundestagswahl inklusive Machtverlust befinden sich die Grünen noch immer im Modus der Selbstfindung. Führt ein Ruck nach links zu mehr Erfolg, oder hat diesen Platz längst die Linkspartei besetzt? Oder soll die Partei ihren Platz weiter in der politischen Mitte suchen, wie dies die ehemaligen Leitfiguren Robert Habeck und Annalena Baerbock forciert haben? Störer wie Nietzard, die allen Fokus auf sich ziehen, sind bei dieser Kursbestimmung hinderlich", meint DIE RHEINPFALZ.
Der MÜNCHNER MERKUR analysiert: "Die Grünen haben ein Frauenproblem weniger: Für die selbst erklärte Linksradikale und militante Feministin war das Maß in der Partei voll, nachdem sie öffentlich über 'Widerstand mit Waffen' gegen die AfD schwadroniert hatte. Nietzards wiederholte Hasstiraden gegen Männer hatten die Grünen noch geschluckt. Die grüne Jugendchefin will nicht mehr antreten. Aber nicht, weil sie ihre Fehler eingesehen hätte. Und viele, die denken wie sie, bleiben und prägen weiter den grünen Gender-Diskurs. Übrigens: Eine linksradikale Partei gibt es schon in unseren Parlamenten. Sie heißt 'Die Linke'", betont der MÜNCHNER MERKUR. Und damit so viel zu diesem Thema.
Der KÖLNER STADT-ANZEIGER geht auf die Haushaltsprobleme der Bundesregierung ein: "Schritt eins wäre eine Reform der Schuldenbremse. Dafür muss die Union über ihren Unvereinbarkeitsbeschluss mit der Linken hinwegsehen und mit ihr reden, um die Zweidrittelmehrheit für die Grundgesetzänderung zu organisieren. Die Reform sollte moderat ausfallen, nicht mehr Geld für Sozialausgaben ermöglichen, sondern mehr Geld für Investitionen. Bei allem Erschrecken über die hohen Schulden lohnt der internationale Vergleich. Derzeit hat Deutschland eine Schuldenquote von rund 64 Prozent des Bruttoinlandsprodukts und ist damit der Klassenprimus unter den Industrienationen", hält der KÖLNER STADT-ANZEIGER fest.
Die WIRTSCHAFTSWOCHE gibt in Sachen Schuldenbremse dagegen zu bedenken: "Eine funktionsfähige Rest-Bremse wäre uns allen zu wünschen. Auch aus übergeordneten gesamtpolitischen Gründen: Jeder Verlust an Finanzstabilität stärkt die AfD. Deren Aufstieg hing in den Anfangsjahren fast monothematisch mit dem Euro zusammen, genauer: der Angst der Deutschen vor einer schwachen Währung, vor Inflation und Vermögensverlusten. Diese Angst sollten die anderen Parteien, allen voran CDU, CSU und SPD, nicht befeuern. Daher: Hände weg von der Schuldenbremse! Und sorgt endlich für einen ordentlich durchfinanzierten Staatshaushalt!", fordert die WIRTSCHAFTSWOCHE.
Die RHEIN-ZEITUNG aus Koblenz dagegen notiert: "Um für 2027 überhaupt noch einen stimmigen Haushalt aufstellen zu können, wird an einer Konsolidierung mit weitreichenden Reformen in allen Bereichen kein Weg vorbeigehen, denn es ist schlicht kein Geld mehr da. Auch dem Finanzminister ist klar: Ohne grundlegende Reformen wird es nicht gehen. Für den SPD-Chef Klingbeil werden das keine leichten Jahre an der Spitze des Finanzministeriums. Sondern Jahre, die der SPD und dem Land wieder eine Agenda-Diskussion um Sozialreformen bringen könnten", hebt die RHEIN-ZEITUNG hervor.
Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG beobachtet: "Klingbeil und Kanzler Merz haben sich einen enormen finanziellen Spielraum gegeben. Das ist eine starke Leistung für zwei, die neu im Regierungsgeschäft sind. Aber das bedeutet auch: Die beiden spielen mit hohem Einsatz. Und sollten sie 2027 nicht damit beginnen, Geld zu sparen und Deutschland zu reformieren – dann werden sie mit ihrer Wette scheitern", befürchtet die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG.
Bundeskanzler Merz hat eine Luftbrücke für Gaza mit deutscher Beteiligung angekündigt. Die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG hat dazu folgende Ansicht: "Eine Luftbrücke zur Versorgung Gazas gab es im vergangenen Jahr schon einmal, und Deutschland beteiligte sich auch damals an ihr. Trotzdem ist sie wieder nur die drittbeste Lösung. Sie ist besser als gar keine Versorgung, aber schlechter als der effektivere und für die Bevölkerung ungefährlichere Transport über Land. Und am besten wäre eine Waffenruhe, deshalb sollten alle diplomatischen Bemühungen Deutschlands und der EU auf dieses Ziel ausgerichtet werden. Da ist noch Luft nach oben, Europa hat diese Angelegenheit viel zu lange den Amerikanern überlassen", moniert die F.A.Z.
Die LAUSITZER RUNDSCHAU aus Cottbus kritisiert: "Dass die Luftbrücke nur 'eine ganz kleine Hilfe' sein kann, hat Merz selbst eingeräumt. Und so drängt sich der Gedanke auf, dass diese Maßnahme vor allem zweierlei ist: Ausdruck der eigenen Hilflosigkeit und eine Art öffentliche Ermahnung an die Adresse Israels", vermutet die LAUSITZER RUNDSCHAU.
"Rosinenbomber für Gaza" überschreibt die Zeitung ND DER TAG ihren Kommentar und fährt fort: "Mit einer 'Luftbrücke' begibt sich Bundeskanzler Merz auf Rettungsmission: 'Wir sind da, wir sind in der Region, wir helfen', klopfte er sich selbst auf die Schulter. Sanktionen gegen den Verursacher der Hungerkatastrophe kommen der Bundesregierung dagegen nicht mal als Andeutung über die Lippen. Stattdessen heilt man das israelische Kriegsverbrechen der Blockade mit dem Abwurf von Brot und Butter. Einfach um sich besser zu fühlen, zumindest etwas getan zu haben. In Berlin nimmt man sich Zeit, dosiert die Maßnahmen, bringt über 'Gesprächskanäle' Israel seine Besorgnis zum Ausdruck, während die Menschen im Gazastreifen langsam, aber sicher verhungern", kritisiert die Zeitung ND DER TAG, mit der diese Presseschau endet.