
"Für Merz war der Auftritt eine Flucht nach vorn", schreibt die RHEINISCHE POST aus Düsseldorf: "Der CDU-Chef war in den vergangenen Tagen in der eigenen Partei, in der Schwesterpartei CSU und auch in der Öffentlichkeit immer stärker unter Druck geraten. Nun macht er deutlich: Es sei keine einsame Entscheidung gewesen, sondern diese sei bei ihm nach vielen Gesprächen im deutschen Sicherheitskabinett, mit Experten, aber auch nach Unterredungen mit dem israelischen Regierungschef Netanjahu gereift. Fernseh-Interviews des Kanzlers sind durchaus selten – zumal in der politischen Sommerpause. Es war aber der richtige Schritt. Vor allem hat der Kanzler in einem Punkt Recht. Es ist am Ende seine alleinige Entscheidung - diese muss er nicht zur Abstimmung stellen", betont die RHEINISCHE POST.
Die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG kommentiert: "Mit seiner offenbar ziemlich einsamen Entscheidung überrumpelte der Kanzler alle im eigenen Lager, die weiterhin an einer bedingungslosen Unterstützung festhalten wollen. Doch wie weit würde Deutschland einen Weg mitgehen, wenn es ihn für falsch und fatal hält, aus realpolitischen, rechtlichen, humanitären oder moralischen Gründen? Dieser Frage ist die deutsche Politik bei allen Schwüren auf die 'Staatsräson' ausgewichen, deren konkrete Imperative bislang nie ausbuchstabiert wurden. Merz hat die Frage am Freitag für sich und die Bundesregierung beantwortet, aber nur dürftig erklärt. Der Vorwurf, er habe einer Täter-Opfer-Umkehr das Wort geredet, ist Unsinn. Berechtigt aber ist der Einwand, dass die Entscheidung für den Lieferstopp den Einfluss Deutschlands auf die israelische Politik nicht vergrößern wird", räumt die FAZ ein.
Für die MÄRKISCHE ODERZEITUNG aus Frankfurt (Oder) ist Merz' Neupositionierung bezüglich der Waffenlieferungen an Israel... "...unbestreitbar ein Schritt von historischer Dimension."
DIE RHEINPFALZ aus Ludwigshafen konstatiert: "Vielleicht war Friedrich Merz ein bisschen zu lange raus aus der politischen Arena. Merz ist nicht CEO der CDU Deutschland. Er ist deren Parteivorsitzender. Die Zeiten, in denen sich die Union mit der Rolle des Kanzlerwahlvereins zufriedengab, sind vorbei. Spätestens seit dem Debakel um Frauke Brosius-Gersdorf, deren mit der SPD vereinbarte Wahl zur Verfassungsrichterin an der Unions-Fraktion scheiterte, sollte Merz wissen, dass er seine Leute intensiv einbinden, wichtige Entscheidungen gut vorbereiten muss. Bei seinem Alleingang, keine Offensivwaffen mehr an Israel zu liefern, hat er das wieder nicht getan – und kassiert nun die Quittung."
Der MÜNCHNER MERKUR zieht eine 100-Tage-Bilanz von Merz' Kanzlerschaft: "Der fulminante Krach um die Israel-Politik ist bitter für ihn. Jenseits der Madigmacherei und auch berechtigter Kritik an verzögerten Sozialreformen: Der Außenkanzler Merz hatte, nun ja, 99 lichte Tage. Es war ein Schnellstart. Er reparierte die Achse nach Paris, die Kanzler Scholz zu wenig bedeutete. Er eilte im Rekordtempo nach Warschau und London. Die gemeinsame Reise von Merz, Macron, Starmer und Tusk nach Kiew war symbolisch wuchtig. Merz hat das dann vollendet mit einem disziplinierten, klug vorbereiteten Antrittsbesuch im Oval Office. Er ist weit weg davon, Darling der Deutschen zu sein. Aber er ist bisher ein Kanzler, der Deutschland würdig im Ausland vertritt", meint der MÜNCHNER MERKUR.
"Zunächst ein Lob: Auch mit 69 Jahren sind Politiker lernfähig. Wer von Friedrich Merz reihenweise unbedachte Äußerungen erwartet hatte, wurde eines Besseren belehrt", werfen die NÜRNBERGER NACHRICHTEN ein. "Zwiespältiger fällt die 100-Tage-Bilanz von Schwarz-Rot aber innenpolitisch aus. Jeglicher Anfangszauber ist verflogen. Die Wirren der Kanzlerwahl waren rasch verarbeitet und die zweifelhaften Sondervermögen weggeatmet, als das unwürdige Schauspiel um den Rückzug von Frauke Brosius-Gersdorf von der Kandidatur für das Bundesverfassungsgericht seinen Lauf nahm. Dieser Machtkampf wird nachhallen."
Die RHEIN-NECKAR-ZEITUNG aus Heidelberg ist vom Kanzler enttäuscht: "Seit dem 6. Mai scheint Merz den Schwung verloren zu haben. Sämtliche Wahlversprechen – Schuldenbremse, steter Beistand zu Israel, Verlässlichkeit – hat er abgeräumt. Und dass von seiner Außenpolitik vor allem in Erinnerung bleibt, wie er Israel beim völkerrechtswidrigen Angriff auf den Iran bescheinigte, das Land erledige 'für uns die Drecksarbeit' – das war alles andere als eine Glanzleistung", so das Urteil der RHEIN-NECKAR-ZEITUNG.
NATO-Generalsekretär Rutte hat mit seiner Einschätzung, dass sich die Ukraine bei künftigen Friedensverhandlungen mit dem Aggressor Russland auf Gebietsverluste einstellen müsse, für Diskussionen gesorgt. Die SÜDWEST PRESSE aus Ulm pflichtet Rutte bei: "Er hat einen realistischen Blick auf die Situation. Wenn es zu einem Waffenstillstand und Friedensverhandlungen zwischen der Ukraine und Russland kommen wird, muss auch über die Zukunft der von Russland besetzten Gebiete entschieden werden. Völkerrechtlich ist die Sache glasklar: Russland hat kein Anrecht auf die eroberten Regionen. Doch Völkerrecht hin und Völkerrecht her, in der Realität fällt es der Ukraine und ihren Verbündeten immer schwerer, den weiteren Vormarsch der russischen Truppen aufzuhalten. Das Völkerrecht bleibt außen vor, weil es niemanden gibt, der Verstöße ahndet", erläutert die SÜDWEST PRESSE.
Kein Verständnis für Rutte bringt der Konstanzer SÜDKURIER auf: "In der Diplomatie ist nicht nur der Inhalt, sondern auch der Zeitpunkt einer Äußerung wichtig. Das hat der NATO-Generalsekretär wohl nicht bedacht. Während Europa darum ringt, dass seine Ablehnungsfront gegenüber den Territorialansprüchen von Kremlchef Putin bei dessen baldigem Treffen mit US-Präsident Trump in Alaska berücksichtigt wird, gibt Rutte ohne Not Gelände preis. Wenn man die russische Kontrolle über eroberte ukrainische Gebiete faktisch anerkennt, ist das die Vorstufe auch einer völkerrechtlichen Billigung. Einen größeren Gefallen kann man Putin also nicht tun", klagt der SÜDKURIER.
Bundeswirtschaftsministerin Reiche will die Förderung privater Photovoltaikanlagen streichen. Dies ist Thema im REUTLINGER GENERAL-ANZEIGER: "Grundsätzlich muss der Staat nichts subventionieren, was sich ohne entsprechende Finanzhilfen rechnet. Dazu, ob sich Balkonkraftwerke auch ohne staatliche Subventionen rechnen, gibt es unterschiedliche Ansichten. Es ist wohl vor allem eine Frage, innerhalb welcher Zeit sich die Investition amortisiert. Eine Ministerin sollte allerdings nicht den Anschein erwecken, dass sie möglicherweise die Interessen ihrer bisherigen Arbeitgeber vertritt. Sie war nämlich bis vor einigen Monaten Vorsitzende einer Tochterfirma des Energiekonzerns EON, dem - so könnte es der Außenstehende vermuten - die Konkurrenz durch kleine Balkonkraftwerke wohl eher ein Dorn im Auge war", fügt der REUTLINGER GENERAL-ANZEIGER an.
Die MITTELDEUTSCHE ZEITUNG aus Halle befürwortet Reiches Initiative und nimmt die CDU-Politikerin in Schutz: "Reflexartig ruft der stellvertretende Grünen-Chef Sven Giegold zum 'geballten Widerstand gegen die Kürzungspläne' auf. Er fürchtet, dass die Energiewende ausgebremst wird. Doch das Gegenteil ist der Fall. Je eher die Erneuerbaren Energien vom Staatstropf wegkommen, umso besser ist es für die Branche und das Klima. Es gibt in Deutschland bereits zahlreiche Start-ups und Energieversorger, die mit dem Kauf und dem Verkauf von Sonnenstrom für ihre Kunden ein erfolgreiches Geschäft aufgebaut haben - ohne Subventionen. Sind große und kleine Solaranlagen in Kombination mit Speichern wirtschaftlich erfolgreich, dann braucht es keine neuen Gas- oder gar Atomkraftwerke." Mit dieser Stimme der MITTELDEUTSCHEN ZEITUNG endet die Presseschau.