26. August 2025
Die Presseschau aus deutschen Zeitungen

Themen sind der Abschied des früheren Bundeswirtschaftsministers Habeck aus dem Bundestag sowie die Debatte über eine Wehrpflicht. Zunächst aber geht es zehn Jahre danach um das Zitat "Wir schaffen das" der früheren Bundeskanzlerin Merkel.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) lässt sich nach dem Besuch einer Erstaufnahmeeinrichtung für Asylbewerber der Arbeiterwohlfahrt (AWO) in Berlin-Spandau für ein Selfie zusammen mit einem Flüchtling fotografieren.
"Wir schaffen das" - das Zitat von Bundeskanzlerin Merkel ist zehn Jahre später Thema in den KOmmentarspalten. (picture alliance / dpa / Bernd von Jutrczenka)
Die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG meint: "Die ehemalige Kanzlerin, die weiterhin dabei bleibt, damals alles richtig gemacht zu haben, kommt zu dem Schluss: 'Bis jetzt haben wir viel geschafft.' Falsch ist das nicht. Doch ist auch unverkennbar, wo die Masseneinwanderung den deutschen Staat überforderte - überall dort, wo er schon vorher Schwächen hatte und bis heute hat. Von den Misserfolgen profitiert vor allem die AfD. Die AfD müsste der früheren Kanzlerin eigentlich dankbar dafür sein, ihr das Thema verschafft zu haben, das der Partei zu ihrem kometenhaften Aufstieg verhalf. Hier könnte Merkel bei aller Bescheidenheit auf das 'wir' verzichten und sagen: Ich habe das geschafft", bemerkt die F.A.Z.
Der MÜNCHNER MERKUR kritisiert: "Zehn Jahre nach ihrem gescheiterten Wir-schaffen-das-Experiment ist die Physikerin Angela Merkel nicht klüger geworden. Ihr Land sieht sie nicht überfordert. Angesichts der Rechthaberei, mit der Merkel auch andere Fehlentscheidungen ihrer 16-jährigen Amtszeit verteidigt, vom Putin-Appeasement bis zum Atomausstieg, kann diese Chuzpe niemanden überraschen. Aber für Millionen Bundesbürger, die sich täglich mit den Folgen ihrer Politik herumschlagen müssen, etwa mit steigender Kriminalität und dem Vormarsch der Rechtsradikalen, ist ihre Selbstgerechtigkeit ein Schlag ins Gesicht", moniert der MÜNCHNER MERKUR.
Bei keinem anderen Thema werde der Unterschied zwischen Merz und Merkel so deutlich, stellt die RHEIN-NECKAR-ZEITUNG aus Heidelberg fest und schreibt: "Merkel war für Einwanderung und begriff die Flüchtlingskrise 2015/16 auch als Chance. Merz fordert heute einen 'migrationskritischen' Kurs von seinem Koalitionspartner, der SPD. Dass ohne Einwanderer unser Wirtschaftssystem zusammenbrechen würde. Dass die Erwerbsquote unter den Flüchtlingen von vor zehn Jahren fast so hoch ist wie im Rest der Gesellschaft: dazu kein Wort. Einwanderung als notwendig zu erachten, ist keine Romantisierung fremder Kulturen, sondern Ausdruck von Realitätssinn. Dank Merkel ist viel geschafft worden. Merz muss noch liefern", folgert die RHEIN-NECKAR-ZEITUNG.
Die KÖLNISCHE RUNDSCHAU betont: "Merkel hatte sich 2015 keineswegs mit drei Wörtern begnügt, sondern sie hatte die Flüchtlingskrise in eine Reihe historischer Herausforderungen wie der Wiedervereinigung gestellt. 'Wir schaffen das, und dort, wo uns etwas im Wege steht, muss es überwunden werden, muss daran gearbeitet werden', hatte Merkel gesagt. Und in der Situation, in der sie das tat, hatte sie kaum andere Optionen. Was wäre denn passiert, wenn Merkel und der österreichische Kanzler Werner Faymann wenige Tage später, am 4. September 2015, eine Schließung der Grenzen verabredet hätten? Wären Flüchtlinge mit Gewalt aufgehalten worden? Welche humanitäre Katastrophe hätte im Winter bevorgestanden? Zehn Jahre später haben wir viel geschafft, auch wenn – das hatte Merkel nicht verschwiegen – manches im Wege steht", erklärt die KÖLNISCHE RUNDSCHAU.
Die RHEIN-ZEITUNG aus Koblenz bilanziert: "Im Rückblick muss man einräumen: Wir haben es nicht geschafft. Immer, wenn Regierungshandeln trotz wachsender Kritik als alternativlos dargestellt wird, ist irgendwann die Wut stärker als die Angst. Und dann ist der Schritt zur AfD nicht mehr so groß. So gibt es zwei wichtige Lehren aus jener Zeit: Die Bevölkerung sollte vor derart großen Entscheidungen rechtzeitig beteiligt und mit den Folgen nicht alleingelassen werden." Soweit die RHEIN-ZEITUNG und soviel zu diesem Thema.
Über die Debatte um eine Rückkehr zur Wehrpflicht in Deutschland geht es in der LUDWIGSBURGER KREISZEITUNG: "Wer Menschen verpflichten will, für Monate ihr Leben umzustellen, berufliche und private Pläne zurückzustellen und notfalls sogar ihr Leben in Gefahr zu bringen, greift tief in Freiheitsrechte ein. Regierung und Parlament schulden besonders jenen, die davon betroffen wären, eine sorgfältige Abwägung: Ein neuer Wehrdienst verlangt rechtliche Präzision und gesellschaftlichen Rückhalt. Bevor es dazu kommt, müssen alle anderen Möglichkeiten, die Bundeswehr besser aufzustellen, ausgeschöpft sein", verlangt die LUDWIGSBURGER KREISZEITUNG.
Der TAGESSPIEGEL sieht die Zeit für eine Rückkehr zur Wehrpflicht gekommen: "Alle reden über Munition und die Anschaffung von Waffen – es wird Zeit für Entscheidungen. Richtungweisende. Vor allem auch darüber, wer die Waffen im Ernstfall bedienen soll. Widerstandsfähige, leistungsfähige, durchhaltefähige Streitkräfte – sie sind Ziel und Zweck der gesamten Operation inklusive Sondervermögen. Denn eine solche Armee ist unabdingbar zur Abschreckung. Und die ist wieder bitter notwendig. Deshalb will Deutschland ja seine Armee stark ausbauen: angesichts der Bedrohung durch Russland", mahnt der TAGESSPIEGEL.
Die RHEINPFALZ aus Ludwigshafen befindet: "Die Bürger dieses Landes verdienen es, dass die Regierung hier auf Nummer sicher geht. Dazu muss der Gesetzgeber für die Streitkräfte ein verbindliches Personalwachstum pro Jahr festlegen. Sobald dieses Ziel nicht erreicht wird, muss automatisch ein verpflichtender Wehrdienst aktiviert werden."
Der frühere Bundeswirtschaftsminister Habeck hat sein Bundestagsmandat niedergelegt. Der WESER-KURIER aus Bremen befasst sich mit dem Schritt des Grünen-Politikers: "Habeck war der erste Spitzenpolitiker, mit dem die Grünen in der Lage gewesen wären, in die Nähe des Bundeskanzleramtes zu kommen. Dass er 2021 die Kanzlerkandidatur seiner ehrgeizigen Co-Chefin Annalena Baerbock überlassen hatte, dürfte die größte Chance gewesen sein, die die Grünen je versemmelt haben. Seine wohlklingende, manchmal aber auch wolkige Rhetorik hatte ihn weit bis in das bürgerlich-konservative Lager hinein attraktiv scheinen lassen. Dabei war er weder der Heilsbringer noch die Hassfigur, zu der er später von rechter Seite gemacht wurde. In seiner Zeit als Wirtschaftsminister und Vizekanzler hat Habeck viel erreicht. Unter anderem ist es ihm nach dem russischen Angriff auf die Ukraine gelungen, die Energieversorgung Deutschlands binnen kurzer Zeit neu aufzustellen. Das war zweifellos eine Meisterleistung", vermerkt der WESER-KURIER.
Die PASSAUER NEUE PRESSE erinnert: "Habeck bleibt sich treu. Diese Hauruck-Hopplahopp-Hemdsärmeligkeit prägte auch seine Vizekanzler-Amtszeit in der Ampel. Nicht immer zum Vorteil von Regierung und Republik. In Erinnerung bleiben nicht nur diverse gesetzgeberische Geisterfahrten wie der abrupte Stopp der Elektroauto-Förderung oder der Rückbau von Bau-Förderprogrammen, meistens zum Stichtag vorgestern. Und ganz besonders natürlich das vermurkste Gebäudeenergiegesetz, unter dessen traumatischer Wirkung Heizungswirtschaft und -kundschaft bis heute leiden. Aber dennoch: Habeck brachte auch eine neue Nahbarkeit in die Politik. Die Wähler spürten: Hier verschanzt sich einer mal nicht unter der Berufspolitiker-Rüstung. Mehr davon würde guttun – auch wenn Habeck jetzt weg ist", wünscht sich die PASSAUER NEUE PRESSE.
Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG lobt: "Habecks größter Fehler war keinesfalls das Heizungsgesetz – schon deshalb nicht, weil monatelang eine Fassung beschimpft wurde, die längst kassiert war. Was schließlich kam, war ein staatlicher Anreiz, Gasthermen durch Wärmepumpen zu ersetzen. Habeck hat sich ernsthaft an die Energiewende gewagt. Dadurch hat er sich ums Land verdient gemacht. Dies unterscheidet ihn von denen, die 'fetischhaftes Wurstgefresse' bereits für Politik halten. Sein größter Fehler, das war seine Vornehmheit. Die Angriffe auf sich ließ er viel zu lange unpariert – bis die Grünen in einer Ecke waren, aus der sie keinen Ausweg mehr fanden. 'Fetischhaftes Wurstgefresse', die Bemerkung fiel Robert Habeck nun zum Abschied ein; sie galt natürlich Markus Söder. Ein bisschen derb. Aber manchmal muss ein Politiker halt Preisboxer sein."