
Dazu schreibt die FREIE PRESSE: "100 Tage nach Regierungsbeginn ist Schwarz-Rot nicht so zerrüttet, wie es die chronisch zerstrittene Ampel am Ende war. Doch es fehlt an Vertrauen. Die dramatische Krise um die Verfassungsrichterwahl hat belegt, dass es gerade in der Union am geübten politischen Handwerk mangelt. Bundeskanzler Merz selbst fehlt es schon an Einfühlungsvermögen, wie die eigene Fraktion tickt. Auch seine Lernkurve muss jetzt steil sein. Und wie ist die erste inhaltliche Bilanz? Der Kanzler hat Deutschland in der Außen- und Verteidigungspolitik zurück in eine Führungsrolle gebracht. Es gibt Verschärfungen in der Flüchtlingspolitik – mit rechtlichen Unsicherheiten. Die Reform des Bürgergeldes wird am Ende kommen, aber nicht zu so großen Einsparungen führen, wie Merz und andere versprochen haben. Regieren ist schwieriger als Opposition", bemerkt die FREIE PRESSE aus Chemnitz.
Die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG notiert: "Unterschätzt wird, wie sehr sich der Charakter einer Koalition aus CDU/CSU und SPD verändert hat. Repräsentierte sie zu Beginn des Jahrhunderts unter Merkel noch ein Spektrum, das zu Recht als großes Abbild einer breiten Mehrheit bezeichnet werden durfte, ist sie zu einem Defensivbündnis der Mitte geworden. In beiden Teilen, in der Union und in der SPD, sind die Nerven ständig angespannt. In der Union, weil rechts von ihr eine starke Opposition steht, die große Schnittmengen zu CDU und CSU ins Schaufenster stellt, um deren Glaubwürdigkeit zu untergraben. In der SPD, weil sich deren Funktionäre in rot-rot-grüner Profilierungssucht dagegen aufbäumen, dass das linke Lager mehr und mehr an Einfluss verliert", beobachtet die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG.
Das DARMSTÄDTER ECHO kommt zu folgendem Urteil: "In kurzer Zeit machte Kanzler Merz seinen übervorsichtigen Vorgänger Scholz vergessen. Deutschland führt keine quälenden Taurus-Debatten mehr und spielt international wieder vorne mit. Auch ist es dem Kanzler gelungen, eine Arbeitsbeziehung zu US-Präsident Trump aufzubauen – keine kleine Leistung. Die Ankündigung, die Waffenlieferungen nach Israel einzuschränken, war ein notwendiges Signal an die Regierung Netanjahu. Diese Entscheidung lenkt jedoch den Blick auf eine Schwäche des Kanzlers. Merz hat das Gefühl dafür verloren, wie seine politische Familie tickt. In dieser Kommunikationsstörung lauern Gefahren für die Koalition, die zum Erfolg verdammt ist", gibt das DARMSTÄDTER ECHO zu bedenken.
Im MÜNCHNER MERKUR ist zu lesen: "Die Probleme, vor denen die Koalition steht, sind so groß wie die Hoffnungen, die auf ihr ruhen. Doch die Gefahr, in alte Muster zurückzufallen, ist schon jetzt erkennbar. Die SPD-Sozialministerin schreibt die Verantwortung für die Umsetzung einer Rentenreform sicherheitshalber schon mal den Nachfolgern zu, die Union hat ihre eigene Fraktion nur bedingt im Griff und gestritten wird auch schon wieder nahe am Ampel-Niveau. Fazit: Diese Schuldenkoalition muss weit mehr liefern."
Die Zeitung DIE GLOCKE hält fest: "Die schwarz-rote Koalition regiert seit 100 Tagen. Die wirtschaftspolitische Bilanz fällt ernüchternd aus. Bundeskanzler Merz hatte sich selbst bei Amtsantritt das Ziel gesetzt, die Stimmung in Deutschland bis zum Sommer zu verbessern. Gelungen ist ihm das leider nicht. Das zarte Stimmungshoch unmittelbar nach seinem Regierungsantritt ist verpufft. Schwarz-Rot hat bislang nicht geliefert. Die Erwartungen waren angesichts eines Schuldenpakets von historischer Größe enorm. Nach drei Jahren Rezession und Stagnation ist die Zeit für echte Strukturreformen reif. Notwendig wären Steuersenkungen gerade für Unternehmen. Stattdessen werden Wahlgeschenke verteilt – etwa bei der Mütterrente oder den Vergünstigungen beim Agrardiesel und für Gastwirte", bemängelt DIE GLOCKE aus Oelde.
Die SÜDWEST PRESSE sieht es so: "Nachdem die Schonzeit für Schwarz-Rot aufgrund der politischen Umstände im Aus- und Inland bereits seit einiger Zeit de facto vorbei ist, lässt sich jetzt auch offiziell feststellen: Es reicht noch nicht. Schlimmer eigentlich; nach einem ziemlich beeindruckenden Auftakt im Frühsommer knirscht und knackt es derzeit gewaltig im Koalitionsgebälk. Was zumindest vordergründig an Fehlern ausgerechnet auf den Feldern liegt, auf denen Merz eigentlich eine Art Naturbegabung auszuspielen versprochen hatte: Kommunikation und Führung. Das Gute daran: Diese Schwächen lassen sich in den Griff bekommen", meint die SÜDWEST PRESSE aus Ulm.
Die RHEIN-ZEITUNG merkt an: "Die SPD war in der unbeliebtesten Regierung, der Ampel, in der Hauptverantwortung. Die jetzigen SPD-Vorsitzenden und ihr Fraktionschef müssen nun beweisen, dass sie es besser können. Es ist erstaunlich, wie schnell die Partei das Missmanagement der Ampel und den dadurch mitverursachten Aufstieg der AfD vergessen hat. Und auch bei der Union wundert man sich. Hatte man doch aufgrund von internen Scharmützeln die Wahl 2021 verloren. Warum dann nach wie vor – jüngst beim Thema Waffenlieferungen an Israel – die interne Kommunikation versagt, bleibt ein Rätsel. Merz ist Kanzler. Wer Führung bestellt, bekommt sie auch. Bei Vorgänger Scholz hat das nicht funktioniert. Es wäre dem Land zu gönnen, dass Merz dabei erfolgreicher ist. Er braucht aber einen zweiten Anlauf." So weit die RHEIN-ZEITUNG aus Koblenz.
US-Präsident Trump schickt die Nationalgarde nach Washington. Die soll seinen Angaben zufolge die dortige Kriminalität bekämpfen. Die FRANKFURTER RUNDSCHAU erläutert: "Wenn US-Präsident Donald Trump das Militär in Washington einsetzt, geht es ihm nicht um die Menschen in der amerikanischen Hauptstadt. Denn in der Ostküsten-Metropole herrscht nicht die Kriminalität, wie Trump behauptet und dabei die Realität ignoriert. Er zeichnet vielmehr ein dystopisches Bild von Washington, weil er mal wieder politische Grenzen verschieben will. Und es ist nicht zu pessimistisch, wenn man davon spricht, dass Trump nach einem Handbuch eines Diktators vorgeht. Er schürt Ängste, die er dann als starker Mann beseitigen will. Oder eine Nummer kleiner: Trump hat sich angeschaut, wie Putin in Russland und Orban in Ungarn gegen demokratische Überzeugungen und Institutionen vorgegangen ist", ist die FRANKFURTER RUNDSCHAU überzeugt.
Die BADISCHE ZEITUNG wirft ein: "Wahr ist: Washington hat seit langem ein Problem mit Kriminalität und von Drogensucht begleiteter Obdachlosigkeit. Die Mordrate ist dreimal so hoch wie in Frankfurt am Main. Auch hat seit der Corona-Pandemie die Präsenz von Menschen ohne Wohnsitz in Parks und unter Brücken zugenommen. Doch die Statistik zeigt einen positiven Trend: Erst im Januar hat das Justizministerium den Rückgang der Gewalttaten in Washington auf ein 30-Jahres-Tief gemeldet. Solche Fakten interessieren Trump ebenso wenig wie eine Lösung der Probleme", stellt die BADISCHE ZEITUNG aus Freiburg klar.
Die TAGESZEITUNG - TAZ - analysiert: "Donald Trump hat sich das nächste Schlachtfeld für seinen Kampf um die absolute Macht ausgesucht. Entgegen jeder Datengrundlage behauptet der US-Präsident, die Hauptstadt Washington sei fest in der Hand von Verbrechern und es benötige den Einsatz der Nationalgarde und die Entmachtung der lokalen Polizei durch den Bund, um die Stadt zu 'befreien', von Kriminellen, Obdachlosen und 'Abschaum'. Natürlich ist es wahr, dass alle größeren Städte der USA ein Problem mit Kriminalität haben. Kurzfristig ließe sich vermuten, Trump wolle einfach die nächste Nebelkerze zünden, um von dem nicht enden wollenden Rumoren über die Causa Jeffrey Epstein und seine Verwicklung abzulenken. Aber das ist zu kurz gedacht. Es geht um den Einsatz staatlicher Gewalt gegen politische Gegner. US-Großstädte sind liberaler als der ländliche Raum, sie sind fast alle von Demokraten regiert, und sie sind potenzielle Widerstandsnester gegen Trumps faschistisch-autoritären Staatsumbau." Das war zum Ende der Presseschau die TAZ.