01. September 2025
Die Presseschau aus deutschen Zeitungen

Das Bürgergeld soll nach Plänen von Arbeitsministerin Bas auch im nächsten Jahr nicht erhöht werden.

Bundesarbeitsministerin Bärbel Bas im Gespräch im Kommunalwahlkampf in NRW
Bundesarbeitsministerin Bas (picture alliance / dpa / Revierfoto / Revierfoto)
Die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG ist der Ansicht: "Die zweite Nullrunde für Bürgergeldempfänger ist kein Indiz für einen Abbau des Sozialstaats, kein Grund für Empörung und leider auch kein Zeichen für großen Reformwillen der schwarz-roten Koalition. Dass die steuerfinanzierten Regelsätze nach 2025 auch 2026 nicht steigen werden, zeugt im Gegenteil von besonderer staatlicher Fürsorge. Denn eigentlich müssten die von der Ampelregierung nach einem neuen Berechnungsmodus zunächst überhöht festgelegten Sätze gekürzt werden, da sich die Inflation schwächer entwickelt hat als angenommen. Doch die Kürzung verhindert der Bestandsschutz, wie auch bei den gesetzlichen Renten. Stattdessen werden überhöhte Leistungen nach und nach abgeschmolzen durch Verrechnung mit sonst möglichen Steigerungen", notiert die F.A.Z.
Die RHEINPFALZ aus Ludwigshafen beleuchtet das Verhältnis zwischen den Koalitionären: "Kaum hatte Friedrich Merz am Wochenende schmerzhafte Einschnitte in den Sozialsystemen in Aussicht gestellt, da meldete sich Bärbel Bas mit der Einlassung zu Wort, es sei 'Bullshit' zu sagen, Deutschland könne sich den Sozialstaat nicht mehr leisten. Der 'Geist von Würzburg', den die Koalitionsfraktionen erst vor wenigen Tagen bei ihrer Klausur am Main beschworen hatten, scheint bereits wieder auf dem Rückzug zu sein."
Die RHEIN-ZEITUNG aus Koblenz beklagt das langsame Tempo bei den nötigen Veränderungen: "Ohne Reformen und Einsparungen wird es nicht gehen, wenn man sich die Lage des Bundeshaushalts trotz der Rekordschulden anschaut. Darüber hinaus muss die Koalition jetzt ihrem eigenen Anspruch gerecht werden – schließlich ist sie als ein Bündnis angetreten, das das Land wieder solide aufstellen will. Ein erster Schritt ist jetzt gemacht. Mehr noch nicht."
Die BADISCHE ZEITUNG aus Freiburg befürchtet Schlimmes: "Die schwarz-rote Koalition steht vor einem Herbst der schwierigen Entscheidungen, besonders in der Sozialpolitik. Die Art, wie ihre Spitzen diese Diskussion schon jetzt führen, lässt Übles vermuten. Eine Antwort auf die Frage, wie das System fitter gemacht werden kann, ist notwendig. Sie zu finden, ist mühevoller, als populistische Reflexe zu bedienen."
Die NÜRNBERGER ZEITUNG verweist auf die vielen Reformen, die notwendig wären: "Zur Debatte stehen die Erhöhung des Rentenalters, der Investitionsstau, die Bevorteilung der Erben großer Vermögen, die wackelige Finanzierung der Gesundheitsvorsorge und der Pflege im Alter – um nur einige Kernprobleme zu nennen. Erste Schlagabtausche lassen allerdings an das unrühmliche Ende der verflossenen Ampelkoalition erinnern. Wem das zupasskommt, lässt sich ausdenken. Dabei wären Bürgerinnen und Bürger sehr wohl zu Einschränkungen bereit, wenn es auf gerechte Lösungen hinausliefe, die als solche freilich auch vermittelt werden müssten", argumentiert die NÜRNBERGER ZEITUNG.
Die AUGSBURGER ALLGEMEINE vermerkt: "Rund 16.000 schwarze Schafe gibt es, die das Bürgergeld bewusst missbrauchen. Sie zu sanktionieren, wäre richtig. Es brächte aber nicht einmal ein Promille des benötigten Geldes ein. Merz weiß das. Er und andere benutzen das Bürgergeld als vermeintlich einfache Antwort auf die Probleme dieses Landes. Der Sozialstaat ist in seiner Gesamtheit kein Luxus, den man sich nur in finanziell guten Zeiten leisten kann. Er ist der Garant für Zusammenhalt, der Kitt für eine funktionierende, solidarische Gesellschaft", unterstreicht die AUGSBURGER ALLGEMEINE.
Die Berliner TAGESZEITUNG - kurz TAZ - kritisiert ebenfalls die Nullrunde beim Bürgergeld: "Die SPD hat gewonnen. Also zumindest bei der Challenge, möglichst oft vor der Union einzuknicken. Sozialleistungen wie das Bürgergeld sind dazu da, einem unsozialen,profitbasierten Wirtschaftssystem seine Spitzen zu nehmen und auch diejenigen mitzutragen, die in diesem System, aus welchem Grund auch immer, nicht bestehen. Dass die SPD sich nicht für eine grundlegende Veränderung dieses Systems einsetzt, ist bekannt. Jetzt ist sie nicht einmal mehr bereit, sich für ein bisschen würdevolleres Leben der ärmsten Menschen in der Gesellschaft einzusetzen", bedauert die TAZ.
Es sei unstrittig, dass sich etwas ändern müsse, betont die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG. Denn - Zitat: "Der Sozialstaat wird immer teurer. Doch der Blick darf nicht nur auf die Bezieher gerichtet sein. Entscheidend ist die Rolle der Jobcenter. Sie verfügen über die Instrumente, um Menschen fit für den Arbeitsmarkt zu machen. Trotzdem werden zu wenige Menschen vermittelt. Der Staat muss stärker in die Arbeitsmarktintegration investieren: in Qualifizierung, Weiterbildung, Eingliederungshilfen", fordert die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG.
Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG kommentiert das Gipfeltreffen der sogenannten SOZ-Staaten in China. US-Präsident Trump habe mit seiner Wirtschafts- und Handelspolitik dafür gesorgt, dass China, Indien und auch Russland enger zusammenrücken: "Trump hat wichtige Partner wie Vietnam und Indien mit seinen erratischen Zöllen überzogen, ausgerechnet zwei Länder, wo Investitionen die globalen Lieferketten resilienter gegen chinesisches Streben nach Dominanz machen könnten. Auf Basis seiner Rhetorik lässt sich gar nicht sagen, mit wem Trump eigentlich gerade in welcher Kategorie von Konflikt steckt: mit China, Südkorea, Japan, Taiwan oder Australien? Nur von Russland lässt er die Finger.Gleichzeitig schwindet das moralische Gewicht des Westens. Mit seiner fast bedingungslosen Unterstützung Israels hat er auch für viele Asiaten den Rest an Glaubwürdigkeit verspielt. Umso größer ist die Anziehungskraft von Chinas Vision einer multipolaren Ordnung – vor allem für autokratische Regierungen, die nicht auf Menschenrechtsverletzungen angesprochen werden wollen. Die SOZ zeigt, wie diese postwestliche Welt funktioniert: keine Einmischung in innere Angelegenheiten, keine universellen Werte, stattdessen nationale Souveränität als oberstes Prinzip", analysiert die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG.
Die MÄRKISCHE ODERZEITUNG aus Frankfurt/Oder fragt sarkastisch: "Russland isoliert? Von wegen! Genau diese Botschaft werden die Fotos und Filme aus dem Reich der Mitte in den kommenden Tagen transportieren: Putin im Kreise von rund 20 Amtskollegen beim Gipfel der SCO – einer Art Gegen-Nato. Putin mit den mächtigen Staatschefs von China und Indien. Putin bei der Militärparade in Peking. Was diese Bilder zugleich sagen ist: Es geht auch prima ohne Euch, Amerika und Europa", schreibt die MÄRKISCHE ODERZEITUNG.
Der REUTLINGER GENERAL-ANZEIGER notiert: "Oft schon wurde prognostiziert, dass ein großes Dreierbündnis zwischen Russland, China und Indien nicht zustanden kommen kann oder - falls doch - nicht lange Bestand hätte. Wahrscheinlich noch nie waren die Rahmenbedingungen dafür so günstig, wie jetzt. Noch nie war der Westen so zerstritten. Noch nie standen die Länder in Europa innenpolitisch auf so wackligen Beinen. Und noch nie verlor der westliche Kapitalismus global so an Einfluss. Noch nie war der große Bruder hinter dem großen Teich so unberechenbar", erläutert der REUTLINGER GENERAL-ANZEIGER:
Nun noch ein Blick in die STUTTGARTER ZEITUNG: "China und Indien beäugen sich seit Jahrzehnten überaus kritisch. Es gibt anhaltende Grenzstreitigkeiten und ein Ringen um die Vormachtstellung in Asien. Chinas Erzfeind, der Dalai Lama, lebt im indischen Exil. Und Indiens ungeliebter Nachbar Pakistan hält engste Beziehungen zu Peking. Doch Trumps Zollpolitik ist nun ein Grund dafür, dass die beiden Länder wieder eine Annäherung suchen. Indien, geopolitisch bisher klar an der Seite der USA verortet, leidet unter den hohen Aufschlägen, die für Tech-Exporte bezahlt werden müssen. Chinas Staatschef Xi sieht es daher als bestmögliches Szenario an, wenn 'der Elefant und der Drache' künftig gemeinsam tanzen." Das war die STUTTGARTER ZEITUNG, mit der die Presseschau endet.