23. August 2025
Die Presseschau aus deutschen Zeitungen

Die deutsche Wirtschaft ist im Frühjahr stärker geschrumpft als zunächst erwartet. Kommentiert wird auch der Vorschlag zu einem verpflichtenden sozialen Jahr für Rentner. Doch zunächst geht es um die weltweit anerkannte IPC-Initiative für Ernährungssicherheit, die für Teile des Gazastreifens eine Hungersnot erklärt hat.

Einige Palästinenser erhalten warmes Essen von Hilfsorganisationen.
Die weltweit als Autorität für Ernährungssicherheit anerkannte IPC-Initiative hat u.a. für die Stadt Gaza eine Hungersnot erklärt - das ist ein Thema in den Kommentaren (Archivbild). (picture alliance / Anadolu / Mahmoud İssa)
Die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG erläutert: "Es ist ein bitterlich bekannter Ablauf nach bald zwei Jahren Krieg im Gazastreifen: Eine UNO-Organisation erhebt schwere Vorwürfe gegen Israel, es folgen ein internationaler Aufschrei und dann das rhetorische Gegenfeuer aus Jerusalem. Von dort heißt es stets, die internationale Gemeinschaft stehe einseitig gegen Israel, sie agiere auf falscher Faktenbasis und mache sich zum willfährigen Werkzeug der Hamas-Terroristen. In der Tat ist es kaum zu leugnen, dass es extrem schwierig ist, aus dem Trümmerfeld Gaza verlässliche Informationen zu bekommen. Die Not und das Leid im Gazastreifen sind real - egal welchen Maßstab man bei der Berechnung von Hungersnöten anlegt. Israel hätte es in der Hand, mehr Hilfe zu ermöglichen. Eine Rechtfertigung, es nicht zu tun, gibt es nicht", urteilt die F.A.Z.
Die RHEIN-NECKAR-ZEITUNG aus Heidelberg verweist auf den UNO-Generalsekretär: "António Guterres hat ohne Zweifel ein sehr kritisches – man kann auch sagen einseitiges – Verhältnis zu Israel. Als die Hamas jüdische Zivilisten massakrierte, sagte Guterres, dieses Verbrechen habe eine Vorgeschichte. Natürlich stimmt das. Aber zum einen haben alle Ereignisse Vorgeschichten, zum anderen rechtfertigt auch die schlimmste Vorgeschichte solche Gräuel nicht, wie sie Israel am 7. Oktober 2023 über sich ergehen lassen musste. Und genau so verhält es sich auch mit der humanitären Katastrophe in Gaza. Sie ist nicht zu rechtfertigen, sie ist ein Menschheitsverbrechen. Dass Guterres die damit einhergehende Hungersnot anprangert, dass er Israel für die Zustände in Haftung nimmt, ergibt sich nicht nur aus den UNO-Menschenrechtskonventionen. Denn jeder Mensch kann ohne jegliche Vorbildung erkennen, was hier geschieht. Das Sterben in Gaza muss aufhören", verlangt die RHEIN-NECKAR-ZEITUNG.
Das STRAUBINGER TAGBLATT fragt mit Blick aus Israels Premier: "Und Netanjahu? Trotz einer positiven Reaktion seitens der Hamas auf neue Vorschläge für eine Waffenruhe im Gazastreifen, will er die Militäroffensive in dem Küstenstreifen weiter fortsetzen. Damit provoziert er Widerstand, Hass und neuen Fanatismus. Der Einzige, der Netanjahu zurückpfeifen könnte, ist Donald Trump. Doch der US-Präsident träumt offenbar weiter von einer nahöstlichen Riviera in Gaza und steht fest an der Seite Israels. Es fehlt also das Entscheidende: massiver Druck auf Netanjahu", mahnt das STRAUBINGER TAGBLATT.
Themenwechsel. Die deutsche Wirtschaft ist im Frühjahr stärker geschrumpft als prognostiziert. Die SÜDWEST PRESSE aus Ulm konstatiert: "Jetzt hängt Deutschland seit drei Jahren in einer Rezession fest – im zweiten Quartal ein Minus von 0,3 Prozent – und durch das Land geht noch nicht einmal ein Rückchen. Drängende strukturelle Probleme werden von Schwarz-Rot in Kommissionen und damit auf die lange Bank geschoben. Natürlich spielen bei der kurzfristigen Entwicklung die US-Zölle eine Rolle. Aber das sollte nicht davon ablenken, dass die Probleme politisch hausgemacht sind", betont die SÜDWEST PRESSE.
"Gerade die Industrieproduktion hat sich nicht so entwickelt wie erhofft", schreibt die FREIE PRESSE aus Chemnitz: "Das hat viele Gründe. Aber einer davon ist die Unsicherheit, die aus Trumps erratischer Zollpolitik entstanden ist. Der US-Präsident gefährdet damit die Aussichten der deutschen Wirtschaft. Und – mit Blick auf die große Zahl unzufriedener Wähler, die ohnehin den Rechtspopulisten der in Teilen rechtsextremistischen AfD zuneigen – auch die deutsche Demokratie."
Die KIELER NACHRICHTEN wenden ein: "Die Strukturprobleme sind hinlänglich bekannt, und nichts davon lässt sich von heute auf morgen ändern. Aber alles beginnt mit Entscheidungen – und die werden nicht getroffen. Die Unsicherheit in Unternehmen und Privathaushalten ist unvermindert groß, und es ist viel zu billig, das allein auf Weltpolitik und einen wirren US-Präsidenten zu schieben. Den größten Beitrag zur Unsicherheit leistet gerade die Bundesregierung, der Finanzminister vorneweg. Den Bürgerinnen und Bürgern wäre relativ leicht zu erklären, dass trotz der Sondertöpfe für Infrastruktur und Rüstung im regulären Haushalt gespart werden muss. Im Kabinett war der Unterschied aber offenbar nicht zu vermitteln, und so schmiedete man Pläne jenseits aller Finanzierbarkeit", kritisieren die KIELER NACHRICHTEN.
Das HANDELSBLATT gibt zu bedenken: "Geld allein reicht nicht. Milliardenprogramme können Stimmungen heben, aber sie verändern keine Strukturen. Ohne strukturelle Reformen entsteht kein nachhaltiges Wachstum. Der Neustart in Deutschland benötigt schon etwas mehr Mut. Solange die Koalition aber lieber über die Idee von Steuererhöhungen für Wohlhabende streitet, statt über den Vorstoß der eigenen Wirtschaftsministerin für einen späteren Renteneintritt, kann dieser Neustart nicht gelingen. Die unangenehmen Wahrheiten müssen endlich auf die Alltagsagenda von Schwarz-Rot. Eine davon lautet: Ohne harten Verzicht wird es nicht gehen." Das war das HANDELSBLATT.
Die Zeitungen der MEDIENGRUPPE BAYERN gehen auf den Präsidenten des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung ein: "Fratzscher regt ein 'verpflichtendes soziales Jahr für alle Rentnerinnen und Rentner' an. Die ältere Generation müsse sich stärker einbringen. Etwa mit ihren technischen Fähigkeiten bei der Bundeswehr. 'Warum sollten wir die nicht nutzen, gerade von Leuten, die früher bei der Bundeswehr ausgebildet wurden?', fragt er. Da fehlen einem fast die Worte. Nicht nur, weil Fratzscher eine Generation verpflichten will, deren männlicher Teil ja das Pflichtjahr, ja sogar die Pflichtjahre im Rahmen von Wehr- und Zivildienst noch absolviert hat. Das ist auch noch mindestens bei jenen der Fall, die in den nächsten 25 Jahren in Rente gehen. Unerhört ist Fratzschers Blick auf die Bundeswehr. Nimmt er wirklich an, dass die technischen Kenntnisse eines Wehrdienstleistenden von 1980 noch immer gefragt sind? Ja, wirklich helfen können?", fragt die MEDIENGRUPPE BAYERN.
Die VOLKSSTIMME aus Magdeburg findet: "Das Institut für Wirtschaftsforschung zeigt sich besonders eifrig. Erst im Juli hatte sich dessen Chef Marcel Fratzscher mit dem 'Boomer-Soli' gemeldet, der durch Umverteilung im Lager der Senioren Rentenerhöhungen vermeiden soll. Ein Sturm der Entrüstung wedelte diese Idee vom Tisch. Die neueste ist eine Nummer schärfer: Die deutschen Rentner sollen direkt vorm Ruhestand ein Jahr verpflichtend dem Staat dienen, vorzugsweise im Verteidigungsbereich. Vor 80 Jahren wurde in Deutschlands schwärzesten Tagen der so genannte Volkssturm der Alten und der ganz Jungen als letztes Aufgebot der Naziführung zum Kanonenfutter gemacht. Schon vor diesem Hintergrund verbietet sich das Pflichtjahr. Es ist ohnehin nur eine verkappte Verlängerung der Lebensarbeitszeit", kommentiert die VOLKSSTIMME.
Die STUTTGARTER ZEITUNG rät dazu "Vorschläge auszudifferenzieren und nicht mit dem Holzhammer auf den anderen zu schlagen. Schließlich sind Rentner keine einheitliche Bevölkerungsgruppe. Die einen strotzen vor Tatendrang, die anderen sind ausgebrannt und am Ende ihrer Kräfte. Die einen wollen sich gerne engagieren, die anderen genießen ihre Ruhe. Und wieder andere leiden an Einsamkeit. Ein soziales Jahr kann für die einen ein Segen sein, für die anderen eine Zumutung. Dem sollte man individuell begegnen. Das geht durch eine Verpflichtung zum Sozialdienst, die zahlreiche Ausnahmen gewährt – oder durch Angebote für all diejenigen, die Lust darauf haben. Letzteres ist der bessere Weg", argumentiert die STUTTGARTER ZEITUNG, mit der diese Presseschau endet.